Der Schriftsteller und Historiker
Riccardo Calimani, 1946 in Venedig geboren, zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren jüdischer Geschichte und Kultur Italiens und Europas.
Riccardo Calimani war lange Fernsehdirektor der RAI für die Region Veneto und hat heute den Vorsitz der Stiftung des Museo dell‘ Ebraismo Italiano et della Shoah (MEIS) in Ferrara inne. Er war Präsident und ist jetzt Vize-Präsident der jüdischen Gemeinde von Venedig. Calimanis Bücher wurden vielfach ausgezeichnet und übersetzt, darunter das Standardwerk Die Geschichte des Ghettos von Venedig 1516 – 2016. Seine Vorfahren waren 1516 nach Venedig gekommen, zu ihnen zählte später auch der berühmte Rabbiner Simone Calimani (Simchah ben Abraham Calimani, 1699–1784).
Aus einer jahrhundertelang ortsansässigen Familie stammend, ist Professore Calimani mit Geschichte und Philosophie des venezianischen Judentums gleichermassen vertraut. Souverän bringt er dem Leser die Fülle der jüdisch-schriftlichen Zeugnisse Venedigs näher, die hier besonders zahlreich überliefert sind. In seinem Werk über das Ghetto von Venedig stellt Professore Calimani die Biografien aussergewöhnlicher jüdischer Persönlichkeiten aus ihren Lebenszeugnissen dar und vermittelt dem Leser einen tiefen Einblick in die wichtigsten Aspekte des Alltagslebens dieses ersten Ghettos der Welt, seine Ursprünge und die Vielfalt seiner Bewohner. Und er analysiert die unterschiedlichsten Motive der Obrigkeiten gegenüber den oft als Flüchtlinge aufgenommenen Juden in der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft. In seinem Vorwort zur Neuauflage 2016 schreibt er:
„Ich hoffe dass der Leser […] nicht nur Mitgefühl mit den Juden des Ghettos empfindet, sondern dieses Gefühl auch auf alle Angehörigen jedes Volkes und jeder Nation übertragen kann, die Übergriffe und Gewaltakte erlitten haben oder immer noch erleiden – und das sind viele, und es darf keine Ausnahme geben. Mein Wunsch ist, dass der Gerechtigkeitssinn in jedem Teil der Welt obsiegen möge, denn unabhängig von ihren jeweiligen Kulturen und Traditionen verdienen alle Völker Respekt. Dieser Wunsch erscheint heute notwendiger denn je.“
Sabine Mayr im Online-Interview mit Riccardo Calimani und T. Walzer, Oktober 2021. Screenshot: T. Walzer, mit freundlicher Genehmigung.
DAVID: An Ihrem Buch über das Ghetto von Venedig fasziniert die Umgangsweise der Mehrheitsbevölkerung gegenüber Jüdinnen und Juden, die so anders wirkt, als aus dem aschkenasischen Raum nördlich der Alpen bekannt. Gab es, speziell im sefardischen Kontext, ein Miteinander, und was genau verlief anders in Venedig?
Calimani: In Venedig gestaltete sich jüdisches Leben vollkommen verschieden von anderen europäischen Ländern. In Venedig gab es keinen König, sondern eine von Adeligen regierte Republik, die sich nicht auf die Autorität einer einzelnen Person reduzieren liess. In der Republik Venedig war ein Austausch an der Spitze der Macht gewährleistet, der zwar nicht demokratisch, aber immerhin ausgeweitet war. Im Jahr 1516 wurden Juden in Venedig anerkannt, da sich die Republik Venedig in einer sehr schwierigen Lage befand. Die Republik Venedig misstraute der Kirche, die damals eine erhebliche Macht darstellte, und liess Vertreter der Monti di Pietà1 nicht in die Stadt. Diese verliehen Geld, anfangs ohne Zinsen (weshalb sie in Konkurs gingen, da sie die Spesen nicht bezahlen konnten), und später mit geringfügigem Aufschlag. Monti di Pietà waren jedenfalls in Venedig nicht willkommen, wohingegen jüdische Geldverleiher der „Natione Todesca“, der nun entstehenden deutschjüdischen Gemeinde, in der Stadt aufgenommen wurden. Aus einem sehr einfachen Grund: Die deutschen Juden stellten eine politisch schwache Gruppe dar und konnten ein Vormachtstreben gegenüber den Adeligen Venedigs in keinster Weise auch nur andeuten. Zu Beginn wurde in Venedig daher eine deutschjüdische Gemeinde anerkannt, deren Mitglieder für den Adel Venedigs die Funktion einer Bank ausübten.
