Ausgabe

Eine taffe Frau und beeindruckende TV-Journalistin.

Christoph TEPPERBERG

Elizabeth. T. Spira zum 76. Geburtstag

 

Inhalt

Zum heurigen Chanukkafest vollendet die populäre österreichische TV-Journalistin Elizabeth T. Spira ihr 76. Lebensjahr. Als Produzentin und Moderatorin des ORF erfreut sich Spira bis heute grosser Beliebtheit, erntet aber auch Kritik und Widerspruch. 

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Foto: Roman Zach-Kiesling. ORF, mit freundlicher Genehmigung.

 

Elizabeth Toni Spira wurde am 24. Dezember 1942 als Tochter des österreichisch-jüdischen Emigranten Leopold Spira (1913-1997) im schottischen Glasgow geboren. Der Kommunist und jüdische Intellektuelle Leopold Spira hatte bei den Interbrigaden am spanischen Bürgerkrieg teilgenommen und wurde vom Ständestaat für fast ein Jahr interniert. Danach flüchtete er vor den Nazis ins Exil nach Grossbritannien und heiratete dort 1940 Eva Spira geb. Zerner, sodass ihre beiden Töchter Elizabeth und Margaret in Glasgow zur Welt kamen. Auch ihre Vornamen „Elizabeth“ und „Toni“ verdankt die nachmalige TV-Journalistin dem Exil: „Elizabeth“ stammt von der damaligen britischen Thronfolgerin und späteren Königin Elizabeth (II.), „Toni“ war der Deckname ihres Vaters in der Illegalität. 

 

1946 kehrte die junge Familie nach Wien zurück. Ihre Wohnung war immer noch „arisiert“, daher logierten sie in der ersten Zeit im Hinterzimmer eines KPÖ-Parteilokals. Nach der Volksschule besuchte Elizabeth das Gymnasium Stubenbastei und steht somit in einer langen Reihe bedeutender Absolventen wie Hugo Bettauer, Karl Kraus, Paul Wittgenstein, Leopold Lindtberg, Hilde Spiel, Hans Habe, Otto Schenk, Friedrich Gulda, Günther Nenning und nach ihr Susanne Scholl. Darauf absolvierte Elizabeth das Studium der Publizistik an der Universität Wien, das sie 1972 mit ihrer Promotion zum Dr. phil. abschloss. Das Thema ihrer Doktorarbeit: „Politische Information in den Massenmedien: demokratischer Anspruch und Wirklichkeit. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der österreichischen Tageszeitungen am Beispiel der Arbeiterkammerwahlen 1969“.

 

1972 begann Spira ihre journalistische Laufbahn beim linksliberalen Wochenmagazin „profil“. 1973 wechselte sie als TV-Redakteurin zum ORF und gehörte dort von 1974 bis 1984 zum Redaktionsteam der Dokumentarfilmreihe „teleobjektiv“. Spira nennt Claus Gatterer (1924-1984), den verantwortlichen Leiter der Sendereihe, ihren wichtigsten journalistischen Lehrmeister. Durch die junge, ambitionierte, neugierige und klug beobachtende Journalistin erlebte der ORF so manche Sternstunde des politischen Fernsehens: ob Recherchen über Ausländer, Roma, Antisemitismus, die Fristenlösung, Arbeitsplätze oder den Kärntner Ortstafelkonflikt, Elizabeth Spira nahm sich kein Blatt vor den Mund. Ständig auf der Suche nach der Wahrheit zu heiklen Themen eckte sie immer wieder an. Ein kritischer Bericht über die damalige SPÖ Burgenland unter Theodor Kery (1918-2010) brachte die taffe Journalistin beim ORF an den Rand des Rauswurfs.

