Ausgabe

Der Pionier der Isotopenforschung George de Hevesy (1885 – 1977)

Ingrid Prucha

Inhalt

George de Hevesy – auch Georg Karl von Hevesy –wurde am 1. August 1885 in Budapest als fünftes Kind einer Familie des Budapester deutschsprachigen jüdischen Grossbürgertums geboren. Seine Eltern waren Ludwig (Lajos) Bischitz de Heves, seines Zeichens Vizepräsident der Oberungarischen Berg- und Hüttenwerke, und Eugenie Baronesse Schosberger de Tornya.  Ludwig Bischitz de Heves hatte die Schreibweise seines Namens bereits früh magyarisiert und erhielt die Erlaubnis, den Namen in Hevesy-Bisicz de Heves zu ändern und in weiterer Folge sich Hevesy de Heves oder einfach nur de Hevesy nennen zu dürfen. David Bischitz, väterlicherseits Grossvater von George de Hevesy, erhielt bereits 1895 den erblichen ungarischen Adelstitel mit dem Prädikat de Heves, seine Frau war eine der bedeutendsten jüdischen Philanthropinnen des 19. Jahrhunderts.
George de Hevesy studierte Chemie, Physik und Mathematik an den Universitäten Budapest, Berlin und Freiburg im Breisgau, wo er 1908 mit der Arbeit Über die schmelzelektrolytische Abscheidung der Alkalimetalle aus Ätzalkalien und die Löslichkeit dieser Metalle in der Schmelze promovierte. Auch sein beruflicher Weg führte ihn quer durch Europa: beginnend in Karlsruhe setzte er seine Forschungstätigkeiten bei Ernest Rutherford in Manchester fort. Diese Zeit prägte ihn insbesondere, da er hier nicht nur erstmals mit Niels Bohr zusammentraf, sondern vor allem den entscheidenden Impuls für seine wichtigste Entdeckung erhielt. Da es nicht möglich ist, Radium D (210Pb) und stabiles Blei (Pb) chemisch voneinander zu trennen, hatte Hevesy den genialen Einfall, die radioaktive Strahlung des Isotops 210Pb als Marker (Indizierung) zu nutzen, womit er die Indikatormethode erfand, die er für die Bestimmung schwerlöslicher Bleisalze anwandte. 
Am Wiener Institut für Radiumforschung, das während der Monarchie eine Monopolstellung hinsichtlich der Nutzung und Verleihung von Radiumpräparaten innehatte, gelang ihm noch im selben Jahr, zusammen mit dem hier wirkenden Chemiker Friedrich Adolf Paneth, die bahnbrechende Entwicklung der in der Folge nach den beiden benannten „Hevesy-Paneth Analyse“. Bei diesem quantitativen Verfahren wurden erstmalig Radioisotope als Indikatoren genutzt, um so die dadurch ausgelösten chemischen Prozesse quantifizieren beziehungsweise analysieren zu können. Diese Indikator-Methode – heute besser bekannt unter Tracer-Methode – wird unter anderem in der medizinischen Diagnostik eingesetzt, beispielsweise bei Szintigrafien. Dabei handelt es sich um ein nuklearmedizinisches Verfahren zur Darstellung von Körpergewebe, das schwach radioaktive Stoffe nutzt, um diese in verschiedenen Organen – beispielsweise der Schilddrüse – anzusammeln. Die dabei abgegebene Strahlung wird registriert und liefert Hinweise auf die Stoffwechselaktivität und Durchblutung des Gewebes. So wird George de Hevesy immer wieder auch als „Vater der Nuklearmedizin“ bezeichnet. Für seine damit im Zusammenhang stehende Arbeit über die „Anwendung der Isotope als Indikatoren bei der Erforschung chemischer Prozesse” erhielt er 1943 den Nobelpreis für Chemie.

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George de Hevesy in jungen Jahren. Quelle: Wikipedia.
 

Lebensweg
1913 habilitierte sich Hevesy in Budapest, dabei stellte er die neuen Ideen von Rutherford hinsichtlich des Baus der Atomkerne dar. Sein weiterer Weg führte ihn nach dem Ersten Weltkrieg erstmals nach Kopenhagen zu Niels Bohr. Dort entdeckte er gemeinsam mit Dirk Coster 1923 mittels Röntgenspektroskopie ein neues chemisches Element, das nach dem Ort seiner Entdeckung Hafnium [lat. Hafnia = Kopenhagen] benannt wurde.
Weitere Zwischenstationen seines Lebens waren Professuren in Budapest und an der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begab sich George de Hevesy zuerst wieder nach Kopenhagen und 1943 weiter nach Stockholm, wo er bis 1961 tätig war.

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Szintigramm einer Schilddrüse und der beiden Speicheldrüsen. 
Quelle: Wikipedia.

Dazu eine besondere Geschichte: Im Jahr 1935 wurde deutschen Staatsangehörigen das Annehmen oder Tragen des Nobelpreises generell untersagt. Deshalb hatten Max von Laue und James Franck ihre Medaillen bereits Niels Bohr in Kopenhagen anvertraut. Als im April 1940 deutsche Truppen die dänische Hauptstadt besetzten, löste George de Hevesy die beiden goldenen Medaillen in Königswasser auf, um sie dem Zugriff der Besatzer zu entziehen. Bei Königswasser handelt es sich um eine Mischung aus Salz- und Salpetersäure im Verhältnis 3:1, mit einer extrem hohen Oxidationskraft, die selbst Edelmetalle wie Gold und Platin lösen kann. Nach Kriegsende extrahierte de Hevesy das im Königswasser gelöste Gold und händigte es der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften aus, die daraus neue Medaillen herstellte und an von Laue und Franck übergab.
Hochdekoriert verstarb George de Hevesy am 5. 7. 1977 zu Freiburg im Breisgau und wurde im Jahr 2000 an seinen Geburtsort Budapest überführt.
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Niels Bohr am Zyklotron des Instituts für Theoretische Physik Kopenhagen. Quelle: The National Library of Denmark and Copenhagen University Library.