DAVID: Welche weiteren Einwanderer jüdischen Glaubens gab es?
Calimani: Im Laufe des 16. Jahrhunderts trafen sodann zwei weitere Gruppen jüdischer Einwanderer in Venedig ein, die sich von der aschkenasischen Natione Todesca unterschieden. Zuerst kamen die 1492 aus Spanien vertriebenen, levantinischen Jüdinnen und Juden, die nicht sofort nach ihrer Vertreibung aus Spanien nach Venedig gekommen waren, sondern zunächst in der Levante (auf dem Balkan, in Griechenland oder in der Türkei) gelebt hatten. Als Händler kamen sie Jahrzehnte später nach Italien, nach Rom, Livorno oder Venedig. Hier erfüllten sie eine allmählich immer wichtiger werdende Funktion, denn der venezianische Adel zog es vor, in einer Villa auf dem Lande zu leben und die Risiken des Seehandels den levantinischen Juden zu überlassen. Levantinische Juden haben sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Venedig niedergelassen.
Riccardo Calimanis Geschichte der italienischen Juden, Band 1.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts ist noch eine Gruppe dazugestossen, jene der ponentinischen Einwanderer. Es waren Jüdinnen und Juden, die in Spanien oder Portugal unter Zwang zum Christentum konvertiert waren und nach ihrer Flucht und Niederlassung in Venedig wieder zum jüdischen Glauben zurückkehrten. Ungefähr ein Jahrhundert war nötig, ehe diese drei Gruppen jüdischer Einwanderer, die sich in Mentalität, Sprache, Gebräuchen und historisch-geografischer Tradition beträchtlich voneinander unterschieden, in Venedig zusammenfinden konnten. Die ersten Einwanderer lebten zunächst im Neuen Ghetto (Ghetto nuovo) in Venedig. Levantinische Juden siedelten sich dagegen im Alten Ghetto (Ghetto vecchio) an und ponentinische Juden lebten bevorzugt im Neuesten Ghetto (Ghetto novissimo) in Venedig. Deutschjüdische Familien waren im Bankwesen und levantinische im Handel tätig. Der Vorteil letzterer, die zuvor in Kairo, in der Türkei oder in Griechenland gelebt hatten, war, dass sie in die verschiedenen Länder unsichtbare Fäden familiärer Verbindungen hatten, die der Handelstätigkeit dieser wagemutigen Unternehmer zugute kamen.
Riccardo Calimanis preisgekröntes Werk zur Geschichte des Ghettos von Venedig, deutsche Übersetzung.
DAVID: Könnte man sagen, dass die Republik Venedig, anders als viele beim Flüchtlingsthema heute, damals gesehen hat, dass eine Ansiedlung der verschiedenen Gruppen, der verschiedenen Gemeinden oder Nationen von Juden in Venedig im eigenen Interesse lag, sodass Regeln geschaffen wurden, unter denen man mit ihnen gemeinsam leben wollte, was den Zuwanderern eine gewisse Sicherheit, einen Rahmen gab, innerhalb dessen sie sich bewegen konnten?
Calimani: Venedig war daran interessiert, dass Juden im Ghetto lebten, das ist belegt.Aber es war keineswegs eine einfache Beziehung, denn die Republik Venedig stellte eine Macht dar, vor der die jüdischen Einwanderer einen schwachen Stand hatten. Es war also keine Beziehung unter gleichwertigen Partnern, sondern es gab ein sehr erhebliches Machtgefälle. Aber dennoch hatte das Leben in der Republik Venedig die Charakteristik, dass es hier keinen Druck gab, zum Christentum zu konvertieren. In Rom waren Juden einem solchen Druck zur Konversion ausgesetzt. In Venedig konnten Juden im Laufe der Jahrhunderte hingegen ein relativ ungestörtes Leben führen. Hier dachte man beispielsweise gar nicht daran, sogenannte prediche quarte durchzuführen, jene in den Kirchen Roms abgehaltenen Versammlungen, die das Ziel verfolgten, Juden zum Glaubenswechsel zu überreden. Daneben gab es noch eine weitere Besonderheit Venedigs: den sehr früh florierenden Buchdruck. Er stellte in Venedig einen wichtigen Wirtschaftszweig dar, den Juden über ganz Europa verbreiteten. Christliche Herausgeber wurden hier von Rabbinern, Fachleuten und Gelehrten unterstützt, und dies war für die Republik Venedig ein wichtiger wirtschaftlicher Zugewinn.
