Ausgabe

Gedenkinitiativen in Wels Serie, Teil III

Tina Walzer

In der oberösterreichischen Stadt Wels gibt es heute keine jüdische Gemeinde. Bis 1938 lebten einige jüdische Familien hier, sie wurden vertrieben und verfolgt.1 Rund um das Kriegsende waren zusätzlich zu ihnen viele Opfer der sogenannten Todesmärsche ungarischer Juden auf dem Gebiet der Stadt Wels zu beklagen.2

Inhalt

Im Pollheimer Park findet bei dem 1995 errichteten Mahnmal für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Wels (heute Station 9 des Welser Erinnerungswegs) jedes Jahr, zur Erinnerung an die Pogrome in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, eine Gedenkveranstaltung statt, die auch den Opfern von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gewidmet ist. Das breite Spektrum an Organisatoren, die daran mitwirken – von kirchlichen Institutionen über Schulen, Medienvertreter und Prominenz aus dem Kunst- und Kulturbereich bis zu Politikern verschiedener Parteien – veranschaulicht, wie wichtig dieses Gedenken für die Stadt ist. Die heuer für den 9. November geplante Veranstaltung Nie Vergessen musste allerdings wegen der COVID-Pandemie abgesagt werden; der Bürgermeister Dr. Andreas Rabl und der  Vizebürgermeister Gerhard Kroiss beschränkten sich darauf, im Gedenken an die Gräuel der damaligen Zeit wenigstens einen Kranz beim Mahnmal niederzulegen. Auch die jährliche Gedenkveranstaltung für die Opfer der Todesmärsche ungarischer Juden ist ein wichtiger Termin in Wels. Vor allem die Welser Initiative gegen Faschismus engagiert sich seit vielen Jahren für eine umfassende Gedenkkultur in der Stadt.

Welser Erinnerungsweg
Am 22. Juni 2012 wurde der Welser Erinnerungsweg eröffnet.3 Die elf Stationen sind das Ergebnis eines 2009 gestarteten Bürgerbeteiligungsprozesses unter Federführung der Innenstadt-Agenda 21. Aufgenommen wurden all jene Gebäude, in denen Opfer des Nationalsozialismus gelebt oder gearbeitet hatten, und zwar jüdische Opfer (Ernst und Hilda Hoffmann, die Familie Grünberg, die Brüder Jellinek, die Familie Neubauer) ebenso wie Widerstandskämpfer (Karl Loy, Josef Weber, Ignaz Rössler, Franz Schöringhumer).  Weitere Stationen des Themenwegs sind das aus Keramik errichtete KZ-Denkmal für Widerstandskämpfer (hier ist vor allem an die „Welser Gruppe“ zu denken) im Pollheimer Park aus dem Jahr 1949, dazu noch aus 1995 das Mahnmal für die verfolgten jüdischen Bürger von Wels: eine Gedenktafel mit deren Namen, die seit 2004 auf fünfzehn Säulen ruht (ebenfalls im Pollheimer Park, bei der Stadtpforte) und in Deutsch und Englisch über die Schicksale der Opfer informiert. Schliesslich existiert noch eine Gedenktafel für Welser Widerstandskämpfer an der Stadtmauer im Pollheimer Park. Auf dieser Tafel sind die achtundzwanzig Namen von Menschen zu lesen, die genau ein Jahr vor der Enthüllung der Tafel auf Befehl des NS-Gauleiters Eigruber am 28. April 1945, unmittelbar vor Kriegsende, noch ermordet worden waren. Diese „Welser Gruppe“ des Widerstands in Wels hatte aus ganz unterschiedlichen Kreisen zusammengefunden, 1944 wurde sie verraten. Die Männer wurden ins KZ Mauthausen deportiert, die Frauen ins Frauengefängnis Kaplanhof. Das Gefängnis wurde bei einem Luftangriff am 31. März 1945 zerstört, seine Insassinnen kamen dabei ums Leben. Unter den Häftlingen im KZ Mauthausen gab es nur einen einzigen Überlebenden, Richard Dietl. Alle anderen Männer wurden vergast.4 

