Tina Walzer
Dine Petrik: Stahlrosen zur Nacht. Strophen eines Romans. Hg. v. Richard Pils.
Wien: Verlag Bibliothek der Provinz 2018.
161 Seiten, keine Abbildungen, Euro 18,00
ISBN: 978-3-99028-733-0
Mit ihrem Roman legt Dine Petrik eine beklemmende Bestandsaufnahme der burgenländischen Befindlichkeiten, wenn es um die Auseinandersetzung mit einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte der Region geht, vor. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurden an mehreren Orten massenweise ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter erschossen. Ihre Gräber konnten bis heute nicht gefunden werden. Jahrzehntelang hüllte sich ein ganzer Ort, Rechnitz, in Schweigen. Erst in den vergangenen Jahren entstand ein eindrucksvolles Mahnmal beim Kreuzstadel, einem der Schauplätze der Massaker, für das der Initiative um Paul Gulda nicht genug gedankt werden kann. Heute informieren auch Tafeln mit Texten und Fotos auf einem Weg der Erinnerung durch das jüdische Rechnitz über die einstige, zwischen 1938 und 1945 enteignete, vertriebene und ermordete jüdische Bevölkerung. Der Bürgermeister persönlich öffnet den jüdischen Friedhof für Besucher und erklärt die heutige, aufgeschlossene Einstellung der Ortsgemeinde.
Wer in einer kleinen burgenländischen Dorfgemeinschaft während des Zweiten Weltkriegs und nach 1945 aufgewachsen ist, hatte, wenn man dem Roman und seinen alptraumhaften Szenen folgt, gar keine andere Wahl, als sich unter anderem mit dem Schicksal jener Menschen, die auf sogenannten Todesmärschen auch durch diesen Ort kamen, auseinanderzusetzen, und sei es auch nur mit jenem verstörenden Schweigen, das die Gräueltaten beharrlich umgab. Die Verbrechen an den Juden waren keine Einzeltaten, ebenso wenig wie die massenweise Vergewaltigung der Frauen in den Ortschaften durch russische Soldaten im Gefolge des Kriegs. Die Frauen, bereits traumatisiert durch Missbrauchs-Erfahrungen in ihren eigenen Familien, waren der männlichen Gewalt wieder und wieder ausgesetzt, zur selben Zeit auch noch trauernd um ihre im Krieg gefallenen Angehörigen.
Das Hoffen auf die Rückkehr des verschollenen Vaters wird gebrochen durch die Einsicht, dass dieser ein bekennender Nationalsozialist war. Dann schält sich ein Zusammenhang zwischen dem Vater und der Serbenhalle (diese ist auf dem Buchcover abgebildet) im Wiener Neustädter Aussenlager des KZ Mauthausen heraus, wo der Vater bei der SS eingesetzt war. Er kommt nicht zurück. Die überlebenden Angehörigen finden sich gefangen in diffusen Schuldgefühlen.
Der psychische Druck, unter dem mindestens zwei Generationen standen und stehen, die in der Kriegszeit Erwachsenen sowie die damaligen Kinder, kommt in Dine Petriks kaskadenartigen Wort-Clustern und eindringlichen inneren Monologen beklemmend zum Ausdruck. Die Erinnerungsfetzen mäandern um den verschollenen Vater, die missbrauchenden Männer, Angst, Bedrücktheit und Verlassensein. Dine Petrik gelingt es in ihrem hypnotischen, romanartigen Gedicht auf eindrucksvolle Weise, die überlebenden Frauen in ihrem Nachkriegsalltag überzeugend zu spiegeln.