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Technik, Online- und neue Medien im ORF zu jüdischen Themen Interview mit Thomas Prantner

Ilan Beresin

Thomas Prantner ist Leiter der ORF Hauptabteilung Online und Neue Medien sowie stellvertretender Direktor für Technik, Online und neue Medien

Inhalt

DAVID: Wenn man auf der Website des ORF zu den Themen Religion und Kultur „surft“, stösst man auf eine Vielfalt von Sendungen, Sendereihen und Formaten (Religion Aktuell, Menschen & Mächte, Orientierung, Religion & Ethik, u.v.m.), sowohl im Rundfunk als auch im Fernsehen, nunmehr auch im online-Bereich. Wie informiert man sich am besten über bestimmte Themen, speziell zum Judentum und zum interreligiösen Dialog?
Prantner: Religion und Ethik sind wesentliche Themen für alle Medien des ORF und Teil unseres öffentlich-rechtlichen Kernauftrages. Der ORF bildet diese Inhalte daher auch im Web sehr umfassend und facettenreich in Text, Bild, Audio und Video ab: Zunächst stehen alle Sendungen aus Fernsehen und Radio auch online auf der ORF-TVthek und ORF-Radiothek live und für sieben Tage on Demand zum Abruf bereit. Ein wichtiges Service stellen dabei auch die TV-Übertragungen von G‘ttesdiensten und religiösen Feiern dar, besonders in COVID-19- und Lockdown-Zeiten waren diese von grosser Bedeutung. Ausserdem bietet der ORF den Channel religion.ORF.at mit News, Programminfos, einem „Lexikon der Religionen“. Auch ORF-Eigenproduktionen der von Barbara Krenn geführten und multimedial organisierten Hauptabteilung „Religion und Ethik“ stehen hier langfristig zum Nachsehen oder Nachhören zur Verfügung. 836.000 Seitenaufrufe pro Monat im Jahr 2020 – eine Steigerung um 25% im Vergleich zum Jahr zuvor – zeigen, wie sehr dieser Channel vom Publikum geschätzt wird. Wir wollen Religionsthemen aber auch in anderen ORF-Onlineangeboten Platz geben – so hat z.B. extra.ORF.at ein spannend aufbereitetes Oster- und ein Pfingst-Religionsquiz präsentiert, die beide sehr gut angekommen sind.  

DAVID: In diesem Zusammenhang eine Frage zur inneren Organisation des ORF. Welche Abteilungen produzieren die Vielfalt an Onlineangeboten des ORF insgesamt, die reicht ja von News über Religion bis zu Konsumenteninfos. Wie gestaltet sich hierbei Zusammenarbeit innerhalb des ORF, wie funktioniert das Zusammenwirken mit den Landesstudios?
Prantner: Das ORF.at-Netzwerk bietet als grösste österreichische Online-Medienplattform eine umfassende Überblicksberichterstattung über alle gesellschaftlich relevanten Bereiche und Themen im Rahmen von zahlreichen Channels bzw. Websites. Die Channels News, also die blaue Startseite von ORF.at, die Übersichtseite oesterreich.ORF.at mit Regional-News und der Sport-Kanal werden von einer zentralen Online-Redaktion gestaltet. Für die ORF-TVthek gibt es ebenfalls eine eigene Redaktion. Thematisch fokussierte Angebote wie religion.ORF.at, das Volksgruppen-Portal oder help.ORF.at mit Konsumenteninfos werden von Redakteurinnen und Redakteuren der jeweiligen Fachabteilungen betreut. Das gilt auch für die Bundesländer-Kanäle, die direkt in den ORF-Landesstudios produziert werden. Diese Organisationsform ermöglicht nicht nur die bestmögliche Ausnutzung von Synergien zwischen Radio, Fernsehen und Online, sondern gewährleistet auch, dass alle Angebote von hochqualifizierten Fachexperten der jeweiligen Bereiche gestaltet werden.   

