Italiens südöstliche Region Apulien und ihr südlichster Teil, die Halbinsel Salento, fungierten einst als kulturell fruchtbare und wirtschaftlich wichtige Brücke zwischen Orient und Okzident. Dazu trugen die dortigen jüdischen Gemeinden wesentlich bei.
Blick durch die engen Gassen der Altstadt zur Sinagoga Grande in Trani.
Die einstigen jüdischen Gemeinden Apuliens reichten bis in die Zeit nach der Zerstörung des Zweiten Tempels zurück. Ihre Einflüsse zeigen sich nicht nur in der kulturellen Entwicklung Italiens, sondern auch jener des italienischen wie europäischen Judentums. Dies wird in den Chroniken „Sefer Yosefon“ (10. Jh.) und Ahima’atz ben Paltièls „Sefer Yuhasin“ (1054) dargelegt. Im Mittelalter siedelten sich jüdische Händler, Handwerker und Gelehrte unterschiedlicher Herkunft in Apulien an. Juden aus der Provence brachten angeblich die Orecchiette dorthin, das beliebte, traditionelle Nudelgericht der Region. In der Beschreibung seiner Fahrt von Spanien nach Griechenland und in den Nahen Osten, dem „Sefer ha-Massa’ot“, nennt Binyamìn ben Jonah da Tudela (1130–1173) für die Gemeinden in Trani, Ascoli Satriano, Taranto, Brindisi und Otranto die jeweilige Anzahl der Gemeindemitglieder und die Namen wichtiger jüdischer Gelehrter dort.
Einstige Synagoge in Trani, umgewandelt zur Kirche San Leonardo. Aus Quellen aus dem 15. Jahrhundert geht hervor, dass die heute christlichen G‘tteshäuser Chiesa di San Leonardo und di San Pietro Martire im jüdischen Viertel in Trani einst Synagogen waren.
Binyamìn sah Otranto als drittgrösste jüdische Gemeinde Italiens nach Palermo und Salerno. Noch im 14. Jahrhundert wird Otranto als Ort beschrieben, an dem Christen und Juden friedlich nebeneinander lebten. Otranto galt als anerkannte Stätte für Talmud-Studien; die „Scuola di Otranto“ war ein Skriptorium für die Anfertigung von Handschriften. Trotz Vertreibungen kamen Juden immer wieder nach Apulien zurück. Dies änderte sich im 16. Jahrhundert nachhaltig.
Vorderansicht der Sinagoga Grande in Trani.
Eingang zum Sinagoga Museo Sant‘ Anna in der Sinagoga Grande in Trani.
Einstige Synagoge in Trani, umgewandelt zur Kirche San Pietro Martire.
Alle Abbildungen: S. Mayr, mit freundlicher Genehmigung.