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In Erinnerung an Herbert Schrott, s. A. (1926 – 2021)

Nachruf

Inhalt

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Herbert Schrott, 2017. Foto: Christian Michelides, Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Herbert_Schrott_(2017).jpg, Creative commons.
 

Herbert Schrott wurde 1926 in Wien geboren und wuchs im achten Bezirk auf. Seine Mutter, eine Hausfrau, und sein Vater, Angestellter in einer Metallwarenfabrik, waren nicht sehr religiös, hielten aber die wichtigsten jüdischen Feiertage ein. Bereits als Jugendlicher war Herbert Schrott in der Jugend-Alijah aktiv, wo er die Hachscharah, die Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina, absolvierte.
Anfang der 1930er Jahre traf die Familie Schrott in Caféhäusern immer wieder jüdische Emigrantinnen und Emigranten aus Deutschland, die über Deportationen und Konzentrationslager erzählten: 
„Sie waren in Wien auf der Durchreise in ein Auswanderungsland und Herberts Vater sammelte Geld, um den Leuten ein wenig zu helfen. Dennoch sagte er immer, dass die Leute alles übertreiben würden, um unterstützt zu werden. Auch noch unter Hitler beschönigten viele Wiener Juden die dramatische Lage, alles sei halb so schlimm und man käme höchstens in ein Arbeitslager. Als Herbert schliesslich mit 16 Jahren nach Theresienstadt kam, hörte er immer noch, wie die Erwachsenen sagten: „Was glaubst du? Man kann doch nicht 10.000 Menschen umbringen!“„1
Als Herbert Schrotts Vater 1938 gekündigt wurde, war er zunächst als Hilfsarbeiter tätig und konnte ein amerikanisches Visum sowie Schiffskarten für die Ausreise organisieren. Durch den deutschen Angriff auf Holland und Belgien 1940 wurde die Holland-Amerika-Linie blockiert und die Familie Schrott musste in Wien bleiben, wo der Sohn als Hilfsarbeiter in einem Magazin bei der Deutschen Wehrmacht arbeitete, um der Deportation zu entgehen. 
Nach zwei Jahren im Lager Theresienstadt (heute Terezín, Tschechische Republik) wurde Herbert Schrott mit 15.000 anderen Personen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Als die KZ-Leitung nach Schustern, Tischlern und Schlossern suchte, meldeten sich Herbert Schrott und sein Vater, die nach Landsberg-Kaufering, einem Aussenlager des KZs Dachau, gebracht wurden. Dort starb der Vater. Bei der Räumung aller Lager in der Umgebung Dachaus wurden die Häftlinge auf einen Todesmarsch in Richtung Tirol geschickt. In Salzburg erfuhr Herbert Schrott, dass seine Mutter am Leben war:
„Nach fünf oder sechs Tagen kam die Häftlingsgruppe zu einer Scheune, und Herbert legte sich ins weiche Heu, wo er wie alle anderen auf der Stelle einschlief. Als er aufwachte, war er allein. Man hatte ihn offenbar vergessen. Doch er hörte einen Wortwechsel auf Englisch. Er schaute nach draussen, wo ein Jeep und ein paar Amerikaner standen. Er rief nach ihnen und sie kamen gleich, um zu helfen. Zwei Wochen später fuhr er alleine Richtung Wien, um seine Mutter zu finden.“2 
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war Herbert Schrott Mitglied der Schwimmsektion Hakoah Wien gewesen, und 1945 schloss er sich wieder dem Verein an. Abends nach Dienstschluss – er arbeitete bei einem Lebensmittelgrosshändler – ging er Schwimmen. Im Jahre 1958 heiratete er Kitty Drill, die sich in einem Interview mit Tanja Eckstein für das Projekt Centropa erinnerte: 

„Für mich war es sehr wichtig, einen Juden zu heiraten – mehr noch, es war eigentlich selbstverständlich. (…) Meinen Mann, Herbert Schrott, lernte ich 23jährig, im Juli 1958 kennen. Seine Mutter klagte ihr Leid, dass ihr Sohn eine Frau suche. Da war jemand dabei, der mich kannte und der sagte zu mir: „Willst du ihn ganz unverbindlich kennen lernen?“ Also begegneten wir einander nicht zufällig, ich suchte jemanden, er suchte jemanden. Ich wusste sofort, dass ich einen Partner fürs Leben gefunden hatte.“3


Herbert Schrott starb am 13. September 2021 in Wien.


Anmerkungen:
1 https://www.nurinst.org/herbert-schrott/
2 Ebd.
3 https://ww w.centropa.org/de/photo/hochzeitsfoto-von-kitty-und-herbert-schrott