Ausgabe

Die Synagoge Graz Eine Jahrhunderte alte Geschichte der Juden in der Steiermark

Viola Heilman

Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Steiermark ist eng mit dem Bau der beiden Synagogen in Graz verbunden. Erste Aufzeichnungen darüber gab es bereits im 12. Jahrhundert, sie werden bis heute weitergeführt.

Inhalt

Seit 1147 gibt es Aufzeichnungen über jüdisches Leben in der heutigen Steiermark. Juden spielten damals vor allem als Händler eine wichtige Rolle, die das Wachstum und auch die kulturelle Entwicklung steirischer Städte wesentlich mitgestalteten. Neben der jüdischen Gemeinde in Graz gab es noch Gemeinden in Judenburg, Bruck an der Mur, Fürstenfeld, Hartberg und einigen anderen Kleinstädten. 

Die Grazer Gemeinde wuchs zunehmend, und so entstand nach dem Jahr 1160 südlich des heutigen Grazer Hauptplatzes ein jüdisches Wohnviertel mit einer Synagoge, die bis zum 15. Jahrhundert erhalten blieb. Heute steht auf dem ehemaligen Synagogengrundstück die Stadtpfarrkirche Graz. Nur mehr ein altes Steingewölbe in einer Weinhandlung in der Herrengasse erinnert heute noch an den Eingang zum jüdischen Viertel. Ausserhalb der damaligen Stadtmauern lag der jüdische Friedhof, dessen genauer Standort heute nicht sicher ist. Wahrscheinlich befand er sich im Gebiet des Jakominiplatzes oder des Joanneumrings. 
Seit dem 14. Jahrhundert lag auch das Geldgeschäft neben dem Handel in jüdischer Hand, und damit begannen auch die Anfeindungen gegen Juden. Adelige mussten Geld borgen, und es kam zu Pfändungen bei Zahlungsschwierigkeiten. Es wird zum Beispiel von einer Verpfändung der Villacher Maut für 1.040 Mark Silber zwischen dem Bischof von Bamberg Wulfing von Stubenberg und Grazer sowie Judenburger Juden berichtet. Verschwörungstheorien und üble Gerüchte verdichteten sich gegen die jüdische Bevölkerung, und so kam es im Jahre 1312 zu Verfolgungen in Graz und Kärnten. 1397 gab es durch die treibende Kraft der Landstände Pogrome und Brandlegungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen in Graz und den umliegenden Kleinstädten. Fast hundert Jahre später, 1495, beschloss der steirische Landtag in Graz schliesslich die Austreibung der Juden aus der Steiermark. Als Termin wurde der 6. Jänner 1496 festgelegt. Spätestens 1497 gab es keine jüdische Gemeinde mehr in Graz. Dies bedeutete das Ende blühenden jüdischen Lebens in steirischen Städten und auch das Ende des mittelalterlichen Judentums in der Steiermark. 

Das Verbot für Juden, sich nach der Vertreibung in der Steiermark anzusiedeln, dauerte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts an. Selbst die Toleranzpatente Josephs II. stiessen auf Ablehnung durch die steirischen Landstände. Erst nach der Revolution des Jahres 1848 wurden die Bestimmungen gegen die Ansiedlung von Juden langsam gelockert, die Ausübung der bürgerlichen Rechte wurde erleichtert. Trotz des Grundbesitz-Verbotes siedelten sich einige Juden aus dem heutigen Burgenland in Graz an. Nach und nach bekamen jüdische Bürger mehr Rechte und auch die Genehmigung, G’ttesdienste in Graz abzuhalten. Um das Jahr 1865 erhielten etwa dreissig jüdische Familien ein dauerhaftes Wohnrecht. 1869 wurde dann die erste Israelitische Kultusgemeinde Graz gegründet. 

Die alte Synagoge in Graz
Im Jahr 1870 wurde das Grundstück Grieskai 58 (auf dem sich auch heute noch der Sitz der jüdischen Gemeinde befindet) zur Errichtung einer Synagoge gekauft. Vorbild des Architekten Maximilian Katscher (1858-1917) bei der Planung dieser „alten“ Grazer Synagoge war die von Gottfried Semper errichtete Synagoge in Dresden. Das Zentrum der 1892 fertig gestellten Synagoge in Graz bildete, wie auch in Dresden, ein dreissig Meter hoher, überkuppelter Zentralbau. Angeschlossen an das Gebäude war ein Amtshaus mit Schule. Die Einweihung der Synagoge erfolgte zu Jom Kippur, am 14. September 1892. Samuel Mühsam (1827-1907) hielt als erster Rabbiner den G‘ttesdienst und die Festrede. Vor allem die freie Lage am Ufer der Mur gab dem Bau einen imposanten Anblick. Maximilian Katscher entwarf unter anderem auch das Kaufhaus Herzmansky in Wien und das Kurhaus in Baden. Bereits ab dem Ende des Ersten Weltkrieges begannen antisemitische Übergriffe, und das prosperierende Leben der Menschen der Grazer jüdischen Gemeinde wurde immer schwieriger. 417 Juden konnten vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nach Palästina auswandern. Während der Novemberpogrome am 9. und 10. November 1938 veranlasste die S.A., die Synagoge in Brand zu setzen und sie danach völlig zu zerstören, um die Erinnerung an jüdisches Leben auszulöschen. Die damals 2.500 Mitglieder der Gemeinde wurden nach Wien und danach Dachau deportiert. Graz wurde zur ersten „judenfreien“ Grossstadt der Ostmark erklärt. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich wieder rund 150 Juden in Graz an. 1952 wurde die Israelitische Kultusgemeinde Graz von zumeist ehemaligen Mitgliedern wieder begründet. 

