Eine Hypothek des Protestantismus – Einsichten und Versöhnung
Das Dokument der Schande: Luthers antijudaistische Weltsicht – eine fatale Hypothek2
„So ist‘s auch unsere Schuld, dass wir das grosse unschuldige Blut, so sie an unserem Herrn und den Christen bei dreihundert Jahren nach der Zerstörung Jerusalems und bis daher an Kindern vergossen (welches noch aus ihren Augen und Haut scheint) nicht rächen, sie nicht totschlagen, sondern für all ihr Morden, Fluchen, Lästern, Lügen und Schänden frei bei uns sitzen lassen, ihre Schulen, Häuser, Leib und Gut schützen und schirmen, damit wir sie faul und sicher machen und helfen, dass sie getrost unser Geld uns aussaugen, dazu unser spotten, uns anspeien, ob sie zuletzt könnten unser mächtig werden.“ (Aus Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen. 1543)
Atelier von Lucas Cranach d.Ä., Portrait des Martin Luther. Öl auf Holz, Lutherhaus Wittenberg LHW G16, https://de.wikipedia.org abgerufen am 26.11.2017.
Die zentrale Botschaft des Reformators Dr. Martin Luther (1483-1546) ist die Zusage G‘ttes an die Menschen, ohne eigene Leistung, allein durch den Glauben an Jesus Christus in das Reich G‘ttes zu gelangen.3
1523, in den ersten Jahren der Reformation, sah Luther in seiner Schrift Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei noch eine positive Prognose für seine jüdischen Zeitgenossen. Denn in der Heiligen Schrift ist die letztendliche Bekehrung des Volkes Israel verheissen.4 So lebte der Reformator in der Hoffnung, dass die Juden die Früchte der Reformation ernten, die in der Schrift geoffenbarte Frohbotschaft erkennen, ihre „Verblendung“ und „Widerspenstigkeit“ ablegen und Christus als ihren Herrn und Heiland annehmen würden.
Nachdem sich diese Hoffnung zu Luthers Lebzeiten nicht zu erfüllen schien, verfasste der Reformator drei Jahre vor seinem Tod eine Hetzschrift mit heftigen Ausritten gegen die „verstockten G‘ttesmörder“. Die 1543 zu Wittenberg erschienene Schmähschrift trägt den Titel: Von den Juden und ihren Lügen. Der Tübinger Religionswissenschafter und Judaist Matthias Morgenstern nennt es das „Dokument der Schande“.5 Es ging in diesem Pamphlet sowohl um christologische Motive, als auch um wirtschaftliche Ressentiments. Luther prangerte Geldhandel und Wucherzinsen an und bediente darüber hinaus alle Vorurteile, die man im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gegen Juden bereithielt.
In keiner Schrift, in keiner Predigt sprach er die Juden selbst an, damals nichts Ungewöhnliches, war es doch verpönt mit Juden öffentlich zu disputieren. Luther wandte sich vielmehr an Landesherren und Geistliche, denen er Verhaltensregeln für den Umgang mit den „Christusmördern“ gab – die Aufforderung zur Vertreibung inklusive! Darüber hinaus enthalten Luthers Schriften heftige Attacken gegen alle Gegner der Reformation, gegen Papsttum, Täufer und Muslime. Was wir heute unter Toleranz verstehen war Luther fremd, wie den meisten Menschen seiner Zeit.
Das Siegel Dr. Martin Luthers, die sogenannte „Lutherrose“, heute ein Symbol der evangelisch-lutherischen Kirchen. Quelle: commons.wikimedia.org, abgerufen am 26.11.2017.
Luthers war ein Theologe von Format, ein ausgewiesener Kenner der Heiligen Schrift. Er wusste sehr wohl um die Erwählung des Volkes Israel und dessen Einbeziehung in den Heilsplan G‘ttes. Umso mehr bleibt es für uns heute unverständlich, dass dieser Mann derartige Hasstiraden über das Volk G‘ttes ausschütten konnte. Der Judenhass will so gar nicht zu dem grossen Reformator passen, dem sich die Frohbotschaft, das Erlösungswerk Jesu Christi, aus der Schrift in so wunderbarer Weise eröffnet hatte.
