Ausgabe

Hass ist wie ein Feuer

Monika Kaczek

Inhalt

zzeldin Abuelaish: Ich werde nicht hassen. Meine Töchter starben – meine Hoffnung lebt weiter.

Ins Deutsche übertragen von Ingrid Exo. München: Langen Müller 2022.

Taschenbuch, kartoniert, 272 Seiten, Euro 20,60.-

ISBN: 978-3784436524

 

In seiner Autobiografie erzählt Izzeldin Abuelaish, der 1955 im Jabalia-Flüchtlingscamp im Gazastreifen geboren wurde, vom schwierigen Alltag in Gaza, dem stundenlangem Warten an der Grenze, seinem Familienleben zwischen Hoffnung und Verzweiflung und von seiner Trauer, aber auch von Zuversicht. Nach dem Schulabschluss besuchte er zunächst die medizinische Fakultät in Kairo und erlangte sein Diplom in Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of London. Ab Juni 1997 war er als Facharzt am Soroka Medical Center in Be‘er Sheva tätig, wo er der erste palästinensische Mediziner in einem israelischen Krankenhaus wurde. Nachdem Izzeldin Abuelaishs Ehefrau Nadia im Herbst 2008 verstorben war, versuchte er für seine acht Kinder „sowohl Vater als auch Mutter zu sein.“ (S. 189). Am 16. Jänner 2009 kam es zu einem erneuten Schicksalsschlag – er musste miterleben, wie seine Töchter Bessan (21), Mayar (15) und Aya (13) sowie seine Nichte Noor (17) nach dem Einmarsch israelischer Truppen in Gaza durch Panzergranaten getötet wurden. 

„In seiner Verzweiflung greift der angesehene palästinensische Arzt zum Telefonhörer und ruft seinen Freund Shlomi Eldar an, den früheren Reporter in Gaza und leitenden Redakteur eines staatlichen Fernsehsenders in Israel. Als dieser in einer Livesendung abhebt, gehen die Worte von Abuelaish um die Welt. ‚Was haben wir getan ...?‘“1

Trotz der persönlichen Tragödien bleibt er zuversichtlich, dass die Gräben zwischen Israelis und PalästinenserInnen zugeschüttet werden können: 

„In meinem tiefsten Inneren ist mir klar, dass Gewalt zwecklos ist. Sie ist eine Verschwendung von Zeit, Leben und Ressourcen. (…) Wir müssen das Licht finden, das uns zu unserem Ziel führt. Ich spreche hier nicht vom Licht des religiösen Glaubens, sondern vom Licht als Symbol der Wahrheit. (…) Um das Licht der Wahrheit zu finden, muss man reden, zuhören und einander respektieren.“ (S. 232f.)

In einem Interview, das Maria Schaunitzer für die Kleine Zeitung am 25. Dezember 2022 führte, betont er sein Anliegen

„‘Hass ist wie ein Feuer, das alle verbrennt, die damit in Berührung kommen. Doch bevor man den Hass überwinden kann, muss man sich selbst dafür vergeben diese Gefühle zu haben. Erst dann kann man verzeihen‘, erzählt Abuelaish im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Er gab sich selbst ein Versprechen: Ich werde nicht hassen.“2

Heute lebt Izzeldin Abuelaish mit seiner Familie im kanadischen Toronto. Nach dem Tod seiner Töchter gründete er die Stiftung Daughters for Life, die Mädchen und Frauen aus dem Nahen Osten unabhängig vom ihrer Herkunft oder Religion bei der Finanzierung ihres Studiums unterstützt.3 Derzeit ist er als ausserordentlicher Professor an der Dalla Lana School of Public Health an der University of Toronto tätig, wo er Kurse im Bereich Public Health abhält.

„Abuelaishs Hoffnung scheint angesichts der rechtsreligiösen Regierung in Israel in weiter, weiter Ferne. Gerade deswegen ist die Erzählung seines Lebens wohl wichtiger denn je.“

 

 Anmerkungen

1 Maria Schaunitzer: Woran festhalten, wenn man alles verloren hat? „An der Hoffnung.“ In: Kleine Zeitung, 25.12. 2022 ;  https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/6230696/Vater-verliert-3-Toechter_Woran-festhalten-wenn-man-alles (02.05.2023)

2 ebd.

3 https://daughtersforlife.com/ (02.05.2023)

4 Caroline Ferstl: „Ich werde nicht hassen“: Ein Leben als Zerreissprobe. In: Kurier, 05.02.2023; https://kurier.at/kultur/ein-leben-als-zerreissprobe/402314525 (02.05.2023)

 

Zum Autor

Izzeldin Abuelaish ist ein palästinensisch-kanadischer Arzt und international bekannter Friedensaktivist, der bereits fünf Mal für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. Dem Andenken an seine drei verstorbenen Töchter widmet er seine Autobiografie I Shall Not Hate (2011) und die Stiftung Daughters for Life. 2010 emigrierte Izzeldin Abuelaish mit seiner Familie nach Toronto.

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