Die Synagoge in Basel, Aussenansicht, Blick von Südosten auf die Apsis mit dem Thoraschrein.
Die Basler Synagoge ist 150 Jahre alt – gefeiert wurde aber kaum
Ein Klezmer-Konzert und eine Rede des inzwischen abgetretenen Gemeindepräsidenten – so bescheiden feierte im Spätsommer die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) den 150. Geburtstag ihrer Synagoge.
Geplant war es eigentlich anders: ein grosses Strassenfest, wie Wien es auch schon mehrere Male organisiert hatte. Wie in Wien war die Idee, die nichtjüdische Nachbarschaft in dieses Jubiläum zu integrieren. Doch die finanziellen Probleme vor allem aufgrund der hohen Sicherheitskosten, die in der Schweiz bisher noch nicht vom Staat übernommen wurden, erwiesen sich als fast unüberwindliche Hürde für so ein Fest oder auch einen anderen grösseren festlichen Anlass. Zumal den Mitgliedern auch sonst eher wenig zum Feiern zumute ist: Ein schleichender, aber anhaltender Mitgliederschwund und fehlende Finanzen sind nur einige der Probleme der IGB.
Gründe, das G‘tteshaus an der Leimenstrasse gebührend zu feiern, gäbe es dabei allerdings mehr als genug: Der vom deutschen Architekten und Ingenieur Hermann Gauss geplante prächtige Bau überstand als eine der wenigen Synagogen im deutschsprachigen Raum nämlich die höchstwahrscheinliche Zerstörung durch die Nazi-Schergen dank der Schweizer Neutralität im Zweiten Weltkrieg – anders als beispielsweise die nur etwa 12 km weiter nördlich gelegene Synagoge der Gemeinde Lörrach auf deutschem Boden.
Als die Basler Synagoge 1868 eröffnet wurde, stand sie auch als sehr gut sichtbares Zeichen des Aufbruchs und der Erneuerung da: das bisherige Betlokal in der Basler Altstadt erwies sich nämlich als zu klein, weil die Gemeinde, ebenso wie die Stadt als Ganzes, in jenen Jahren ständig grösser wurde. Nicht zuletzt kam der Zuwachs aus dem Elsass, von wo aus nicht wenige jüdische Familien in jenen Jahren nach Basel einwanderten. Gleichzeitig wurde der jüdischen Gemeinde in der Schweiz endlich und im Vergleich zu anderen Ländern deutlich verspätet die rechtliche Gleichstellung verliehen. Damit wollte diese der nichtjüdischen Umwelt zeigen, dass sie auch räumlich endlich „im Zentrum“ angekommen war. Und so bestand die Vorstellung gegenüber der christlichen Umwelt, auch durch den Synagogenbau müsse man beweisen, unabhängig von der vorherrschenden Religion zu sein. Das zeigte sich in den maurischen und byzantinischen Stilelementen, die die Synagoge ebenfalls auszeichneten. Hermann Gauss nahm sich dabei die nur wenige Jahre früher erbaute Stuttgarter Synagoge zum Vorbild. Tragisch war allerdings, dass Architekt Gauss bereits kurz vor der Fertigstellung des Gebetshauses verstarb. Gedacht war die Synagoge für bloss etwa 300 Personen. Und kosten sollte sie nicht mehr als 90.000 Franken, heute ca. 80.000 Euro.
Innenansicht der Basler Synagoge, Blick zur Empore.
Innenansicht der Basler Synagoge, Blick zum Thoraschrein.
