Ausgabe

Die Geschwister Hans und Sophie Scholl und die Weisse Rose, 1943

Thomas VARKONYI

Inhalt

Von den Geschwistern Scholl geht eine Faszination aus, die 75 Jahre nach ihrer Ermordung durch die NS-Justiz nichts an ihrer Unmittelbarkeit eingebüsst hat. Auch unter heutigen Schülerinnen und Schülern zeigt sich im Unterricht eine emotionale Verbundenheit mit der „Weissen Rose“. Ihr besonderes Interesse liegt wohl an der Jugend und dem unvermuteten Heldenmut der Geschwister Scholl. Dabei war deren Weg nicht unbedingt vorgezeichnet. 

 

Hans Scholl wurde am 22. September 1918 im württembergischen Ingersheim an der Jagst geboren, seine jüngere Schwester Sophie  am 9. Mai 1921 in Forchtenberg, wo die streng christlich orientierte Familie auch bis 1930 wohnte. Nach 1933 von der NS-Propaganda manipuliert, schlossen sich beide zunächst NS-Jugendorganisationen an, entwickelten aber bis 1938 aufgrund ihrer dortigen Beobachtungen eine skeptische Position zu deren Zielen. Nach dem Schulabschluss wurden beide zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, Hans dann auch zum Wehrdienst, unter anderem als Sanitäter im Frankreichfeldzug

 

Die Geschwister setzten sich zeitlebens mit religiösen und philosophischen Fragen auseinander. Daraus erwuchs in Kombination mit der eigenen Erfahrung die zwingende Erkenntnis, dass das Dasein unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ein zutiefst unmenschliches war und daher bekämpft werden müsse. Während Hans seit 1939 in München  Medizin studierte und sich mit der Gründung einer Widerstandsgruppe beschäftigte, konnte Sophie erst 1942, ebenfalls in München, ihr Studium der Biologie und Philosophie beginnen. Die Widerstandsgruppe entstand und nannte sich Die Weisse Rose.

 

In ihren ab 1942 selbst gedruckten Flugblättern bekräftigten die Mitglieder der Weissen Rose, dass man sich für die Freiheit einsetzen müsse, dass Nichthandeln ein Verbrechen sei und dass es sich bei der „Judenvernichtung“ um eine Singularität handelte, bei der man zumindest eine moralische Mitschuld habe. Sie sahen in ihren Flugblättern das sichere Ende des Krieges voraus und warnten ihre Landsleute vor Gleichgültigkeit und vor dem Kommen eines schrecklichen, aber gerechten Gerichts, das schliesslich die Menschenrechte zur Grundlage eines neuen Europa machen würde. 

Die Mitglieder der Weissen Rose kamen zum Teil aus der katholischen Jugend und waren mehrheitlich Medizinstudenten: zunächst Hans Scholl (1918-1943) und Alexander Schmorell (1917-1943), später auch Christoph Probst (1919-1943) und Willi Graf (1918-1943), dazu Sophie Scholl (1921-1943), sowie der Musikwissenschafter, Philosoph und Psychologe Prof. Dr. Kurt Huber (1893-1943).

 

Am 18. Februar 1943, als Hans und Sophie Scholl ihr sechstes Flugblatt an der Münchner Universität auslegen wollten, wurden sie vom Hausmeister beobachtet und an die Gestapo verraten. Vier Tage später wurden sie, gemeinsam mit dem dreifachen Vater Christoph Probst „wegen landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, und Wehrkraftzersetzung“ zum Tod durch das Fallbeil verurteilt. Der Richter bei diesem Schauprozess war der berüchtigte NS-Scherge Roland Freissler (1893-1945). 

 

Die anderen Mitglieder wurden nach einem späteren Schauprozess desselben Jahres ebenfalls hingerichtet. Der Historiker Golo Mann sagte 1958 über die Weisse Rose

„Sie fochten gegen das Riesenfeuer mit blossen Händen, mit ihrem Glauben, ihrem armseligen Vervielfältigungsapparat gegen die Allgewalt des Staates. Gut konnte das nicht ausgehen, und ihre Zeit war kurz. Hätte es aber im deutschen Widerstand nur sie gegeben, die Geschwister Scholl und ihre Freunde, so hätten sie alleine genügt, um etwas von der Ehre des Menschen zu retten, welcher die deutsche Sprache spricht.“