Im September wird des 50. Jahrestags des Attentats bei den Olympischen Spielen von 1972 in München gedacht. Damals nahmen palästinensische Terroristen israelische Sportler als Geiseln, um Gefangene in Israel und Deutschland freizupressen. Elf Athleten, ein Polizist und fünf Terroristen kamen ums Leben.
Die Gräber der Opfer André Spitzer, Mark Slavin, Eliezer Halfin, Kehat Schorr und Amitzur Schapira (von links nach rechts) auf dem Friedhof von Kiryat Schaul in Tel Aviv. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4d/Five_victims_of_the_Munich_massacre.JPG ; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
Am Morgen des 5. September 1972 überfielen acht bewaffnete palästinensische Mitglieder der Terrorgruppe Schwarzer September ein Wohnquartier des israelischen Teams im olympischen Dorf, wo sie elf Geiseln nahmen: David Mark Berger (Gewichtheber), Ze’ev Friedman (Gewichtheber), Yossef Gutfreund (Ringer-Kampfrichter), Eliezer Halfin (Ringer), Yossef Romano (Gewichtheber), Amitzur Schapira (Leichtathletik-Trainer), Kehat Schorr (Schützen-Trainer), Mark Slavin (Ringer), André Spitzer (Fecht-Trainer), Yakov Springer (Gewichtheber-Kampfrichter) und Mosche Weinberg (Ringer-Trainer). Gleich zu Beginn des Angriffs wurde Yossef Romano erschossen; Mosche Weinberg, der angeschossen wurde, erlag kurz darauf seinen Verletzungen. Die übrigen neun Mannschaftmitglieder wurden als Geiseln genommen. Die Terroristen verlangten zunächst die Freilassung von 232 Palästinensern aus israelischer Haft, danach auch die Enthaftung des japanischen Terroristen Közö Okamoto sowie der RAF-Mitglieder Ulrike Meinhof und Andreas Baader aus dem Gefängnis.
Zu Beginn der Geiselnahme wurden die Spiele zunächst (und erst nach Protesten zahlreicher TeilnehmerInnen und BesucherInnen) für einen halben Tag unterbrochen. Nach einer Gedenkstunde im Olympiastadion liess IOC-Präsident Avery Brundage sie fortsetzen: „The games must go on/Die Spiele müssen weitergehen“. Die israelische Regierung unter Golda Meir lehnte die Forderungen der Geiselnehmer ab, und Versuche deutscher Politiker, sich als Austauschgeiseln anzubieten, wurden von den Terroristen abgelehnt. In der Nacht vom 5. auf den 6. September unternahm die bayerische Polizei auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck eine schlecht geplante Befreiungsaktion, bei der alle Geiseln sowie der deutsche Polizist Anton Fliegerbauer ums Leben kamen. Die Leichen der fünf im Feuergefecht von Fürstenfeldbruck getöteten Geiselnehmer wurden nach Libyen überführt. Die drei überlebenden Terroristen wurden schon wenige Wochen nach ihrer Tat mit einer Flugzeugentführung freigepresst. Die israelische Regierung bildete die Mossad- Sondereinheit Caesarea, die in den folgenden Jahren rund zwanzig Palästinenser, die direkt oder indirekt am Anschlag beteiligt waren, tötete. Allerdings kam es auch zu Verwechslungen, bei denen Unschuldige ihr Leben verloren.1
Am 7. Juli 2022 appellierte Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in einem Brief an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, sich für eine grosszügige Entschädigung von Seiten der Bundesrepublik Deutschland an die Familien und Angehörigen der israelischen Ermordeten einzusetzen:
„Es sei unumstritten, ‚dass der damalige polizeiliche Einsatz zur Befreiung der israelischen Geiseln aus den Händen des palästinensischen Terrorkommandos dilettantisch und unprofessionell vorbereitet und durchgeführt wurde‘. Der 50. Jahrestag des Olympia-Attentats müsse nun als Anlass genutzt werden, die erlittenen Verluste der Angehörigen der Opfer und ihre Bemühungen um Anerkennung und Aufklärung ‚endlich durch eine angemessene Entschädigungsregelung zu würdigen und die Opfer des Attentats für die Versäumnisse um Entschuldigung zu bitten (…).‘“2
Im Jahr 2017 interviewte der Journalist Tim Assmann Ankie Spitzer, André Spitzers Witwe, über den Moment, als sie 1972 das Zimmer der Opfer in München betrat:
„Ich sah mich um und […] sich vorzustellen, dass Menschen sich so etwas antun können: Der Raum war ein einziges Chaos. Blut überall. Einschusslöcher. Teile der Wand waren herunter gekommen. Essen lag herum. Man hatte ihnen nicht erlaubt, auf die Toilette zu gehen. Ein einziges Desaster. Ich stand da und sagte mir: Darüber wirst Du nie schweigen. Die Leute müssen erfahren, was Menschen sich antun können. Wenn ich gesagt hätte, okay, ich gehe nach Hause und das war es, hätte ich damit nicht leben können.“3
Anmerkungen
1 https://www.spiegel.de/geschichte/israelisches-toetungskommando-caesarea-a-951203.htm
2 https://www.spiegel.de/geschichte/olympia-attentat-1972-deutsch-israelische-gesellschaft-fordert-angemessene-entschaedigung-a-3f20bb7b-299e-4705-a7da-54447913eb22
3 https://www.deutschlandfunk.de/olympia-attentat-vor-45-jahren-eine-geschichte-des-versagens-100.html