Gefälschte Pässe, mit deren Hilfe Calimanis Eltern die Shoah überlebten. Alle Rechte: R. Calimani, mit freundlicher Genehmigung.
DAVID: Gibt es noch jüdische Bücher aus jener Zeit? Diese alten Bücher und Dokumente zu sehen ist sehr erstaunlich, denn in Wien beispielsweise gibt es die ganz alten jüdischen Bücher nicht mehr. Sie wurden im Laufe der mehrfachen Vertreibungen, spätestens von den Nazis zerstört oder sind heute in alle Welt verstreut durch den Raubkunsthandel.
Calimani: Durchaus. Ein Talmud, der damals mehrmals gedruckt wurde, steht hier bei mir im Regal.
DAVID: Woraus lassen sich die Unterschiede zwischen den diversen sefardischen Gruppen Venedigs noch erklären, und was ist an ihnen so besonders?
Calimani: Aschkenasische Juden hatten eine bestimmte Tradition und sprachen ihre Sprache. Ponentinische Juden sprachen Türkisch, Griechisch, Spanisch. Levantinische Juden sprachen Spanisch. Es gab daher ein grosses Durcheinander von Sprachen, Mentalitäten und Traditionen, aber auch ein Zusammentreffen, das sehr fruchtbar war, da alle ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten und speziellen Kenntnisse mit einbrachten, entweder als Geldverleiher oder als Händler. In diesem grossen Babel gedieh zum einen der Wirtschaftszweig der Buchproduktion und zum anderen eine weitere Profession, die in der christlichen Welt sehr anerkannt und auch von den Päpsten hochgeschätzt war: die Medizin. Juden waren aus zwei Gründen ausgezeichnete Ärzte; einmal, weil sie sich um den Körper kümmerten und nicht um die Seele, zweitens, weil sie länderübergreifende Kontakte hielten und Informationen über Erkenntnisse somit rascher überbringen konnten. Jüdische Ärzte waren gut informiert und wurden von den Päpsten bevorzugt.
DAVID: Inwieweit hat sich das Verhältnis zwischen Juden und venezianischer, umgebender Bevölkerung durch die Napoleonische Zeit, durch die Aufhebung des Ghettos und die bürgerlichen Rechte geändert?
Calimani: Vor wenigen Tagen habe ich gelesen, dass französische Juden gesagt hätten, Napoleon sei für sie sehr wichtig gewesen. Tatsächlich war es Napoleons Ziel, die Welt zu erobern und Krieg zu führen. Er war keine besonders vertrauenerweckende Persönlichkeit. In Venedig hat er zwar das Ghetto aufgehoben, aber dies erfolgte eher zufällig, als Nebenprodukt, da ihm in erster Linie daran lag, die Republik Venedig zu zerschlagen. Als er daraufhin Rabbiner und italienische Gelehrte in Paris versammelte, wollte er sie als Verbündete für seine Zwecke instrumentalisieren. Napoleons Absichten waren in erster Linie politisch-militärisch ausgerichtet. Nach dem Fall der Republik Venedig assimilierten sich die venezianischen Juden an ihre nichtjüdische Umgebung.