Die neue Synagoge in Graz
Anfänglich gab es auf dem Grundstück der zerstörten Synagoge, welches eine leere Rasenfläche war, einen provisorischen Betraum, dem 1969 ein Thoraschrein hinzugefügt wurde. Im Oktober 1998 stimmte das Grazer Stadtparlament für den Neubau einer Synagoge, der vor allem durch den Einsatz des damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Graz, Kurt David Brühl, ermöglicht wurde. Der Neubau wurde durch die Stadtgemeinde, das Land Steiermark und den Österreichischen Nationalfonds finanziert. Nach kurzer Bauzeit wurde die neue Synagoge Graz am 9. November 2000, genau 62 Jahre nach der Zerstörung der ursprünglichen Synagoge, in Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil und aus Graz vertriebener Juden eingeweiht.

Architekten des Synagogen-Neubaus waren Dipl.-Ing. Jörg und Ingrid Mayr. Ihre Planung sah vor, die alten Grundmauern sowie noch erhaltene Ziegel der zerstörten Synagoge in die Aussenmauern einzubauen. Ein 1988 durch die Stadt Graz errichteter Gedenkstein in Form eines schwarzen Obelisken wurde unterhalb der gläsernen Bimah platziert. Die tragende Konstruktion der verglasten Kuppel besteht aus zwölf Stahlsäulen, die die zwölf biblischen Stämme repräsentieren. Sie sind paarweise durch Bögen verbunden und formen in der Kuppel einen Davidstern. Die Kuppel selbst besteht aus einer fünfteiligen Glaskonstruktion und symbolisiert die fünf Bücher der Thora. In jedem der fünf Kuppelsegmente finden sich in hebräischer Schrift die jeweiligen Anfangs- bzw. Abschlussverse der einzelnen Wochenabschnitte. In der Mitte des Innenraumes befindet sich ein gläsernes Almemor (oder Bimah), der Platz, an dem aus der Thora gelesen wird. Direkt dahinter befindet sich der Thoraschrein. Die Bankreihen der Männerabteilung im Erdgeschoss, mit Plätzen für einhundert Personen, sind an drei Seiten um die Bimah angeordnet. Eine Empore mit 45 Sitzplätzen umgibt den Hauptraum und bildet die Damenabteilung. An Materialien für die neue Synagoge wurden vor allem Ziegel, Stahlbeton und Glas verwendet. Die geometrischen Grundkörper Würfel und Kugel beschreiben den Zentral- bzw. Sakralraum der Synagoge und bestimmen auch das äussere Erscheinungsbild. 

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Die neue Synagoge in Graz. Foto: Edgar Kolbach, mit freundlicher Genehmigung.
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Die alte Synagoge in Graz – Blick vom Augarten. Bildrechte: Jüdische Gemeinde Graz, mit freundlicher Genehmigung.

 

Die neue Synagoge folgt dem Grundriss der alten, ist aber kleiner, da die jüdische Gemeinde in Graz nur mehr knapp einhundert Mitglieder zählt. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich ein multimedial ausgestatteter Ausstellungsraum, der seit 2017 die von Präsident Elie Rosen konzipierte Dauerausstellung „Judentum in Graz / Erbe – Gegenwart – und Zukunft“ zeigt. In dieser Ausstellung ist auch der älteste jüdische Grabstein der Stadt Graz, der Grabstein der Zipporah aus 1304, zu sehen. Darüber hinaus befindet sich hier das Gemeindezentrum, in dem die Kiddushim, Fest- und Feierlichkeiten, sowie Veranstaltungen der jüdischen Gemeinde Graz stattfinden. Es gibt auch eine koschere Gemeindeküche für die kulinarische Versorgung bei Veranstaltungen. Das Synagogen-Gebäude am David Herzog Platz 1 steht heute unter Denkmalschutz.

Zur Autorin: in Wien geboren, Universitätsabschluss in Publizistik und Politikwissenschaft (Universität Wien). Seit 1982 journalistische Mitarbeit bei Kurier, Standard, ORF und anderen Verlagsmedien. 1995 bis 2020 in Israel und Frankreich, lebt sie seit 2021 in Graz.