Ausgabe

„Liebster Max, meine letzte Bitte ...“

Marianne ENIGL

Max Brod und Friedensreich Hundertwasser: Zwei auf höchst unterschiedlichen Gebieten künstlerische Menschen mit Wurzeln im heutigen Tschechien

 

Inhalt

Was wir Max Brod (1884 – 1968) verdanken, ist unermesslich. Brod war seinem schwermütigen und später schwerkranken Freund Franz Kafka (1883 – 1924) zwei Jahrzehnte lang Lebensmensch und Stütze. Und: er hat dessen Texte bewahrt und unter Lebensgefahr vor den in Prag einmarschierenden Nazis nach Palästina in Sicherheit gebracht.

Die beiden jungen Prager – der spätere Kritiker, Schriftsteller, Theaterautor und zionistische Aktivist Brod war in einer wohlbestallten Familie aufgewachsen – lernten sich als 20jährige kennen, lasen einander aus ihren Manuskripten vor. Brod war Kafkas überragende Bedeutung rasch bewusst. Und er tat alles, den Freund zum Schreiben und Veröffentlichen zu bewegen. Wie muss es ihm, Brod, ergangen sein, als der von Schmerz geplagte Kafka ihn in den letzten Lebenswochen wissen liess, er könne nicht mehr lesen: „Geschlossenheit ist der natürliche Zustand meiner Augen“. Auch Kafkas letzter Wunsch war an Brod adressiert, der jedoch erfüllte ihn nicht. Das berühmte Zerstörungs-Vermächtnis hatte der verzweifelte, lungenkranke Kafka auf ein Blatt Papier geschrieben, gefunden wurde es nach seinem Tod 1924. Es ist ein Stück tieftrauriger Literatur über das eigene Weggehen: 

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Max Brod in Dresden 1914. Quelle: Wikimedia Commons, abgerufen am 02.11.2018.

 

„Liebster Max, meine letzte Bitte: alles was sich in meinem Nachlass (also im Bücherkasten, Wäscheschrank, Schreibtisch zuhause und im Bureau, oder wohin sonst irgendetwas vertragen worden sein sollte und Dir auffällt) an Tagebüchern, Manuscripten, Briefen, fremden und eigenen, Gezeichnetem u.s.w. findet restlos und ungelesen zu verbrennen.“ 

 

Brod hat Kafkas Nachlass aufbewahrt und bei seiner Flucht 1939 nach Tel Aviv gerettet. Sein Bruder Otto wurde in Auschwitz ermordet, seine Schwester Sophie konnte sich in die USA retten. Brod selbst hat von Romanen bis zu Theaterstücken viel hinterlassen, das angesichts seiner Bedeutung für die Rettung von Kafkas Werk in Vergessenheit geraten ist. Seine eigene Vermittlerrolle innerhalb der Prager Literaten hat er in Streitbares Leben (1960) beschrieben. Dem bis zuletzt in Tel Aviv lebenden Dichter verdankt sich auch die Anerkennung für den tschechischen Komponisten Leoš Janáček sowie den „Schwejk“-Verfasser Jaroslav Hašek. 

Wien. Hier wird 1928 Friedrich Stowasser geboren, sein späterer Künstlername Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt umfasst alles, was dem so vielfältig Wirkenden wichtig werden wird. Vater Ernst Stowasser hat seine Wurzeln in Böhmen, Mutter Elsa in Mähren. Nach dem frühen Tod des Vaters ringt Elsa um den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn. Der beschreibt sein Aufwachsen so: 

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Friedensreich Hundertwasser auf seinem Grundstück in Neuseeland, 1998. Foto: Hannes Grobe 1998. Quelle: Wikimedia Commons, abgerufen am 02.11.2018.

 

„Meine Mutter war Jüdin. Während des Einmarsches der Hitler-Truppen blieben wir zu Hause. Als wir uns wieder auf die Strasse wagten, hatten auch wir Hakenkreuze angesteckt, denn jeder, der dies nicht tat, war suspekt. [...] Die Perversion des Ganzen wurde mir erst viel später bewusst. Während meine Mutter mit dem Judenstern einkaufen ging, lief ich mit dem Hakenkreuz durch die Gegend.“ (Aus Georg Markus (Hrsg.): Mein Elternhaus – Ein österreichisches Familienalbum, Düsseldorf, 1990.) 

 

Ein Madonnenbild, so der sicherheitshalber Getaufte, weckte in ihm den Wunsch, Maler zu werden. 1943 begann er sein Jugendwerk, in diesem Jahr wurden 69 Familienangehörige mütterlicherseits deportiert und ermordet. Felicitas Heimann-Jelinek, langjährige Chefkuratorin des Jüdischen Museums Wien, schrieb anlässlich einer Ausstellung: „Hundertwassers labyrinthischer Spiralstil hat seine Wurzeln wohl auch in der permanenten Spannung und Angst, die er während der Jahre 1938-1945 durchleben musste.“ Zu Hundertwassers Oeuvre zählt auch das Bild Judenhaus Österreich (1961/62).

Nach seinem Tod im Jahr 2000 gründeten Engagierte in seiner Wahlheimat Neuseeland einen Trust, der seine tiefe ökologische und humane Überzeugung „hoatu ki te tangata“ (für die Menschen) weiterleben lässt. In Österreich ist der Künstler durch zahlreiche Bauten, unter ihnen das Hundertwasserhaus in Wien, präsent.