Monika Czernin: Der Kaiser reist Inkognito
Joseph II. und das Europa der Aufklärung
Pinguin Random House Verlagsgruppe, 2021
384 Seiten, gebunden, 22,70 Euro
ISBN: 978-3-328-60057-2
Joseph II. (1741-1790) war am Hof seiner Mutter Maria Theresia als störrisches Kind aufgefallen, das nur ungern dem Hofzeremoniell folgte. Diese Unruhe liess ihn dann als Kaiser den Reformbedarf des riesigen Habsburger-Reiches und die dringende Notwendigkeit erkennen, ein neues Verständnis von Herrschaft zu entwickeln.
Monika Czernin nimmt den Leser in ihrem neuesten Buch „Der Kaiser reist inkognito“ mit unterhaltsamen Situations-Beschreibungen und leichtläufiger Sprache auf die Reisen von Joseph II. durch ganz Europa bis Russland mit. Am Ende seiner Regentschaft hat Joseph II. ein Viertel seiner Regierungszeit auf Reisen verbracht.
„Er wollte die Verhältnisse studieren“ erklärt die Autorin Monika Czernin „und wenn er als Kaiser gereist wäre, dann hätte er 300 Kutschen mitnehmen müssen und alle hätten gewusst, der Kaiser kommt.“ Ohne Pomp und grosses Gefolge bereist er als Graf von Falkenstein sein riesiges Reich. Er wollte sehen, wie die Menschen hungern und wie sie unter Frondiensten leiden. „Das sind Bilder, die sich ihm einprägen, die er nicht mehr vergisst“ so Monika Czernin. Er trifft einfache Menschen ebenso wie Fürsten und Könige, besucht Krankenhäuser und Fabriken, immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen für den Aufbau seines modernen Staates. Der Kaiser lässt sich sogar in Ketten legen und in ein Verliess bringen, um zu erfahren, wie sich Gefangene fühlen. Nach seiner Rückkehr schafft er Leibeigenschaft und Folter ab, gewährt Religionsfreiheit.
Monika Czernin hat ein faktenreiches Buch über einen Volkshelden geschrieben, der durch seine Reformen vor allem bei den Privilegierten aneckt. Er wollte als Ziel seiner Regierung allen Untertanen, welcher Rasse oder Religion auch immer, gleiche Rechte gewähren. Die vorwiegend dynastischen Zustände in Europa sollten durch staatliche Strukturen ersetzt werden. Monika Czernin schildert in ihrem lebendigen Buch einen aussergewöhnlichen Herrscher, der seiner Zeit in vielem voraus war.
Viola Heilman