Ausgabe

Der spitze Hut

Inhalt

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Ruth Weiss: Der spitze Hut
Bodenburg, Verlag Edition AV, 2021
200 Seiten, 16,50 Euro
ISBN-13: 978-3-86841-259-8 

Während in Süddeutschland im 14. Jahrhundert die Pest wütet und tausende Menschen sterben, werden Sündenböcke gesucht und in der jüdischen Bevölkerung gefunden. Sie wird für die Seuche verantwortlich gemacht und das nicht nur weil es den niedrigen Rassismus-Instinkt bedient, sondern auch die wirtschaftlichen Interessen der Feudalherren. Im Roman von Ruth Weiss, Der spitze Hut, ist Ariel die Hauptfigur. Er ist Sohn einer Kantorenfamilie und der einzig Überlebende seiner Familie nach gnadenlosen Pogromen gegen Juden. Sein Freund ist das Weinbauernkind Jürg und gemeinsam werden sie Zeugen am Mord an Pater Cornelius, der neben seiner Geliebten tot aufgefunden wird. Dieses Erlebnis verbindet die beiden Jungen für ihr ganzes Leben. Ariel und Jürg sind begabte Musiker und Sänger. Ariel schliesst sich als jüdischer Minnesänger einer kleinen Gruppe fahrender Künstler an und zieht mit ihnen durchs Land. Nach seinem Stimmbruch hat Ariel eine schöne Tenorstimme und tritt als beliebter Künstler auf Burgen und Märkten auf. Am Ausnahmeschicksal des jüdischen Minnesängers Ariel erzählt Ruth Weiss anschaulich das jüdische Leben im Mittelalter. Intensiv wird die Frage nach der Koexistenz von Menschen und Religionen in bedrohlichen Zeiten abgehandelt. Die detaillierten Stimmungsbeschreibungen versetzen den Leser in eine dunkle und karge Zeit vieler Entbehrungen. 
Der spitze Hut, als Titel dieses Buches gewählt, wurde auch Judenhut genannt. Es ist ein halbkugelig oder konisch zulaufender breitkrempiger Hut mit einem Knauf auf dem Scheitel. Dieser Hut wurde zuerst ab dem 11. Jahrhundert in der Buchmalerei und anderen Abbildungen verwendet, um Personen als Juden zu kennzeichnen. Ab dem 13. Jahrhundert war dieser Hut als stigmatisierendes Kennzeichen als Kopfbedeckung für Juden dann gesetzlich vorgeschrieben. In der christlichen Bildkunst dagegen war der Judenhut als Kennzeichen schon bald auf dem Rückzug. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts und verstärkt im 14. Jahrhundert entstand eine physiognomische Markierung für Juden. Insbesondere wurde das Zerrbild mit Hakennase verbreitet verwendet, was bis heute fortgeführt wurde. 
Ruth Weiss, 1924 in Fürth in Deutschland geboren, emigrierte mit ihrer Familie 1936 nach Südafrika um der Naziherrschaft zu entfliehen. Dort arbeitet sie später viele Jahre als Journalistin und berichtete über die Entkolonialisierung Afrikas. Ihre journalistische Arbeit führte sie auch in andere afrikanische Länder und nach London, sowie für kurze Perioden auch nach Deutschland. Seit 2002 lebt sie bei ihrem Sohn in Dänemark.
Im Zentrum ihres Schaffens steht ihr Kampf gegen Apartheit, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus. Geehrt wurde Ruth Weiss 2005 mit einer Nominierung zum Friedensnobelpreis. 2014 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 2020 wurde sie zur Ehrenpräsidentin des PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland ernannt. 


Viola Heilman