Luther wurde von seinen Anhängern gleichsam wie ein Heiliger und Prophet verehrt, seine Person Jahrhunderte lang überhöht und verklärt.6 Kritik an seinem Antijudaismus wurde kaum oder gar nicht geübt. Der Reformator war sprachgewaltig und volksnah, ein Propagandatalent mit hohem Bekanntheitsgrad. Seine Äusserungen hatten daher einen Multiplikatoreffekt – im Positiven wie im Negativen – bei seinen Zeitgenossen und für seine Nachwelt.
Luthers Schriften hatten somit eine nachhaltige Wirkung auf die (evangelische) Christenheit, ebenso seine wortgewaltige Bibelübersetzung, die zur Entstehung der deutschen Schriftsprache führte. Zugleich blieb der „grosse Reformator“ mit seinem christozentrischen Weltbild und seinen politisch-sozialen Anschauungen dem Mittelalter verhaftet. Dabei ging sein Antijudaismus über den seiner Zeitgenossen nicht hinaus.
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen dem religiös motivierten Antijudaismus des Mittelalters und dem modernen, von einer biologischen Rassentheorie abgeleiteten Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Laut Thomas Kaufmann, Ordinarius an der Universität Göttingen, vertrat der Reformator neben seinem theologischen Disput auch eine „jüdische Wesensnatur“, folglich könne man von einem „vormodernem Antisemitismus“ bei Luther sprechen.7 Zweifellos hatten Luthers judenfeindliche Ausritte Einfluss auf den modernen Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts, eine moralische Bewertung seiner Ansichten ist aus heutiger Sicht schwierig und letztlich eine mentalitätsgeschichtliche Frage.
Luther hat nie direkt zum Judenmord aufgerufen, doch „Kein Zweifel kann indes daran bestehen“, schrieb 2015 der jüdische Publizist Micha Brumlik, „dass diese [Hetz-]Schrift – durch Ausnahme der Gaskammern – eine Blaupause all jener verbrecherischen Massnahmen – von der Verbrennung von Synagogen über die Zwangsarbeit bis hin zur Vertreibung – enthält, die das nationalsozialistische Deutschland Europas Juden antat.“8 Differenzierter urteilte 2013 der protestantische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann:
„Luthers Bild der Juden ist kein Nebenthema seiner Theologie; es ist die Schattenseite seiner Christusliebe, seines Rechtfertigungsglaubens. Gerade deshalb ist Luthers Haltung gegenüber den Juden kein Thema, dessen sich die evangelische Christenheit kurzerhand, und sei es durch Distanzierungsformeln, entledigen kann. In Bezug auf die konkrete Judenpolitik endete Luther da, wo schon die vorreformatorische Theologie in ihrer Mehrheit gestanden hatte und die altgläubige Theologie immer noch stand. In dem, was ihn für unsere Zeit in Bezug auf den Umgang mit den Juden so verachtungswürdig macht, fällt Luther aus seiner Zeit nicht heraus. Eine Entschuldigung kann dies bei einem Mann vom Format Luthers nicht sein.
[...] Unter seinen Zeitgenossen war Luther in Bezug auf seine Haltung gegenüber den Juden darin eine Ausnahmeerscheinung, dass er nachdrücklicher und erfolgreicher als andere zunächst für die Judenduldung, dann für ihre Austreibung eintrat. Sein Positionswechsel deckt also ein einzigartig dramatisches Spektrum ab; auch in der Intensität, mit der er um eine christologische Lesart des Alten Testaments rang, sucht man Seinesgleichen. Alles andere fügt sich in seine Zeit und seine Welt ein.
