Ausgabe

CHANUKKA 5778/2017

Rabbiner Joel BERGER

Inhalt

Chanukka ist eines unserer postbiblischen Feste. Somit ist es in den Büchern unseres Tanach, unserer Bibel nicht erwähnt. Jedoch sind jene Werke, die historische Elemente des Chanukkafestes beinhalten, wie z.B. die Bücher der Makkabäer und das Buch Judit, bei den katholischen Bibellesern bekannt. Der Grund dafür ist, dass diese Werke nur in den katholischen Bibelübersetzungen, im sogenannten Alten Testament, aufgenommen worden sind. 

Nicht nur der Anlass der fünfhundertjährigen Reformation lässt hier erwähnen, dass Luther in seiner deutschen Bibelübersetzung diese Werke nicht aufgenommen hatte, weil er dadurch hoffte, dass die Juden seiner Zeit sich seiner reformierten Kirche anschliessen würden. Er war mehr als enttäuscht, als die Juden ihm diese „Gefälligkeit“ nicht erwiesen hatten.

Chanukka ist eines unserer populärsten und fröhlichsten Feste und wird in sehr weiten Kreisen unseres Volkes begangen. Vielleicht auch, weil uns dieser Festtag keine schwer zu bewältigenden Pflichterfüllungen abverlangt. In den meisten jüdischen Häusern in aller Welt finden wir eine achtarmige Chanukkija, einen Leuchter aus unterschiedlichen Materialien und sehr variablen Formen hergestellt. 

Die historischen Grundlagen für dieses Fest berichten uns, dass im Jahre 168 v.d.Z. die hellenistischen Heere von Antiochus IV. Jerusalem und das Heiligtum Israels erobert und für ihren heidnischen Kult umgewandelt haben. Es wurden im Tempel Götzenbilder aufgestellt und den griechischen Göttern auch Schweine geopfert. Das nicht genug! Der fremde Eroberer wollte das jüdische Volk hellenisieren und ihnen die griechische Kultur aufzwingen. Daher setzte er strenge Massregelungen in Kraft, wie das strikte Verbot, den Schabbat einzuhalten oder Rosch Chodesch, den Beginn eines neuen Monats, zu begehen. Damit wäre die Gültigkeit des jüdischen Kalenders samt allen Festtagen aufgehoben worden. Ausserdem untersagte er die Brit Mila, die Beschneidung und Aufnahme der jüdischen Knaben in den Bund Abrahams.

Somit wird nachvollziehbar, dass dieser heidnische Herrscher nicht nur die jüdische Religion, die Ausübung des Kultes und Kultur vernichten wollte. Eine kleine Schar von jüdischen Freiheitskämpfern, die sich Makkabäer nannten, griff nun mutig zu den Waffen. Es gelang ihnen, im Jahre 166 v.d.Z. die mächtigen Gegner zu schlagen und den Tempel zu Jerusalem zurückzuerobern. Götzenbilder und Skulpturen wurden entfernt. Danach wollten sie als erste Amtshandlung den Tempelleuchter, die Menora, im wiedereingeweihten Heiligtum von Jerusalem anzünden. Doch sie fanden nur ein kleines Krüglein reines Olivenöl, das den Reinheitsgeboten und somit den Erfordernissen entsprach. Und so konnten die Makkabäer am 25.Tag des jüdischen Monats Kislew den Tempelleuchter entzünden. Doch jetzt geschah ein Wunder. Die winzige Menge Öl, die nur für einen Tag gereicht hätte, brannte stattdessen acht Tage lang. Dies war die allererste Chanukka Feierlichkeit im Heiligtum.

An den acht Tagen unseres Festes erinnern wir uns an dieses Wunder im Heiligen Land. 

Über den Brauch Chanukkalichter anzuzünden lernen wir erst aus einer talmudischen, nachbiblischen Mischna, einem rabbinischen Lehrstück (Baba kamma 6; 6). Jedoch über eine konkretere Beschreibung der Chanukkaleuchter finden wir noch nichts. Man kann vermuten, dass es sich um Öllampen gehandelt hatte. Dagegen wird in weiteren Traktaten des Talmuds, der Gemara (Schabbat 21/b), die erforderliche Art und Weise der Lichtzündens an den Chanukkaabenden ausführlich behandelt. Hier wird auch die Erfüllung der Mizwa, der Pflicht eingehend erläutert. Seit dieser talmudischen Zeit, ab dem 3.Jhdt n.d.Z. ist es üblich geworden, in jedem jüdischen Haushalt an jedem Abend des Festes ein Licht mehr anzustecken. Dies lehrte die Schule des bekannten Lehrers Hillel. Anfangs hat man die Lichter jeweils einzeln und gesondert in Stein- oder Lehmbehältern angesteckt. Mit der Zeit hat man diese acht Behälter zusammengeführt und daraus einen Leuchter gestaltet. Der Talmud erwähnt sogar die Möglichkeit eines kreisförmigen Chanukkaleuchters (Schabbat 23/b).

Neben der Form des Leuchters hat die halachische, also die gesetzbestimmende Literatur den wichtigen Grundsatz festgelegt, dass diese Lichter als Raumbeleuchtung nicht verwendet werden dürfen. Aus diesem rabbinischen Verbot entwickelte sich die Sitte, dass in der Nähe des Chanukkaleuchters ein etwas höher gestelltes, weiteres Licht, angesteckt wurde, das man zu Beleuchtungszwecken verwenden konnte. Diese Einrichtung führt bis heute zur Verwendung des Schammasch, wörtlich, des Dieners. Der Schammasch ist ein zusätzliches neuntes Licht, sehr häufig eine Wachskerze, mit der man das Licht in den anderen sieben Ölbehältern oder Kerzen im Leuchter anstecken kann. Eine weitere halachische Bestimmung ist, dass die Lichter der Chanukkija mindestens eine halbe bis eine Stunde brennen müssen. Ebenfalls eine talmudische Bestimmung sorgt für die richtige Platzierung des Chanukkaleuchters in den Wohnungen. Es ist erforderlich, diese Lichter vor die Eingangstür oder auf der Fensterbank aufzustellen. Damit wollen wir das Wunder nach draussen in die Dunkelheit verbreiten. Es ist also eine Verpflichtung die Wundertat G-ttes öffentlich kund zu tun.

In Israel gehört es zum Alltag des Festes, dass im ganzen Land an allen öffentlichen Gebäuden und Plätzen allabendlich das Licht der Chanukkaleuchter erstrahlt.

Erfreulicherweise werden in letzter Zeit auch in Europa immer mehr Städte und öffentliche Plätze mit Chanukkaleuchtern und ihren Lichtern bestückt. Das Anzünden der Chanukkija findet oft durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens statt.