Ausgabe

Dialog und Konflikt

Inhalt

 

Ursula Frost, Johannes Wassmert und Hans-Joachim Werner (Hrsg.): Das dialogische Prinzip in Philosophie, Religion und Gesellschaft. Martin Buber-Studien, Band 3, Frankfurt am Main: Verlag Edition AV 2018
386 Seiten, kartoniert, Paperback, 20,50 Euro
ISBN 978-3-86841-205-5

Anlässlich des 50. Todestages von Martin Buber  wurde in Heppenheim, wo Buber längere Zeit wohnte, eine Tagung zu seinen Ehren abgehalten. Im vorliegenden Buch sind die Beiträge dieser Tagung festgehalten. 
In Wien 1878 geboren, wuchs Buber bei seinem Grossvater in Lemberg auf, wo er mit dem Chassidismus in Berührung kam. Weitere Stationen in seinem Leben: Studium in Wien, Berlin, Heppenheim. 1938 ist er nach Jerusalem gegangen, wo er 1965 gestorben ist. Er stand dem Chassidismus nahe, aber auch nicht desto weniger dem Zionismus , um nur zwei seiner vielen Interessensgebiete zu nennen. Vielfältig war auch seine literarisch-wissenschaftliche Arbeit. Die Tagung, und somit auch das vorliegende Buch, sind dem Thema „Dia-log und Konflikt“ gewidmet.
Das dialogische Prinzip wird in den Beiträgen dieses Buches von mehreren Seiten betrachtet. Die ersten Beiträge sind dem Thema „Philosophische Positionierungen und Rezeptionswege“ gewidmet. Positionierung heisst den Standpunkt wählen, den richtigen Standpunkt – die Wahrheit. Und diese liegt bekanntlich, zwar oft zwischen zwei Extremen, aber nie in der Mitte. Der Dynamik der Wahrheit laut Buber ist einer der Beiträge dieses Themas, welcher von Asher Levy verfasst worden ist, gewidmet. Ein weiterer Beitrag zu diesem Thema stammt von  Alan Flashman und lautet „Buber´s I and Thou in Contemporary Israel.“ Flashman berichtet über die praktische Anwendung des „Ich und Du“ Prinzips bei seinen Studenten, wie er, im Sinne Bubers, den Dialog zum „Sehen des anderen“ führt.
Das zweite Thema ist „Das dialogische Prinzip zwischen Philosophie und Dichtung“. Diesem Thema sind zwei Artikel gewidmet. Der eine beschreibt den Weg Bubers vom Dichter zum Religionsphilosophen (Bernd Witte), der andere (Johannes Wassmer) folgt poetischen Formen in „Ich und Du“. 
Drei Beiträge erläutern das Thema „Das interreligiöse Gespräch“. Alle Beiträge beschäftigen sich mit dem interreligiösen Gespräch zwischen Christen- und Judentum, dem Eigencharakter der Religionen einerseits und jenem Bereich, der Gemeinsamkeiten aufweist, andererseits. Auffallend ist, und Ephraim Meir macht darauf aufmerksam, dass Buber sich auf diesem Gebiet nur mit dem Christentum beschäftigt, nicht mit dem Islam. Der Dialog  mit den Arabern hat Buber sehr wohl beschäftigt, aber eine Auseinandersetzung mit deren Religion, mit dem Islam, so wie er es mit dem Christentum getan hat, fehlt. Erst im nächsten Themenkreis, der dem dialogischen Prinzip in der Gesellschaft gewidmet ist, finden wir das Thema Juden und Araber und deren Verhältnhis zueinander,  allerdings nur die Gesellschaft, nicht die Religion betreffend.
Das Verhältnis, d.h. die Notwendigkeit eines Dialoges zwischen Juden und Arabern beschäftigte Buber schon seit 1916/1917. Über seine Ansichten, das Anschliessen an Juda Magnesens Ansichten sowie über die Erkenntnis, angesichts des Krieges, dass der Dialog mit den Arabern ein  „Dialog von Tauben“ ist, darüber referiert  Hans Joachim Werner ausführlich. Es wäre nicht Buber, wenn er die Aussicht auf den Dialog aufgegeben hätte: „Noch sind die Ohren taub“, aber die Zahl der Hörenden wächst ständig (S. 299).
Das Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen, die hier unter geschichtlichen Positionierungen geführt werden, sind natürlich ein heikles Kapitel. Buber hat sich schon bald nach dem Krieg mit „Schuld und Versöhnung“ beschäftigt. Unter diesem Titel setzt sich Siegbert Wolf mit diesem Problem auseinander. Zur Grundeinstellung Bubers diesbezüglich zitiert Wolf aus Briefen Bubers wie z.B.: „Er war vehement gegen „ein Zusammenwerfen des deutschen Volkes mit dem Mordgesindel der Gaskammer-Organisation“, und „ich werde stets dagegen kämpfen, dass man ein Volk mit seinem Abschaum identifiziert“ (S. 323f). Im Grunde hat Buber recht, aber ohne innere Bereitschaft ist ein Dialog höchstens ein Zwiegespräch von Tauben. Immerhin, behauptet Wolf, war das frühe Eintreten Bubers  für den Dialog mit den Deutschen dem Abschliessen des Reparationsabkommens dienlich.
Wolf beschliesst seinen Beitrag mit der Ansicht, dass trotz aller Schwierigkeiten und politischer Wirren die Verständigung, der Dialog, nach Bubers Ansicht der Weg zur Versöhnung und Frieden ist. Man müsste hinzufügen: wenn man den richtigen Moment dazu wählt.

Tirza Lemberger