In Italien lebten immer nur sehr wenige Jüdinnen und Juden, während Juden in der österreichisch-ungarischen Monarchie zirka zehn bis fünfzehn Prozent der gesamten Bevölkerung ausmachten. In höheren Schulen waren sie zu zirka achtzig Prozent vertreten, da ihnen als mögliche Betätigungsfelder nur die Freien Berufe zugestanden wurden, zumal sie weder im Militär noch im Beamtenwesen eine Karriere anstreben konnten. In Italien zeigte sich jedoch eine andere Situation. Als ich einmal einen angesehenen Journalisten und früheren Präsidenten der RAI nach der Anzahl der in Italien lebenden Jüdinnen und Juden fragte, antwortete er nach reiflicher Überlegung, dass es im Stadtzentrum Roms eine Menge jüdischer Geschäfte gebe und dass daher in Italien wohl zirka eine Million Juden leben würden. Ich musste lachen, denn selbst im Jahr 1938, als die sogenannten Rassengesetze erlassen wurden, gab es hier nicht mehr als rund 40.000 Juden. Heute leben 22.000 Juden in Italien. Aber warum wird ihre Zahl dermassen überschätzt? Das hat einen psychologischen Grund. Wenn unter tausend schwarzen Bällen zwei weisse Bälle sind, sehen Sie schwarze und weisse Bälle, denn die Minderheit ist der Wahrnehmung stärker ausgesetzt und somit in einem grösseren Masse sichtbar als die Mehrheit.
DAVID: Hier sind natürlich Vorurteile am Werk.
Calimani: Vorurteile beeinflussen allerdings die Wahrnehmung, und sie scheinen kein Ende zu nehmen. Als zum Beispiel ein Präsident der Region Venetien einmal das jüdische Ghetto in Venedig besichtigte, bemerkte er: „Ihr habt ja gestern gewählt.“ Ich lachte und antwortete: „Nein, denn die Wahlen fanden in Israel statt, wir aber sind italienische Staatsbürger.“ Nach seiner Besichtigung gestand er, dass er an diesem Tag viel Neues gelernt habe. Vorurteile verbreiten sich ungehindert. Ein Bürgermeisterkandidat erklärte kürzlich im Zuge der Gemeindewahlen in italienischen Städten, „die Juden“ hätten „die Banken“ besessen. Wir sehen also, wie zäh sich Vorurteile heute noch halten, nicht zuletzt dank faschistischer Propaganda, die das Vorurteil verbreitete, alle Juden seien Bankiers gewesen.
DAVID: In diesen Tagen (Oktober 2021) herrscht in Rom grosse Entrüstung über den Überfall auf eine Gewerkschaftszentrale durch Anhänger der neofaschistischen Partei Forza Nuova im Rahmen einer Impfgegner-Kundgebung.
Calimani: COVID hat vielen Menschen den Kopf verdreht, abgesehen von den vielen Millionen Toten in aller Welt. Menschliche Beziehungen sind schwierig geworden. COVID fördert die Angst, und die Angst fördert tiefer liegende, existentielle Ängste. Parteien des rechten Spektrums instrumentalisieren diese Existenzängste der Menschen.
DAVID: In Österreich wurde die Situation durch COVID ebenfalls destabilisiert, es gibt auch hier Impfgegner und COVID-Leugner, Menschen werden ungeduldig, gehen auf die Strasse, zum Teil extrem radikal. Immer wieder empören Verfechter der No Vax-Bewegung in Italien mit antisemitischen Äusserungen.
Herr Calimani, dürfen wir nach Ihrer Meinung zur Lega fragen, von der vor einigen Wochen in den Medien berichtet wurde, ihr Kommunikations-Stratege Luca Morisi habe sich antisemitisch geäussert. Morisi ist ein langjähriger Freund Matteo Salvinis und hat Salvinis Karriere mit gehässigen, diffamierenden und scharf kritisierten Methoden befördert.
Calimani: Die Lega ist eine Partei des Egoismus. Kurzsichtige Parteien wie die heutige italienische Rechte sind nicht in der Lage, die Komplexität unserer modernen Welt wahrzunehmen und zu kultivieren. Die moderaten Parteien des Zentrums und der Linken versuchen dies, aber auch sie zeigen im Grunde keine besonders ausgeprägten Fähigkeiten. Die politische Welt Italiens ist gerade in keinem gesunden Zustand. Hoffen wir, dass sie Genesung findet, und dass es besser wird. Antisemitische Verunglimpfungen gibt es leider immer wieder. Hier ist es angezeigt, sich in die einzelnen Vorfälle nicht allzu sehr hineinzusteigern, aber dennoch immer mit grosser Kraft zu reagieren. Ich muss sagen, dass ich trotz der dreiundzwanzig Bücher, die ich fast alle über das Judentum geschrieben habe, in Italien nie einer Verunglimpfung ausgesetzt war.