Durch die erschütternde, beschämende, aufwühlende, deprimierende und aufrüttelnde Geschichte des christlichen Antisemitismus, in die Luther hineingehört und die auf ihre Weise dazu beigetragen hat, dass Auschwitz möglich war, blicken wir anders auf das Verhältnis zur Judenheit als Luther es tat. Der Zivilisationsbruch, der sich mit dem Namen Auschwitz verbindet, lässt jede Apologetik, auch gegenüber Luther, unangemessen erscheinen. Das ist unsere Verantwortung; seine war eine andere.“9
Instrumentalisierung des Reformators durch die Nationalsozialisten
Die Deutsche Evangelische Kirche in Nazideutschland teilte sich in die oppositionelle Bekennende Kirche und in die antisemitischen Deutschen Christen, die der Ideologie des Nationalsozialismus anhingen. Es gab kaum eine religiös-deutschtümelnde Peinlichkeit, die damals nicht zu Papier gebracht oder gepredigt worden wäre. Im Jahr der „Machtergreifung“ 1933 beteuerte man beim „Deutschen Luthertag“ zum 450. Geburtstag des Reformators voller Hingabe, „Dass die deutschen Führer Luther und Hitler zusammengehören“. Auf dem Plakat für die Feiern prangte der bekannte Sinnspruch: „Hitlers Kampf und Luthers Lehr – des deutschen Volkes gute Wehr“. An anderer Stelle bekannte man schwülstig: „Und wenn Martin Luther auf seinem Wege dem Führer heute begegnen würde, dem unser Herzen aller dankbar schlagen – tief würde er ihm in die Augen schauen, und beide Hände würde er ihm drücken. ‚Dank dir, du deutscher Mann! Du bist Blut von meinem Blut, Art von meiner Art. Wir beide gehören eng zusammen!‘ Wahrhaftig, sie gehören zusammen, Martin Luther und Adolf Hitler, die Reformation.“10
In besonderer Weise tat sich der Thüringer Landesbischof Martin Sasse hervor, der sich in seiner 1938 herausgegebenen antisemitischen Hetzschrift „Martin Luther über die Juden. Weg mit ihnen!“ sowohl auf seinen Reformator als auch auf seinen „Führer“ berief.11 Er ging dabei so weit, dass er die „Reichskristallnacht“ (9./10. November 1938), da im gesamten Deutschen Reich die Synagogen brannten, mit Luthers Geburtstag (10. November 1483) in Verbindung brachte und damit die Handlungen des Nationalsozialismus rechtfertigte:
„Am 10. November 1938, an Luthers Geburtstag, brennen in Deutschland die Synagogen. Vom deutschen Volk wird [...] die Macht der Juden auf wirtschaftlichem Gebiet im neuen Deutschland endgültig gebrochen und damit der G‘ttgesegnete Kampf des Führers zu völligen Befreiung unseres Volkes gekrönt. In dieser Stunde muss die Stimme des Mannes gehört werden, der als der Deutschen Prophet im 16. Jahrhundert einst als Freund der Juden begann, der getrieben von seinem Gewissen, getrieben von den Erfahrungen und der Wirklichkeit, der grösste Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volkes wider die Juden.“12
Julius Streicher, Herausgeber der berüchtigten antisemitischen Wochenschrift „Der Stürmer“, versuchte sich beim Nürnberger Prozess damit zu rechtfertigten, dass an seiner Stelle auch Martin Luther vor dem Tribunal hätte stehen können: „Dr. Martin Luther sässe sicher heute an meiner Stelle auf der Anklagebank.“13
Im katholischen Österreich waren die dem Nationalsozialismus Zugeneigten mehrheitlich Katholiken, die Protestanten lediglich eine verschwindende Minderheit, allerdings war deren Hinwendung zur „Bewegung“ durch die Gestalt ihres Reformators zusätzlich religiös motiviert.
Die kleine evangelisch-lutherische Kirche in der österreichischen Diaspora unterhielt traditionell enge Beziehungen zur „Mutterkirche“ im Deutschland. Daraus resultierte eine deutschnationale Einstellung vieler Exponenten der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich. Hinzu kamen Benachteiligungen der Protestanten durch den katholischen Ständestaat. Dies alles verstärkte die Hinneigung zum Nationalsozialismus und nährte falsche Hoffnungen auf „eine deutsche Kirche in einem deutschen Staat“. Damit einher ging auch ein durch Berufung auf die Äusserungen des Reformators legitimierter Antisemitismus.
