Ausgabe

Die jüdischen Gründungsmitglieder der Oesterreichischen Nationalbank 1816 und ihre Grabmäler am jüdischen Friedhof Währing in Wien

Tina WALZER

Serie, Teil 5: Hermann Todesko, Begründer einer Wiener Ringstrassenfamilie aus Pressburg

 

Inhalt

Hermann Todesko (1791 – 1844 Wien) war eine herausragende Persönlichkeit. Aus Pressburg stammend, baute er in Gramatneusiedl-Marienthal ein Textilimperium auf, in dem für jeden Mitarbeiter auf einzigartige Weise gesorgt war. Die Wohltätigkeit, Zedakah, die Sorge für seine Mitmenschen, war ihm Zeit seines Lebens ober-ste Prämisse.

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Trümmer des Grabmals von Hermann Todesko auf dem jüdischen Friedhof Währing.

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Plan des Fabriksgeländes in Gramatneusiedl-Marienthal.

 

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Die Inschrift am Grabmal von Hermann Todesko würdigt seinen unermüdlichen Einsatz für die Armen und Bedürftigen.

 

Seiner Heimatstadt Pressburg schenkte er mehrere Schulen, auf dem Fabriksgelände Marienthal liess er Arbeiterwohnheime, ein Betriebskrankenhaus, sowie Kindergarten und Schule für den Nachwuchs seiner Beschäftigten errichten. Als der Staat selbst in Not geriet, half er mit Aktienpaketen, die Oesterreichische Nationalbank mit zu begründen.

 

Todesko, dessen Vater noch Ahron Hirschl geheissen hatte, beobachtete, wie seine italienischen Geschäftspartner im Umfeld einer Herrschaft Legnaro mit der Aussprache seines Namens Schwierigkeiten hatten, weshalb sie ihn kurzerhand als „den Deutschen“, Tedesco, ankündigten. Das gefiel dem Pressburger Fabrikanten viel besser als das banale Hirschl, und er liess seinen Namen in Todesko ändern, auch um zu zeigen, dass ihm der Aufstieg in eine bessere Gesellschaft gelungen war. Die ambivalente Beziehung zwischen Aschkenasen und Sefarden mag hier ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Auf dem jüdischen Friedhof Währing finden sich insgesamt vierzehn Gräber der Familie Todesko. Die ältesten liegen in einem Familien-Cluster in der Gräbergruppe 4 der Prominenten, und sind rund um den Gründer des Wiener Zweigs angeordnet. Dessen imposantes eigenes Grabmal wurde während der NS-Zeit disloziert, die einzelnen monolithisch gearbeiteten Teile finden sich allerdings in der Nachbarschaft des eigentlichen Grabes herumliegend. Ein Teil ist auf dem Grab von Michael Lazar Biedermann abgeladen und nie mehr entfernt worden. Sein Leichnam hingegen wurde durch die IKG Wien 1942 enterdigt und in einem Notgrab bei Tor 4 des Zentralfriedhofs wiederbestattet, um einer Schändung durch das Naturhistorische Museum Wien im Namen der „Rassenkunde“ zuvor zu kommen.

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Arbeiterwohnhäuser in Marienthal.

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Arbeiterwohnungen auf dem Gelände der Todesko-Fabrik.

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Das Betriebskrankenhaus der Hermann Todeskoschen Baumwollspinnereien in Marienthal. 

 

Alle Fotos: T. Walzer 2016, mit freundlicher Genehmigung.

 

Der Folgeartikel dieser Serie, Teil 6, beschäftigt sich mit weiteren Familien aus Pressburg, die zu Gründungsmitgliedern der Oesterreichischen Nationalbank wurden.