Ausgabe

Mein Weg als Deutscher und Jude Jakob Wassermann  

Stephan Templ

Jakob Wassermann (Fürth 1873–1934 Altaussee) war ein äusserst erfolgreicher Schriftsteller, ja man könnte sagen, er war der Romancier des Willhelminischen Deutschlands. Seine 1921 erschienenen Memoiren Mein Weg als Deutscher und Jude hat jedoch alle Illusionen einer deutsch-jüdischen Symbiose genommen: „Bei der Erkenntnis der Aussichtslosigkeit der Bemühung wird die Bitterkeit in der Brust zum tödlichen Kampf. Es ist vergeblich, das Volk der Dichter und Denker im Namen seiner Dichter und Denker zu beschwören. Jedes Vorurteil, das man abgetan glaubt, bringt, wie Aas die Würmer, tausend neue zutage. Es ist vergeblich, das Gift zu entgiften. Sie brauen frisches. Es ist vergeblich, für sie zu leben und für sie zu sterben. Sie sagen: Er ist Jude.“

Inhalt

Jakob Wassermann war kein orthodoxer Jude, der durch sein Äusseres aufgefallen wäre, er war kein Zionist oder jüdisch national eingestellt, er war ein prominenter assimilierter Jude, Bestsellerautor, neben Thomas Mann und Hermann Hesse der erfolgreichste Schriftsteller des S. Fischer Verlages. Wassermann lebte seit der Jahrhundertwende in Wien und es ist wohl anzunehmen, dass er hier mehr als ein Jahrzehnt vor der Machtergreifung Hitlers die österreichischen Verhältnisse, die österreichische Situation der Juden schilderte. Hugo Bettauers Buch Stadt ohne Juden folgte ein paar Jahre danach, 1925. Nach seiner Scheidung verliess Jakob Wassermann Wien und sein wunderbares – heute durch einen angefügten Neubau entstelltes – Haus im Kaasgraben (Paul Ehrlich-Gasse 4). Oskar Strnad, Oskar Wlach und Josef Frank hatten es entworfen, Viktor Schwadron hatte es errichtet. 

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Jakob Wassermann, 1929. Foto: N.N., in: Djabeł w płomieniach,

Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jakób_Wasserman_(a_photo_from_1929_book).png?uselang=de

 

Jacob Wassermann zieht 1919 permanent nach Altaussee, wo er auch eben das Buch Mein Weg als Deutscher und Jude verfasst. 1922 erwirbt er das ehemalige Haus des Dichters und Diplomaten Leopold von Andrian, eines Enkels des Komponisten Giacomo Meyerbeer. Wassermann lässt den Bau als Landsitz umbauen, diesmal durch den Architekten Paul Schultze-Naumburg, der als Referenz die Villa Fichteneck von Franz und Maria Mendelssohn in Rindbach am Traunsee nennen konnte. Schultze-Naumburg war im Gegensatz zu Strnad, Wlach und Frank ein Gegner der Moderne und sollte ab  Mitte der 1920er Jahre wesentlich am Kampf gegen den „Kulturbolschewismus“ beteiligt  sein, sein Buch Kunst und Rasse (1928) zitierten die Nazis als Grundlage für ihre Definition der Entarteten Kunst. 1932 zog er für die NSDAP in den Reichstag ein (bis 1945), 1944 fand er sich auf der „Gottbegnadeten-Liste“ des Reichspropagandaministers. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso der Verfasser des Buches Mein Weg als Deutscher und Jude Schultze-Naumburg engagierte.

Kennengelernt hat Wassermann das Salzkammergut durch den jungen Hugo von Hofmannsthal. In den Sommermonaten verwandelte sich Altaussee in eine Schriftstellerkolonie; Hermann Broch, Theodor Herzl, Raoul Auernheimer, Robert Neumann, Gina Kaus, Richard Beer-Hofmann, Herzmanovsky-Orlando und Arthur Schnitzler inspirierte der von grimmigen Bergen umschlossene See. Friedrich Torberg verschlägt es sogar nach seiner Remigration als amerikanischer Staatsbürger noch hierher.

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Villa Wassermann Altaussee. Foto: Bernhard Holub. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Villa_Wassermann_Altaussee_1802-5.jpg

Nachlese

Mein Weg als Deutscher und Jude. Autobiographie, 1921. 

Berlin Europäischer Literaturverlag Neuauflage 2014.

Taschenbuch, 108 Seiten, Euro 17,90.- ISBN 978-3-86267-927-0

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Josef Benedikt Engl, Das neue Licht, 1896, Illustration einer satirischen Kurzgeschichte von Jakob Wassermann für den Simplicissimus, Band 1, Heft 2, S. 4. Quelle: http://www.bassenge.com, Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei,https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Engl_Das_neue_Licht.jpg