Schier unverständlich erscheint uns heute die Anhänglichkeit, ja Unterwürfigkeit evangelischer Intellektueller gegenüber dem „Führer“ und deren Einstellung zum Judentum. In einer um 1936 von „Mitgliedern der Akademikerschaft im Evangelischen Bund“ verfassten Denkschrift hiess es unter anderem: „Eine Religionsform, die derart ist, dass der Führer sich nicht zu ihr bekennen könnte, kann für das deutsche Volk nicht in Frage kommen, nichts bedeuten.“ oder „Christus war rassemässig möglicherweise Jude, aber in seinem Wesen unjüdisch. Die rassemässig führenden Juden hassten ihn tödlich.“14
Der „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland versetzte in den Märztagen des Jahres 1938 nicht wenige Protestanten in eine Jubelstimmung. Nach der „Heimkehr der Ostmark ins Reich“ predigten viele Pfarrer über das Psalmwort „Der Herr hat Grosses an uns getan, des sind wir fröhlich“ (Ps 126,3). Von einigen geistlichen Würdenträgern, sind noch unseligere Sager überliefert wie etwa: „Ich glaube an Jesus Christus, meinen Heiland und an Adolf Hitler, meinen Erlöser.“15
Viele Exponenten der evangelischen Kirche in Österreich ignorierten das religionsfeindliche Wesen des Nationalsozialismus. So folgte – nachdem sich der erste Taumel gelegt hatte – bei manchen flammenden NS-Sympathisanten schon bald die Ernüchterung, doch da war es bereits zu spät.16 Die Ernüchterung bezog sich aber primär auf die wider Erwarten eingeschränkte Rolle der Kirche und ihrer Amtsträger. Vom Antisemitismus war man noch lange nicht geheilt. Bei manchen wirkte dieser unchristliche Ungeist noch Jahrzehnte über den Zusammenbruch des NS-Regimes hinaus.
Kritische Auseinandersetzung mit dem Reformator und Versöhnung mit dem Judentum
Andererseits begann bereits in den ersten Nachkriegsjahren das Umdenken der Evangelischen Kirchen und der Christlich-Jüdische Dialog. Bei der Synode 1950 in Berlin-Weissensee distanzierte sich die Evangelische Kirche in Deutschland mit ihrer Erklärung zur „Schuld an Israel“ von der „Verwerfung“ und „Verfluchung“ des Volkes Israel. Sie bekannte dabei erstmals – wenn auch noch etwas halbherzig – ihre Mitschuld am Holocaust und verpflichtete alle Christen zum Widerstand gegen jede Art von Antisemitismus.17
Der Judenhass des Reformators bildete lange Zeit ein Hemmnis für einen jüdisch-christlichen Dialog. Inzwischen werden Luthers unglückselige Tiraden in den protestantischen Kirchen Deutschlands und Österreichs sowie im Dialog mit dem Judentum und der medialen Öffentlichkeit aufgearbeitet und kritisch reflektiert.
Diese kritische Auseinandersetzung der Protestanten verdichtete sich im Vorfeld des Jubiläums 500 Jahre Reformation 2017 in einer Fülle von öffentlichen Statements, wissenschaftlichen Vorträgen, Fachpublikationen und Zeitungsartikeln (siehe auch unten: Neueste Publikationen).
In einer Kundgebung am 11. November 2015 in Bremen distanzierte sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland nochmals und nachdrücklich von den judenfeindlichen Aussagen Luthers und anderer Reformatoren.18 Entsprechend auch die Evangelische Kirche in Österreich:
„In ihrer Kirchenverfassung bekennen die evangelischen Kirchen A. und H.B. in Österreich „die bleibende Erwählung Israels als G‘ttes Volk und wissen sich durch ihren Herrn Jesus Christus hineingenommen in die Heilsgeschichte G‘ttes.» Heute wissen sie sich „verpflichtet, Lehre, Predigt, Unterricht, Liturgie und Praxis der Kirche auf Antisemitismen zu überprüfen und auch über ihre Medien Vorurteilen entgegenzutreten.“ So erklärte die Generalsynode A. und H.B. 1998: „Uns evangelische Christen belasten in diesem Zusammenhang die Spätschriften Luthers und ihre Forderung nach Vertreibung und Verfolgung der Juden. Wir verwerfen den Inhalt dieser Schriften.“19
Ein zentrales Dokument der Versöhnung ist die Denkschrift „Die Reformation und die Juden. Eine Orientierung“, die im Auftrag des wissenschaftlichen Beirates für das Reformationsjubiläum 2017 von namhaften Theologen deutscher Universitäten erstellt wurde. Darin heisst es unter anderem:
„Die Tatsache, dass Martin Luther im Dritten Reich für den nationalsozialistischen Antisemitismus in Anspruch genommen wurde, macht seine antijüdischen Aussagen zu einer mit seinem Namen auf unabsehbare Zeit verbundenen Hypothek. Sie sind, auch wenn das Jubiläum von 2017 der Reformation als ganzer gilt, wegen der überragenden Bedeutung, die Luther als Auslöser und Vordenker der Reformation gehabt hat, aus dem Gedenken an die Reformation nicht auszuklammern.“20 Und ebenda an anderer Stelle:
