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Jüdischer Friedhof in Ebenfurth

Anton Philapitsch ist Stadtarchivar in Ebenfurth, Niederösterreich.

Inhalt

Der Österreichische Rundfunk ORF berichtete im Juni 2020: „28 jüdische Grabsteine wurden in Ebenfurth im Schlossbereich gefunden“. Johannes Reiss vom Jüdischen Museum Eisenstadt und der Landesrabbiner Schlomo Hofmeister seien bereits eingebunden. Seit Jahren such(t)en wir den jüdischen Friedhof von Ebenfurth. Vergebens. Zwischen Schloss und Kirche sei er gelegen, im Garten der Wagnermeisterwitwe. Zwar kennen wir das Ghetto aus der Zeit der Grafen Unverzagt am Annaplatz, doch seit dem Abriss der Ebenfurther Synagoge sind wir noch immer auf Spurensuche zur jüdischen Gemeinde.1Gab es eine erste Siedlung ausserhalb der Stadtmauer? Wo lebte die Ebenfurther „Landjudenschaft“ nach den Vertreibungen und dem Sonderfall Wiener Neustadt (1496)?2,3 Und: Wo war ihr Friedhof? Gab es einen, ausser jenem in Wiener Neustadt?
Ab 1614 wurde wegen Geldmangels in der Staatskasse wieder eine Zuwanderung von Juden aus der Steiermark und Kärnten gestattet. Die Judensteuer mochte schon einiges für den verschuldeten Wiener Hof in die Staatskassen schwemmen. Auch die Ebenfurther Herrschaft Unverzagt (1581 – 1747) nutzte diese neue Rechtslage für ihre innovative Wirtschaftsstrategie an der ungarischen Grenze. Im neu entstandenen ungarischen Neufeld über der Leitha schuf 1651 auch Graf Nádasdy Platz für eine jüdische Gemeinde. Nádasdy bevorzugte bei der Ansiedlung dabei Juden, mehr als Bauern. Judenansiedlungen mit Abgaben und Sondersteuern waren ein Gewinn. Im Neufelder Judenstadl neben dem Kastell lebten Maroniten aus Holland.4 Sie mussten ein wirtschaftliches Gegengewicht zu den Handelsjuden in Ebenfurth schaffen. Für die Grundherrschaften bedeutete es auch, „Finanzplayer“ am kaiserlichen Hof zu werden. Unverzagt, Nádasdy und nicht zu vergessen die Ebenfurther Malteser Commende spielten dabei kräftig mit. Der Brückenzoll und der Handel mit Ungarn boomten. Langfristig waren aber die Ebenfurtherinnen und Ebenfurther jüdischen Glaubens die Verlierer. Diejenigen, die den vermeintlich „richtigen Glauben“ hatten, stiegen besser aus.

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Elieser Sohn Abraham Mose, 11.12.1622.

Um 1622 kamen die ersten jüdischen Familien aus den Nachbarländern nach Ebenfurth. Diese neue jüdische Gemeinde entwickelte sich mit ihren Steuerabgaben zu einer der wichtigsten im Land. Bereits 1668 zählte man etwa 24 Ebenfurther jüdische Familien, die Zahl stieg auf 45 Haushalte5 (geschätzt ein Viertel der Gesamtbevölkerung Ebenfurths). 1670/71 fand ein Pogrom statt, erneut Vertreibung und Enteignung. Kaiserin Margerita Theresa (Sie kennen sie, als süsses Mäderl von Velasquez gemalt, im Kunsthistorischen Museum?) bildete sich ein, dass ihr Thronfolgersohn durch die Schuld der Juden gestorben sei, Teile der Hofburg durch Judenschuld abgebrannt seien, auch wollte sich eine neue Schwangerschaft partout nicht einstellen. Sie forderte Vergeltung und Sühne. Also wurde auch die jüdische Gemeinde aus Ebenfurth vertrieben, ebenso aus Neufeld. Einige der jüdischen Flüchtlinge gründeten nach der Flucht die Glaubensgemeinde in Berlin, andere kehrten nach ihrer Enteignung durch den Staat nach Jahren wieder nach Ebenfurth zurück. Schon wieder fehlte dem Kaiser die Judensteuer für seine üppige Hofhaltung. Die Steuerlücke im Staatshaushalt musste durch zusätzliche Abgaben der Städte ersetzt werden, die dadurch vermehrt in Notlage gerieten. Die Ebenfurther Grundherrschaft wollte (konnte!) auf das wirtschaftliche Know-how „ihrer“ Juden, auf die Judensteuer und die beträchtlichen Gewinne nicht verzichten. Graf Unverzagt siedelte wieder Juden an. Sie waren geduldet, einige liessen sich taufen und machten Karriere als Stadtrichter.   

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Israel Isserl.
Mit den Grabsteinfund hat sich nun eine Wende in der Geschichte der Ebenfurther Juden ereignet. Sie treten aus der Anonymität heraus, wir kennen jetzt ihre Namen. Und zwar von jenen, die zwischen 1622 und 1669, vor dem Po- grom, irgendwo am „Hofgrabl“ auf ihrem Friedhof begraben wurden: 11 Männer und 10 Frauen, ihre Söhne und Töchter.6 Wie ein Puzzle fügen sich die Familien und Funktionen in der Gemeinde zusammen: Sie waren Händler, Vertreter der Landjuden, Rabbiner, Vertraute, Gelehrte und Intellektuelle. 28 Grabsteine sind nun Bestandteil der Ebenfurther Geschichte. Die Steine müssen in der Gemeinde bleiben und an jene Bürgerinnen und Bürger erinnern, die damals ihre Identität und Kultur lebten und immer wieder verfolgt und ermordet wurden.

Anton Philapitsch ist Stadtarchivar in Ebenfurth, Niederösterreich.
                     


Anmerkungen
1 A. Philapitsch in: DAVID Jg. 7, Heft 26, Sommer 1995.
2 Regesten zur Geschichte der Juden in Österreich im Mittelalter, Bd 3; Studienverlag 2015.
3 W. Sulzgruber: Die Jüdische Gemeinde Wiener Neustadt; Mandelbaum Wien 2005.
4 H. Prickler: Beiträge zur Geschichte Bgld. Judensiedlungen; Wissensch. Arbeiten aus dem Bgld; Heft 92, 1993.
5 B. Staudinger: Gantze Dörffer voll Juden, Juden in NÖ; Mandelbaum Wien 2005.
6 J. Reiss: Jüdische Grabsteine, Ebenfurth, Transcription; Jüdisches Museum Eisenstadt; 2020. https://www.ojm.at/blog/thema/ebenfurth/ https://www.ojm.at/blog/2020/06/19/08-tevet-383/


Alle Fotos: Mit freundlicher Genehmigung J. Reiss, Quelle: Jüdische Grabsteine, Ebenfurth, Transcription; Jüdisches Museum Eisenstadt; 2020. https://www.ojm.at/blog/thema/ebenfurth/ https://www.ojm.at/blog/2020/06/19/08-tevet-383/