 

Nach Einstellung der TV-Sendung „teleobjektiv“ schuf Spira 1985 mit der Dokumentarfilmreihe „Alltagsgeschichte“ ihr eigenes Sendeformat. In den Jahren 1985-2006 wurden von dem Format 60 TV-Episoden gedreht. Markant und unvergessen bleiben die Geschichten „Das kleine Glück im Schrebergarten“ (1992), „Am Würstelstand“ (1995) und „Donauinsulaner“ (1996). Zu dem Format entstand 1998 sogar eine Diplomarbeit an der Universität Wien. Die Episode “Am Stammtisch“ (1988) wurde erst am 28. August 2016 im voller Länge ausgestrahlt. Grund für die Verzögerung waren menschenverachtende und antisemitische Aussagen von einigen der gefilmten Personen, ausgelöst durch die Affäre um den damals international geächteten Bundespräsidenten Kurt Waldheim (1918-2007). Elizabeth T. Spira, die kämpferische Jüdin, hatte 1988 auf einer ungekürzten Ausstrahlung der heiklen Passagen bestanden und wurde dafür sogar kurzzeitig beurlaubt. 

 

1997 startete sie ihre nunmehr seit 22 Jahren erfolgreich laufende Doku-Soap „Liebesg’schichten und Heiratssachen“. Das Erfolgsformat für Partnersuche verzeichnet bis heute beachtliche Einschaltquoten. Für ihre Sendungen wählt Spira mit ihrem Team recht verschiedenartige Personen aus, die sich für „ein Glück zu zweit“ bereit wähnen und dreht dazu vor Ort sehr persönliche Features. Die stets schwarz gekleidete Spira mit ihrer unverkennbaren ruhigen, dunklen Stimme hat eine spezifische Begabung: sie wirkt beruhigend auf ihr Gegenüber, vermittelt den Interview-Partnern ein Gefühl der Vertrautheit. Diese reagieren auf sie mitunter mit erstaunlicher Offenheit, geben bewusst oder unbewusst intime Details ihres Liebes- und Seelenlebens preis. Die Sendereihe ist ein Quotenhit, spaltet aber zugleich das unterhaltungssüchtige Österreich: die einen sind begeistert, die anderen sprechen von geschmacklosem „TV-Voyeurismus“. Spira entgegnet: „Man kann sich nicht nur den Honig vom Brot schlecken, wer zu mir in die Sendung will, muss eine Geschichte haben. Schliesslich betreibe sie ja kein Heiratsinstitut.“

 

Spira ist eine erklärte Linke und bewusste Jüdin. Von ihrer „wunderbaren“ Mutter wurde sie früh zum Widerstand gegen persönlichen Antisemitismus erzogen und entwickelte sich in der Folge zur Kämpferin. Sie hatte sich fest vorgenommen wegen ihres Judentums nicht zu leiden. Als „Kampfjüdin“, nicht als „Opferjüdin“ wollte sie ihren Alltag bestreiten. In einem ORF-Interview erinnert sie sich lachend, wie sie als 8-jähriges schmächtiges Mädchen an einer Wiener Strassenbahnhaltestelle einem ungut redenden Antisemiten gegen das Schienbein trat. 

 

In den heutigen online-Portalen findet man so manchen für sie typischen Sager: „Ich kratze mit Freude am rot-weiss-roten Lack“, „Österreich war schon immer ein Nazi-Land, da kann man nichts verschönern“. „Brauche keinen FPÖler als ORF-Chef“: Linke Spira denkt ans Auswandern“. „Wahrscheinlich würde ich nach Deutschland gehen, weil ich von der Heimat die Nase voll hab.“ In Wahrheit aber hängt Spira G‘tt sei Dank an ihrer Wiener Stadt und liebt den Wiener Dialekt. 

 

Die einst aufmüpfige, kritische Journalistin, nunmehr allseits hofierte „Chefkupplerin“ und „Quotenqueen“ des ORF ist Trägerin zahlreicher Preise, beliebter Interview-Partner und gern gesehener Gast in diversen Talkshows. Elizabeth T. Spira ist seit 1980 mit dem einstigen Burgschauspieler und Regisseur Hermann Schmid (*1939) verheiratet, eine Verbindung, die den beiden ganz offenbar guttut. Ihre Adoptivtochter Hannah ist inzwischen selbst dreifache Mutter. Trotz ihres bevorstehenden 76. Geburtstags gibt es Anzeichen dafür, dass Spira über das Jahr 2018 hinaus im ORF aktiv bleiben könnte. Wir wünschen ihr und ihrem TV-Publikum noch viele interessante Begegnungen mit alltäglichen Menschen in ungewöhnlichen Szenen.