„Die englischsprachige „Encyclopedia Judaica“ stellte vor hundert Jahren fest, aufgrund der divergierenden Aussagen, die Luther zum Umgang mit den Juden vorgebracht habe, hätten sich Judenfeinde wie Judenfreunde auf ihn berufen. Der Satz wurde vor dem millionenfachen Mord an den Juden geschrieben, als Judenfeindschaft ganz neue Dimensionen annahm. Dieses Verbrechen lässt sich nicht auf Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ zurückführen, deren Ziel die Vertreibung der Juden, nicht der Massenmord, und deren Argumentation nicht rassepolitisch, sondern religiös motiviert war. Darum ging die Berufung von Nationalsozialisten und Deutschen Christen auf diese Schrift an ihr vorbei. Andererseits aber liess sie sich der nationalsozialistischen Propaganda dienstbar machen, weil auch sie die Juden dämonisiert und gefordert hatte mit staatlicher Gewalt ein Land ohne Juden zu schaffen. Ein Reformationsjubiläum, das die ganze Breite der Erbschaft bedenkt, kann diese Hypothek nicht verschweigen.“21
Eine zentrale Publikation ist auch die Monografie „Luthers Juden“ von Thomas Kaufmann (2014), ebenso die Neuausgabe der Hetzschrift „Von den Juden und ihren Lügen“, neu bearbeitet und aus judaistischer Perspektive kommentiert herausgegeben von Matthias Morgenstern (2016).22 Im selben Jahr ist auch eine Ausgabe der Hetzschrift in heutigem Deutsch erschienen.23 Erwähnenswert ist zudem die online-Zeitschrift „Der Theologe“, in der Luthers Pamphlet kritisch diskutiert wird.24
Im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 wurde eine Wanderausstellung auf den Weg gebracht, die sich mit dieser dunklen Seite des Reformators und dessen Einflusses auf die Protestanten auseinandersetzt. Die Ausstellung trägt den Titel: „Drum immer weg mit ihnen!“ Luthers Sündenfall gegenüber den Juden“ und ist seit 2013 in den evangelischen Kirchen Deutschlands und Österreichs zu sehen. Sie zeigt Luthers ambivalente, intolerante, aggressive Haltung gegenüber dem Judentum seiner Zeit. Es werden die Vorgeschichte und die Rezeption des lutherschen Antijudaismus im Dritten Reich aufgezeigt sowie die Frage nach den Konsequenzen für die Gegenwart gestellt.25
Wie einst Dr. Martin Luther, begreifen die meisten evangelischen Christen das Volk Israel als unverzichtbaren Teil des göttlichen Heilsplanes, doch anders als ihr Reformator pflegen sie heute einen brüderlichen Umgang mit ihren jüdischen Zeitgenossen.
Neueste Publikationen (Auswahl):
Kristina Schönberger: Luthers Antijudaismus – dargestellt
an seiner Schrift „Von den Juden und ihren
Lügen“. Masterarbeit an der Katholisch-Theologische
Fakultät der Universität Wien. Begutachter:
Wolfgang Treitler. Wien: 2016.
Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen.
Neu bearbeitet und kommentiert von Matthias Morgenstern.
Mit einem Geleitwort von Heinrich Bedford-
Strohm, Ratsvorsitzender der EKD. Wiesbaden:
Berlin University Press 2016.
Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen.
Erstmals in heutigem Deutsch mit Originaltext und
Begriffserklärungen. Bearb. und hrsg. von Karl-
Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier, Reinhold
Schlotz und Robert Zwilling. Aschaffenburg: Alibri
Verlag 2016.
Martin Luther und die Juden. Der Kopf der evangelischen
Kirche als „der grösste Antisemit seiner
Zeit“. In: online-Zeitschrift „Der Theologe“ Nr. 28 in
der Fassung vom 20.4.2017.
(http://www.theologe.de/martin_luther_juden.htm#
Auszuege)
Uwe Sauerwein: Trägt Martin Luther eine Mitschuld
am Völkermord? In: Die Welt vom 28.10.2016.
(https://www.welt.de/sonderthemen/luther-2017/
article159060014/Traegt-Martin-Luther-eine-Mitschuld-
am-Voelkermord.html)
Diffuse Ängste oder blinder Hass? – Luther und die
Juden (http://michabrumlik.de/tag/luther/)
Bernd Buchner: Martin Luther und die Juden – Fragen
und Antworten
(https://www.luther2017.de/wiki/martin-luther-unddie-
juden/martin-luther-und-die-juden-fragen-undantworten/)
Bernd Buchner: Schwieriges Erbe – Die evangelische
Kirche und Luthers Judenhass. (https://
www.luther2017.de/wiki/martin-luther-und-diejuden/
schwieriges-erbe-die-evangelische-kirche-
und-luthers-judenhass/)
EKD-Synode distanziert sich von Luthers Judenfeindschaft.
