Der Verein MERKwürdig – Zeithistorisches Zentrum Melk ist im Auftrag der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mit der Betreuung und Wartung der KZ-Gedenkstätte Melk im ehemaligen Krematoriumsgebäude des KZ-Aussenlagers Melk betraut. Darüber hinaus organisiert das Zentrum die gedenkstättenpädagogische Vermittlungsarbeit vor Ort und betreibt zeithistorische Forschung zu offenen Fragen der KZ-Geschichte sowie der Gedenkkultur in der Nachkriegszeit.
Rund 14.400 KZ-Häftlinge waren zwischen 21. April 1944 und 15. April 1945 auf dem Kasernengelände der Birago-Pionierkaserne in der Stadt Melk interniert, fast 5.000 von ihnen wurden ermordet. Die Namen der Umgekommenen sind seit 2018 in der KZ-Gedenkstätte an einer „Wand der Namen“ verewigt. Zweck dieses Mauthausen-Aussenlagers, des grössten auf niederösterreichischem Boden, war die Rüstungsproduktion für die Steyr-Daimler-Puch AG, welche eine riesige Stollenanlage unter dem Wachberg nahe dem Dorf Roggendorf errichten liess. Die Melker KZ-Häftlinge stammten nach heutiger Lesart aus über dreissig Ländern, sprachen zumindest 37 verschiedene Muttersprachen und wurden aus unterschiedlichsten Gründen vom NS-Regime verfolgt – aus politischen, „rassischen“, sexuellen oder auch religiösen Gründen. Eine Besonderheit des KZ-Aussenlagers Melk ist der mit über dreissig Prozent der Gesamthäftlingszahl relativ hohe Anteil von als jüdisch kategorisierten Häftlingen, was auf die Evakuierung des KZ Auschwitz ab Mitte 1944 zurückzuführen ist. Viele der aus Ausschwitz nach Mauthausen evakuierten KZ-Häftlinge wurden bereits nach wenigen Tagen Aufenthalts im Hauptlager zur Zwangsarbeit nach Melk weitergeschickt. Besonders hoch war nicht zuletzt dadurch in Melk auch die Zahl von Kindern und Jugendlichen unter den KZ-Zwangsarbeitern. So war etwa ein Drittel der Häftlinge erst zwischen 15 und 24 Jahren alt, überdies waren ab Jänner 1945 auch 121 Kinder zwischen neun und vierzehn Jahren in Melk interniert.
Appellplatz. Foto: unbekannt. Quelle: USHMM, mit freundlicher Genehmigung: ZHZ Melk.
Das Team des Zeithistorischen Zentrums Melk – im Mai 2020 konnte nur eine sehr kleine interne Gedenkfeier durchgeführt werden. Foto: ZHZ Melk, mit freundlicher Genehmigung.
Ein Foto der bis heute erhalten gebliebenen Deckenbalken im sogenannten „Objekt 10“ der Birago-Kaserne. Dies ist ein nun unter Denkmalschutz gestelltes Garagengebäude, das als erste Häftlingsunterkunft fungierte und in dem bis heute zynische Sprüche aus der Zeit des KZ-Bestehens zu sehen sind, wie etwa „Arbeit macht frei“, „Jede Arbeit adelt“ und einige weitere mehr. Mit freundlicher Genehmigung: ZHZ Melk.
Die Enthüllung der neuen Gedenktafel an der Aussenmauer der Birago-Kaserne. Foto: Franz Gleiss, mit freundlicher Genehmigung: ZHZ Melk.
Der 1994 eigentlich als einmalige Veranstaltungsreihe gegründete Verein MERKwürdig widmet sich aber auch mit künstlerischen sowie kulturellen Mitteln der Vermittlung und Aufarbeitung der Melker KZ-Geschichte, immer auch mit dem Anspruch, Anknüpfungspunkte zur Gegenwart herzustellen. Mit Unterstützung des Landes Niederösterreich, der Gedenkstätte Mauthausen und der Stadtgemeinde Melk konnte im Herbst 2017 die erste hauptamtliche Teilzeitstelle und somit die Grundlage für ein zeithistorisches Zentrum in der Region Melk geschaffen werden.
Der Besuch der KZ-Gedenkstätte Melk Memorial, wo sich auch eine Überblicksausstellung zur Landesgeschichte befindet, ist grundsätzlich jederzeit möglich; der Schlüssel kann beim Eingang zur Pionierkaserne entlehnt werden. Eine Besichtigung der zeithistorischen Baureste am ehemaligen KZ-Areal in der heutigen Birago-Kaserne ist aber ausschliesslich im Rahmen eines Vermittlungsrundgangs mit den gedenkstättenpädagogisch ausgebildeten MKÖ-Aussenlager-Guides des Zeithistorischen Zentrums Melk möglich.1 Für Jugendliche bis 25 Jahre sind die Rundgänge, Vor- und Nachbereitungsworkshops kostenlos. Spezifisch für die Vermittlungsarbeit in Melk ist ein spezielles Vermittlungsformat für Grundwehrdiener, die in der Birago-Kaserne am früheren KZ-Areal ihre sechsmonatige Wehrpflicht ableisten. Hier finden seit 2018 in enger Kooperation mit der Kasernenleitung regelmässig ganztägige Vermittlungsworkshops statt.
Der Verein MERKwürdig organisiert Jahr für Jahr auch eine Reihe von Veranstaltungen. Neben der jährlichen internationalen Gedenkfeier im Mai wurde am 20. September 2020 bereits zum zweiten Mal das 12h-Konzert wider Gewalt und Vergessen organisiert, bei dem von weit über einhundert Musikerinnen und Musikern unterschiedlichster Genres jedem einzelnen der ehemaligen 14.400 Melker KZ-Häftlinge drei Sekunden Musik gewidmet wurden. Drei Tage davor, am 17. September, konnte ein wichtiger Meilenstein in der regionalen Gedenkkultur gesetzt werden. Auf Anregung der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich und mit Unterstützung weiterer Partnerorganisationen – Pionierbataillon 3 Melk, Stadt Melk, KZ-Gedenkstätte Mauthausen sowie Mauthausen Komitee Österreich – konnte der Verein eine Gedenktafel an der Aussenwand der Birago-Pionierkaserne verwirklichen, die nun erstmals auf die frühere Funktion der Kasernenareals als KZ-Standort verweist. Mit einer Zusatztafel wird überdies auf die Internationalität der Melker Häftlingszwangsgesellschaft verwiesen. Sie beinhaltet den Gedenktafel-Text in acht Sprachen: Englisch, Französisch, Italienisch, Hebräisch, Polnisch, Russisch, Tschechisch und Ungarisch. Diese Tafel ist ein weiteres wichtiges Zeichen der Erinnerung: „Für uns soll das Zeithistorische Zentrum ein Gegenwartszentrum sein. Die Themen von damals sind auch Themen der Gegenwart“ (Vereins-Obmann Alexander Hauer).2
Die Autorin dankt Dr. Christian Rabl für die Unterstützung und Beratung.
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1 https://www.melk-memorial.org/de/besucherservice Die Buchung der kostenlosen Rundgänge, Vor- und Nachbereitungsworkshops erfolgt über die Website: https://www.mauthausen-guides.at/
2 https://www.noen.at/melk/melk-memorial-zeithistoriker-rabl-horror-beginnt-meist-ganz-banal-zeitgeschichtliches-zentrum-melk-verein-merkwuerdig-christian-rabl-alexander-hauer-88356983