Die feierliche Einweihung fand dann im September 1868 statt. Weil die Gemeinde in jenen Jahren noch nicht über einen eigenen Gemeinderabbiner verfügte, sprang Rabbiner Moïse Nordmann aus der benachbarten Gemeinde Hegenheim im (damals deutschen) Elsass ein; und auch der Synagogenchor, der bei der Feier sang, kam aus Hegenheim. Rabbiner Nordmann hatte bereits die Feier zur Einweihung des Betlokals in der Altstadt 18 Jahre früher geleitet. Die konservativen „Basler Nachrichten“ schrieben damals u.a.:
„Diese neue Synagoge ist kein imponierender Bau, aber die schönen Verhältnisse desselben sowie die zahlreiche, zum Teil reiche Ausschmückung im Innern machen den Totaleindruck zu einem durchaus günstigen.“
Die Zeitung wünscht der Gemeinde dann noch,
„dass die hiesigen Israeliten ihrer Synagoge durch viele Jahrhunderte sich werden ungestört erfreuen können, und dass nie mehr der finstere Geist Meister wird, der es für ein Gebot ansieht, die zu verfolgen, welche G‘tt auf andere Art verehren“.
Die Basler Gemeinde wuchs in der Folge noch, denn nicht zuletzt die Zuwanderung aus dem Elsass ging nach 1871 verstärkt weiter, weil viele französische Juden nicht unter den Deutschen leben wollten, darunter ironischerweise auch die Familie des späteren Hauptmannes Alfred Dreyfus, der in Basel die Schulen besuchte, ehe man nach Paris weiterzog. Viele neue Mitglieder kamen aber auch aus den Ländern im Osten, vor allem dem zaristischen Russland nach Basel. So reichten die Plätze in der neu eingeweihten Synagoge bald nicht mehr aus, weswegen nach 1888 eine zweite Kuppel gebaut und mehr Sitze angebracht wurden. Inzwischen verfügte die Gemeinde mit Arthur Cohn über den ersten fest angestellten Rabbiner – und dieser widersetzte sich als orthodoxer Vertreter seines Berufstandes allen Plänen, in der Synagoge eine Orgel einzubauen, wie es eher liberale Kreise befürworteten.
Als Konzession an den Zeitgeist wurde allerdings eine an eine Kirche erinnernde Kanzel gebaut, auf der noch bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts der Rabbiner (im Talar) am Schabbat und an den Feiertagen seine Worte an die Gemeinde richtete.
Die Synagoge erstrahlte in ihrer ganzen Pracht, als 1897 der wohl prominenteste Gast ihr einen Besuch abstattete: Theodor Herzl besuchte während des Ersten Zionistenkongresses (und auch noch an weiteren Kongressen) die Synagoge – in Frack und Zylinder, wie die historischen Aufnahmen jener Jahre zeigen.
Rabbiner Arthur Cohn (der Grossvater des Filmproduzenten gleichen Namens, der heute noch in Basel seinen Wohnsitz hat) stand dem Zionismus kritisch, aber nicht ablehnend gegenüber, weshalb der Kongress überhaupt in Basel stattfinden konnte. Theodor Herzl wusste das natürlich. Und wiewohl er der Orthodoxie ziemlich fern stand, liess er sich im Gebetshaus unter den Augen von Rabbiner Cohn auch zur Torah aufrufen (den entsprechenden Segensspruch hatte er sich zur Sicherheit in „deutschen“ Buchstaben aufschreiben lassen); all dies geschah, um auch die zahlreichen orthodoxen Delegierten des Kongresses günstig zu stimmen, was dann auch gelang.
Die Thorarollen in der Basler Synagoge.
Basel als Gründungsstadt des modernen Zionismus ist auch heute noch ein attraktives Ziel für viele jüdische Touristen, nicht zuletzt aus Israel. Diese lassen sich den Besuch der Synagoge meist ebenso wenig entgehen wie den des Stadt-Casinos, wo der Kongress stattfand oder des Hotels LesTrois Rois (Drei Könige), wo das berühmte Bild des auf den Rhein blickenden Theodor Herzl entstand. Allerdings ist es - aufgrund der von Anschlägen in vielen europäischen Ländern entstandenen Situation - inzwischen nicht mehr so ganz einfach, das Gelände der Gemeinde mit der Synagoge zu betreten. Wer das 150 Jahre alte Gebetshaus besichtigen oder sogar einmal an einem G‘ttesdienst teilnehmen möchte, meldet sich bei der Gemeinde an; Spontanbesuche sind nicht (mehr) möglich.
Alle Abbildungen: P. Bollag 2018, mit freundlicher Genehmigung.