(https://www.luther2017.de/wiki/martinluther-
und-di e-juden/ekd-synode-distanziert-
sich-von-luthers-judenfeindschaft/)
Distanzierung von Luthers „Judenschriften“.
(https://www.luther2017.de/wiki/martin-luther-unddie-
juden/distanzierung-von-luthers-judenschriften/)
Schatten der Rechtfertigungslehre – Kirchenhistoriker
Kaufmann nennt Antisemitismus „genuines
Luthererbe“.
(https://www.luther2017.de/wiki/martin-luther-unddie-
juden/schatten-der-rechtfertigungslehre-kirchenhistoriker-
kaufmann-nennt-antisemitismus-genuines-
luthererbe/)
Luther ist „furchtbarer Zeuge“ für Judenfeindschaft.
Reformationsbotschafterin [Margot Kässmann] unterstreicht
Versagen der Kirche im Angesicht des
Holocaust.
(https://www.luther2017.de/wiki/martin-luther-unddie-
juden/kaessmann-luther-ist-furchtbarer-zeuge-
fuer-judenfeindschaft/)
Bernd Buchner: Kirchenhistoriker: Luther konnte sich
Judenmord nicht vorstellen.
(https://www.luther2017.de/wiki/martin-luther-unddie-
juden/kirchenhistoriker-luther-konnte-sich-judenmord-
nicht-vorstellen/)
Dorothea Wendebourg, Ingolf Dalferth, Thomas
Kaufmann: Die Reformation und die Juden. Eine
Orientierung. Erstellt im Auftrag des wissenschaftlichen
Beirates für das Reformationsjubiläum 2017.
(lutherdekade_reformation_und_die_juden.pdf)
Thomas Kaufmann: Luthers Juden. Stuttgart:
Reclam 2014.
Thomas Kaufmann: Luther und die Juden. Vortrag.
Gehalten in Hamburg am 20. November 2013. (https://
www.luther2017.de/fileadmin/luther2017/material/
Reden__Predigten_und_Diskussionsbeitraege/
Vortrag_
1 Dies ist zugleich der Titel einer Ausstellung, die anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums der Reformation (1517-2017) vom Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit organisiert wurde. (http://www.luther.imdialog.org/)
2 Zur Luthers aggressivem Antijudaismus siehe auch den Beitrag „Martin Luthers Sicht auf das Judentum“ von Kristina Schönberger in diesem Heft.
3 „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ (Röm 3, 28)
4 „Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren, so lange, bis die Fülle der Heiden eingegangen sei. Und also das ganze Volk Israel selig werde, wie geschrieben steht: Es wird kommen aus Zion, der da erlöse und abwende das G‘ttlose Wesen von Jakob. [...] Denn G‘tt hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf dass er sich aller erbarme.“ (Röm 11, 25-32)
5 Martin Luthers „Dokument der Schande“ Eine kommentierte Übertragung der Schrift von 1543 aus der Sicht des Judaisten Matthias Morgenstern. In: blickpunkt.e. Materialien zu Christentum, Judentum, Israel und Nahost. Nr. 4 / 2016, S. 20-24. (http://www.imdialog.org/bp2016/04/inhalt.html)
6 Vgl. etwa die zu Luthers 400. Todestag erschienene Broschüre: Luther lebt! Im Namen der evang. Pfarrgemeinschaft Wiens verfasst, bebildert u. beschriftet v. Herta Knöll, Wilhelm Kühnert u. Erwin Schreiber. Hrsg. vom Evang. Pressverband für Österreich. Wien: Müller 1946, S. 6f. u. 13.