DAVID: Sie sind seit 2007 Onlinechef des ORF. Wann und wie ist die ORF-TVThek entstanden? Wie schaut Ihre Bilanz zur ORF-TVthek aus, sind weitere Projekte geplant?
Prantner: Die ORF-TVthek wurde 2009 gegründet, und sie ist seit Beginn eine Erfolgsstory. Inzwischen stellt sie mehr als 220 Sendungen als Livestream bzw. Video-on-Demand, ein umfangreiches Service mit Livestreams von Pressekonferenzen und 38 Videoarchive zu den unterschiedlichsten Themen bereit. Mit mehr als 1,5 Mio. UserInnen monatlich (ÖWA Plus/4. Q 2019)  und 15,2 Mio. Visits (zusammenhängende Besuche) pro Monat (interne Statistik, 1. Q 2021) ist die ORF-TVthek die grösste Videoplattform Österreichs und eine wichtige  Ergänzung zum linearen TV. Sie ermöglicht es, ORF-Contents auch zeit- und ortsunabhängig und auf den unterschiedlichsten Devices zu nutzen, was in Zeiten der immer mobiler und digitaler werdenden Welt ein Must für ein modernes Medienunternehmen ist. Zu den wichtigsten Projekten zählen 2021 die Streams von den Sport-Grossevents Olympische Spiele und Fussball EM – die ORF-TVthek wird die Spiele der EURO 2020 dabei auch in gestochen scharfer UHD-Qualität zeigen. Der weitere Ausbau der Videoarchive steht ebenfalls im Fokus, zuletzt kamen Archive über die gelebte Inklusion in der Gesellschaft sowie ein Best of ORF-Dialogforum hinzu. Im Streaming-Bereich gehen wir 2021 an die Umsetzung des Projekts ORF-Timeshift 24/4 – also die Bereitstellung von 24-Stunden-Livestreams aller vier ORF-TV-Programme inklusive einer Timeshift-Funktion.
   
DAVID: In Kooperation mit dem Jüdischen Museum Wien bietet die ORF-TVthek auch online Sendungen und Kurzbeiträge aus ORF-Magazinen an, die sich mit den unterschiedlichsten Facetten des Judentums beschäftigen. Wie beurteilen sie die Resonanz auf dieses Projekt?
Prantner: Gemeint ist hier das Medienarchiv Judentum, das Teil des Videoarchiv-Angebots im Bereich „History“ der ORF-TVthek ist. Wir haben dieses Videoarchiv bereits 2011 in Kooperation mit dem Jüdischen Museum Wien als eines der ersten auf unserer Videoplattform gelauncht, und bauen es seitdem immer wieder gemeinsam aus. Das Medienarchiv umfasst inzwischen mehr als 100 Videos, die Einblicke in die Geschichte, Religion, Tradition des Judentums geben, aber auch bedeutende Persönlichkeiten von Simon Wiesen- thal bis Teddy Kollek porträtieren. Einen besonderen Dank möchte ich hier an die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Dr. Danielle Spera, für die hervorragende Zusammenarbeit richten. Die Resonanz ist durchwegs positiv, das sieht man nicht nur an direkten Publikumsreaktionen, sondern auch an den starken Video-Abrufen. Neben dem Medienarchiv Judentum stellt die ORF-TVthek auch eines über das Christentum bereit, Videoarchive zu den weiteren Weltreligionen sind in Planung. 

 

DAVID: Auch die Aktion ORF-TVthek goes school ist Teil des Angebots der ORF-TVthek. Hier werden hochwertige ORF-Produktionen zu den Bereichen Zeit- und Kulturgeschichte und natürlich auch zum Judentum online angeboten. Welche Reaktionen bekommen Sie hier von Pädagoginnen und Pädagogen?
Prantner: Unser Angebot an SchülerInnen und LehrerInnen, im Rahmen der Aktion ORF-TVthek goes school wertvolle ORF-TV-Contents auf der ORF-TVthek bereitzustellen, wird sehr gut aufgenommen. Denn die Videoarchive werden speziell auch in einer für die Nutzung im Unterricht geeigneten Form aufbereitet, und können ihn bereichern, indem sie Wissensvermittlung mit modernen und von der Jugend besonders geschätzten Video-Formaten unterstützen. Die Archive sind langfristig und frei zugänglich, bieten einen multimedialen Einblick in Zeit- und Kulturgeschichte und stellen auch einen zeitgemässen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags dar. Die breitgefächerte Themenpalette reicht dabei von Zeitgeschichte, Politik und Kultur bis zu den österreichischen Bundesländern und Highlights aus der TV-Geschichte.

DAVID: Seit Ende 2019 gibt es ja – quasi als Pendant zur ORF-TVthek – auch die ORF-Radiothek. Was bietet dieses Online-Service? 
Prantner: Die ORF-Radiothek ist die zentrale Online-Plattform der gesamten ORF-Radioflotte, auf der alle ORF-Radios live und sieben Tage rückwirkend on Demand abrufbar sind, unter anderem auch alle Religionssendungen. Es ist möglich, nicht nur nach Sendern, Sendungen oder Stichworten suchen, oder sich Playlists zusammenstellen, sondern auch aus kuratierten Highlights auszuwählen. Dazu kommen alle Podcasts des ORF, redaktionell zusammengestellte Themenschwerpunkte und Audioarchive. 