DAVID: Weil Sie gerade über Ihre Bücher gesprochen haben: Sie haben vor Kurzem Ihr neues Buch „Come foglia al vento“ fertig geschrieben?
Calimani: Ja, hier geht es zum ersten Mal um die Geschichte meiner Eltern, meines Vaters und meiner Mutter, die während des Faschismus geboren wurden und jung waren, als 1938 die sogenannten Rassengesetze erlassen wurden, und die von 1943 bis 1945 versucht haben, ihr Leben zu retten. Sie heirateten am 16. September 1943, an jenem Tag, da sich der Präsident der jüdischen Gemeinde in Venedig, Giuseppe Jona, angesichts der bevorstehenden Gefahr das Leben nahm. Meine Eltern haben genau aus diesem Grund geheiratet, um gemeinsam flüchten zu können. Ihr erster Versuch, in die Schweiz zu gelangen, missglückte. Daraufhin versteckten sie sich in den Bergen des Veneto und überlebten dort bis zum 25. April 1945. Ich kam neun Monate nach dem 25. April 1945 zur Welt. Es ist die Geschichte zweier Menschen, die nicht verstanden, was damals passierte, denn anders als viele Intellektuelle, die über internationale Kontakte verfügten und ahnten, was vor sich ging, fühlten sich die Juden Roms zum Beispiel sicher. Wer sollte ihnen Leid zufügen, wo doch der Papst in derselben Stadt residierte? Dennoch wurden sie am 16. Oktober 1943 aus Rom deportiert. Ich zeige am Beispiel meiner Eltern dieses Unwissen junger Menschen. „Warum gehen wir nicht ins Sammellager, wo sie uns vielleicht nur ein bisschen arbeiten lassen – oder sollen wir doch flüchten?“ Das Buch ist ein Tribut, den ich meinen Eltern zolle, für ihre Fähigkeit zum Widerstand und ihres Überlebens. Es erzählt die Geschichte meiner Familie zum ersten Mal und hat mich mehr beansprucht hat als andere Bücher. Daher bin ich froh, dass ich es nun zu Ende gebracht habe. Es erscheint im Januar 2022 bei Mondadori.
DAVID: Was haben Sie als Nächstes vor, gibt es schon ein neues Projekt?
Calimani: Nun, ich wurde von Mondadori dazu überredet, ein sehr einfaches Buch zu schreiben, nämlich eine Geschichte des jüdischen Denkens im Laufe der Jahrhunderte. Über zwanzig Jahrhunderte soll es reichen, vom Anfang bis heute. Sehr einfach, denn ich habe eine Sammlung von etwa 20.000 Büchern über die Frage des jüdischen Denkens, der jüdischen Philosophie.
DAVID: Viel Erfolg bei diesem sehr schönen Projekt!
Calimani: Ich habe bereits ein dreibändiges Werk, mit über 2.000 Seiten, über die Geschichte der italienischen Juden geschrieben, also bin ich ein bisschen „geimpft“, und so hoffe ich das zu überleben.
DAVID: Ihre Frau, Anna-Vera Sullam Calimani, hat ebenfalls Bücher veröffentlicht.
Calimani: Meine Frau hat mehrere Bücher geschrieben. Sie arbeitete als Linguistin an der Universität. Ihr Buch Die Namen der Auslöschung (Ital.u.d. Originaltitel I nomi dello sterminio. Definizioni di una tragedia, Marietti 1820 Verlag, 2019) befasst sich mit der Bezeichnung Shoah. Ausserdem hat sie einen um das Pessach-Fest angesiedelten Roman verfasst. Kürzlich hat sie ihren ersten Krimi (Il sesto comandamento, Sem, 2021) veröffentlicht, ein zweiter ist schon vollendet.
DAVID: Was war im Laufe Ihrer beruflichen und schriftstellerischen Karriere Ihr wichtigstes Projekt, was lag Ihnen am meisten am Herzen?
Calimani: Das letzte Buch hatte für mich den grössten Reiz, aber ich habe auch einen Jüdischen Jesus geschrieben, ausserdem ein Buch über Paulus, über antijüdische Vorur-