7 Thomas Kaufmann: Luthers Juden. Stuttgart: Reclam 2014, zit. nach Carsten Dippel: Luthers radikaler Judenhass. In: Deutschlandfunk vom 22.12.2014 (http://www.deutschlandfunk.de/kritische-analyse-luthers-radikaler-judenhass.886.de.html?dram%3Aarticle_id=306925)
8 Uwe Sauerwein: Trägt Martin Luther eine Mitschuld am Völkermord? In: Die Welt vom 28.10.2016; Diffuse Ängste oder blinder Hass? – Luther und die Juden. (http://michabrumlik.de/tag/luther/)
9 Thomas Kaufmann: Luther und die Juden. Vortrag. Hamburg am 20.11.2013. (https://www.luther2017.de/fileadmin/luther2017/material/Reden__Predigten_und_Diskussionsbeitraege/Vortrag_Kaufmann_Thomas_luther_und_die_juden.pdf)
10 Jochen Teuffel: Der „Deutsche Luthertag“ 1933 und die „Schreckenskammer der Luther-Jubiläen“. (https://jochenteuffel.wordpress.com/2017/01/27/der-deutsche-luthertag-1933-und-die-schreckenskammer-der-luther-jubilaeen/)
11 Martin Sasse (Hrsg.): Martin Luther über die Juden. Weg mit ihnen! Freiburg im Breisgau: Sturmhut-Verlag 1938.
12 Der evangelisch-lutherische Landesbischof Martin Sasse aus Eisenach im Vorwort zu seiner Schrift „Martin Luther und die Juden – Weg mit ihnen!“. Freiburg: 1938, zit. nach Der Theologe Nr. 28 (1917).
13 Luther ist „furchtbarer Zeuge“ für Judenfeindschaft. Reformationsbotschafterin [Margot Kässmann] unterstreicht Versagen der Kirche im Angesicht des Holocaust. (https://www.luther2017.de/de/wiki/martin-luther-und-die-juden/kaessmann-luther-ist-furchtbarer-zeuge-fuer-judenfeindschaft/)
14 Quellentexte zur österreichischen evangelischen Kirchengeschichte zwischen 1918 und 1945. Zusammengestellt und herausgegeben von Gustav Reingrabner und Karl Schwarz. Wien: 1989, Nr. 63, S. 195ff.
15 Mündliche Mitteilung von Pfarrer Mag. Kurt Tepperberg (1907-1992) an den Autor.
16 Gustav Reingrabner: Protestanten in Österreich. Geschichte und Dokumentation. Wien-Köln-Graz: Böhlau Verlag 1981, S. 270ff.
17 Kirchen und Judentum nach 1945. (https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchen_und_Judentum_nach_1945)
18 EKD-Synode distanziert sich von Luthers Judenfeindschaft.
(https://www.luther2017.de/wiki/martin-luther-und-die-juden/ekd-synode-distanziert-sich-von-luthers-judenfeindschaft/)
19 „Drum immer weg mit ihnen!“ Luthers Sündenfall gegenüber den Juden. Eine Ausstellung für Kirchengemeinden mit 12 Rollups, organisiert vom Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit (2014).
(http://www.christenundjuden.org/index.php/aktivitaeten/ausstellung/572-austellung)
20 Die Reformation und die Juden. Eine Orientierung. Erstellt im Auftrag des wissenschaftlichen Beirates für das Reformationsjubiläum 2017. (lutherdekade_reformation_und_die_juden.pdf)
21 Die Reformation und die Juden. Eine Orientierung. Erstellt im Auftrag des wissenschaftlichen Beirates für das Reformationsjubiläum 2017, Punkt 25. (lutherdekade_reformation_und_die_juden.pdf)
22 Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen. Neu bearbeitet und kommentiert von Matthias Morgenstern. Mit einem Geleitwort von Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD. Wiesbaden: Berlin University Press 2016.
23 Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen. Erstmals in heutigem Deutsch mit Originaltext und Begriffserklärungen. Bearb. und hrsg. von Karl-Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier, Reinhold Schlotz und Robert Zwilling. Aschaffenburg: Alibri Verlag 2016.
24 Martin Luther und die Juden. Der Kopf der evangelischen Kirche als „der grösste Antisemit seiner Zeit“. In: online-Zeitschrift „Der Theologe“ Nr. 28 in der Fassung vom 20.4.2017.
25 “Drum immer weg mit ihnen!” Luthers Sündenfall gegenüber den Juden. (http://www.ausstellungen.imdialog.org/); zu Luthers Antijudaismus aus heutiger jüdisch-theologischer Sicht vgl. neuerdings Miriam Magall: „O, Deutschland! Deine Dichter und Denker! Wie deutsche Schriftsteller, Politiker und Kirchen Juden und Israel heute sehen. Lich/Hessen: Verlag Edition AV 2017, S. 24-25 u. 161-165.