DAVID: Wie kam es zum Aufbau des Lexikons der Religionen (https://religion.orf.at/lexikon/)?
Prantner: Das Lexikon der Religionen ist im Laufe der Zeit zu einem umfangreichen Online-Nachschlagwerk angewachsen. Es wurde und wird immer weiter ausgebaut, um aktuelle Einträge, oder zum Beispiel auch um Informationen zu religiösen Gemeinschaften in aller Welt, über die in Österreich nur wenig bekannt ist. Ganz besonders freut es uns, dass es auch häufig als Nachschlagewerk im Religions- und Ethikunterricht genutzt wird.

DAVID: Können Sie den Trend erkennen, dass Fernseh- und Online-Angebote zunehmend ineinander übergehen, immer mehr miteinander „verschmelzen“?
Prantner: Die Konvergenz der Medien entwickelt sich rasant – besonders für die Jugend ist es inzwischen selbstverständlich, TV-Contents nicht nur linear am Flatscreen zu Hause, sondern auf allen Endgeräten vom Smartphone bis zum Tablet, und auch von überall aus zu konsumieren. Die Zahlen zeigen, dass Streaming-Angebote das lineare Fernsehen nicht ersetzen, sondern wie im Fall der ORF-TVthek, ideal ergänzen. Für ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen wie den ORF ist es daher selbstverständlich, seine Contents neben den klassischen Verbreitungswegen auch auf neuen medialen Plattformen für sein Publikum zugänglich zu machen. Deshalb ist die ORF-TVthek online verfügbar, aber auch für alle gängigen mobilen Devices via App nutzbar, und wird im Rahmen von Kooperationen mit Plattformen, Netzbetreibern und Geräteherstellern auch für das TV-Grossformat beziehungsweise Smart-TV-Sender in Österreich bereitgestellt.

DAVID: Ihre Website religion.orf.at berichtet regelmässig über jüdisches Leben in Österreich. Werden Sie diesbezüglich auch mit antisemitischen Reaktionen konfrontiert?
Prantner: Ja, es gibt bedauerlicherweise immer wieder solche inakzeptablen Reaktionen und Kommentare. Mit unseren Online-Angeboten hoffen wir jedoch, dazu beizutragen zu können, dem Antisemitismus klar und entschlossen entgegenzuwirken. Information, Geschichtsbewusstsein und Erinnerung, speziell in der Kommunikation mit den jungen Menschen, sind dabei von grosser Bedeutung. Ich verweise hier auf das so wichtige ORF-TVthek-Videoarchiv Österreichs Zeitzeugen, das der ORF gemeinsam mit dem Mauthausen Komitee Österreich gestaltet hat. Darüber hinaus wollen wir jüdische Religion und Tradition auf vielfältige Weise vorstellen, erklären und multimedial erlebbar machen. 

Zur Person: Thomas Prantner, geboren am 9. September 1964 in Wien, maturierte am Humanistischen Gymnasium im Kollegium Kalksburg Wien. 1984 war Prantner Volontär des ORF in der TV-Auslandsredaktion des Aktuellen Dienstes und 1985 redaktioneller Mitarbeiter der Sendung „Auslandsreport“. Prantner war auch für die Zeitschriften WIENER und Basta tätig, bevor er 1988 bei der Öffentlichkeitsarbeit des ORF begann und 1994 als persönlicher Referent und Büroleiter von Generalintendant Gerhard Zeiler arbeitete. Von 1995 bis 2002 war Thomas Prantner Pressesprecher des ORF und Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Am 1. Mai 2002 wurde er zum ORF-Marketingchef und Leiter der Hauptabteilung Zentrales Marketing bestellt. Von 1. Jänner 2007 bis 31.Dezember 2011 war er Direktor für Online und Neue Medien des ORF und gründete 2009 die ORF-TVthek. Seit April 2012 Leiter der Hauptabteilung Online und Neue Medien sowie stellvertretender Direktor für Technik, Online und neue Medien. 

Information:
https://www.orf.at/
https://religion.orf.at/
https://religion.orf.at/lexikon/
https://religion.orf.at/v3/radio/stories/3003123/
https://tvthek.orf.at/ 
https://www.leadersnet.at/news/43964,so-kann-die-erfuellung-des-bildungsauftrags-im-21-jahrhundert.html
https://www.derstandard.at/story/1297820504958/orf-mit-medienarchiv-zum-judentum 

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Abbildungen:

ORF-TVthek/Medienarchiv Judentum.


religion.ORF.at 

Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: ORF.