Weitere Gedenkinitiativen
Neben den verschiedenen Gedenkstätten im Pollheimer Park wären noch die Gedenksteine am städtischen Friedhof5 zu erwähnen. Auch das Mahnmal gegen Neonazismus in der Porzellangasse ist hier hervorzuheben. Überdies sind 2008 in Wels bisher sechs sogenannte Stolpersteine des deutschen Künstlers Gunter Demnig verlegt worden: drei erinnern an das Schicksal von Elfriede Grünberg, ihrer Mutter und ihrer Tante, drei an die Widerstandskämpfer Karl Ammer (Goethestrasse 21), Ignaz Rössler (Rablstrasse 3) und Paulus Wörndl (Stefan-Fadingerstrasse 7). Nach Elfriede Grünberg ist auch ein Preis benannt, der seit dem Jahr 2000 jährlich von der Welser Initiative gegen Faschismus verliehen wird.

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Stolpersteine für die Familie Grünberg in der Welser Knorr-Strasse.Foto: Murcie13, 2008. Quelle: wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grünberg-Stolpersteine.jpg?uselang=de

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Kranzniederlegung beim Mahnmal für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Wels am 9. November 2021. Im Bild: Bürgermeister Dr. Andreas Rabl (re.) und Vizebürgermeister Gerhard Kroiss (li.).  Foto: Stadt Wels, mit freundlicher Genehmigung.

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Das Mahnmal für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Wels. Foto: M. Kaczek, mit freundlicher Genehmigung.
 

Anmerkungen:
1 vgl. Teil I dieser Serie: Stephan Templ, Jüdisches Leben in Wels; In: DAVID, 32. Jg., Heft 127, Chanukka 5781/Dezember 2020, S. 68f., link: https://davidkultur.at/artikel/juedisches-leben-in-wels
2 vgl. Teil II dieser Serie: Tina Walzer, Ein neues und ein altes Mahnmal für KZ-Opfer in Wels; In: DAVID, 33. Jg., Heft 128, Pessach 5781/März 2021, S. 66f., link: https://davidkultur.at/artikel/ein-neues-und-ein-altes-mahnmal-fuer-kz-opfer-in-wels-serie-teil-ii
3 vgl. N.N., Wels: Eigener Themenweg erinnert an Verfolgte und Opfer des Nationalsozialismus; In: DAVID, 24. Jg., Heft 94, Rosch Haschana 5773/September 2012, S. 80f., link: https://davidkultur.at/artikel/wels-eigener-themenweg-erinnert-an-verfolgte-und-opfer-des-nationalsozialismus):
4 vgl. Josef Goldberger/Cornelia Sulzbacher, Oberdonau. Hg.vom Oberösterreichischen Landesarchiv. Linz 2008. (= Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus, Bd. 11)
5 wie Anm. 2

Nachlese:
Hannelore Hörhann/Claudia Mallinger: Der Welser Erinnerungsweg – eine Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer. o.O., Dezember 2013, https://www.erinnern.at/themen/e_bibliothek/abschlussarbeiten-paedagogik-an-gedaechtnisorten/abschlussarbeiten/hannelore-hoerhann-claudia-mallinger-der-welser-erinnerungsweg-eine-handreichung-fuer-lehrerinnen-und-lehrer
Katia Kreuzhuber: Die Verfolgung der Welser Juden 1938. 80 Jahre Novemberpogrome. 9.11.2018, In: Mein Bezirk.at, https://www.meinbezirk.at/wels-wels-land/c-lokales/die-verfolgung-der-welser-juden-1938_a3027012
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/k-l/1206-linz-donau-oesterreich 
https://antifawels.wordpress.com/elfriede-grunberg-preis/