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In memoriam Ruth Lapide s.A. (1929–2022)

Monika Kaczek

Am  30. August verstarb Ruth Lapide in Frankfurt am Main. Neben ihrer Tätigkeit als Religionswissenschaftlerin und Historikerin war sie auch für ihre Verdienste um den christlich-jüdischen Dialog bekannt.

Inhalt

Ruth Lapide wurde als Ruth Rosenblatt im Juni 1929 in Burghaslach (Mittelfranken) als Tochter einer Rabbinerfamilie geboren. Ihr Vater, der kein praktizierender Rabbiner war, engagierte sich in der jüdischen Gemeinde und war zeitweise auch Bürgermeister des Ortes. Ab 1933 durfte Ruth Lapide weder den Kindergarten noch die Volksschule besuchen und ihr Vater erhielt Berufsverbot. Die Familie, die sich teilweise im Wald versteckte, konnte 1938 nach Palästina emigrieren, wo Ruth Lapide mit Hilfe der Jugend-Alija in einem Kinderheim in Haifa untergebracht wurde. Nach dem Schulabschluss absolvierte sie eine Lehre als Bankkauffrau und begann Englisch, Aramäisch, Griechisch und Latein zu lernen.

Nach der Gründung des Staates Israel studierte Ruth Lapide an der Hebräischen Universität Jerusalem Politikwissenschaft, jüdische Geschichte und Judaistik. Einen Schwerpunkt bildete die Entstehung des Christentums sowie das Alte und Neue Testament.

Anfang der 1950er Jahre lernte sie den Diplomaten und Leiter des Presseamts der israelischen Regierung Pinchas Lapide kennen. Sie heirateten und im August 1961 kam ihr Sohn Yuval zur Welt. Das Ehepaar Lapide erhielt weltweit zahlreiche Lehraufträge und 1974 beschlossen beide, nach Frankfurt am Main zu ziehen. Gemeinsam mit ihrem Mann verfasste Ruth Lapide mehr als 40 Bücher, darunter Kennen Sie Adam, den Schwächling? (2003), Was glaubte Jesus? / Komm, Herr Messias! (gemeinsam mit Henning Röhl, 2006) und Liebe, Lust und Leidenschaft. Familiendramen in der Bibel (gemeinsam mit Walter Flemmer, 2011). Das Ehepaar Lapide engagierte sich auch in der Annäherung der drei abrahamitischen Religionen sowie im christlich-jüdischen Dialog, wo ihnen unter anderem eine notwendige Korrektur von Fehlübersetzungen in der Bibel am Herzen lag.

 

„Ein Beispiel nur, wie Ruth Lapide mit Kritik an in ihren Augen fehlerhaften Übersetzungen der biblischen Schriften nicht sparte: die Vaterunserbitte ‚Und führe uns nicht in Versuchung‘. Korrekt müsse es heissen: ‚Lass uns der Versuchung nicht erliegen‘ oder ‚Führe uns in der Versuchung‘. Mit solchen Eingriffen suchte die jüdische Theologin und Historikerin eine Verständigung zwischen Judentum und Christentum zu fördern, als ein Projekt der Textarbeit statt abstrakter Appelle.“

 

Nach dem Tod ihres Mannes setzten Ruth und Yuval Lapide sein Werk fort. Seit 2007 war Ruth Lapide als Lehrbeauftragte Professorin honoris causa an der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg tätig. Ruth Lapide starb am 30. August im Alter von 93 Jahren.

 

In einem Nachruf im Bibel TV, wo Ruth Lapide tätig war, heisst es: „Viele Menschen haben vom grossen Wissens-Schatz der jüdischen Religionswissenschaftlerin und Historikerin profitiert. (…).. Nicht nur als Autorin und im Fernsehen, vor allem als Lehrbeauftragte hat Ruth Lapide ihr Wissen über viele Jahre hinweg an unzählige Menschen weitergegeben. Für ihr Engagement hat die Historikerin viel Anerkennung erhalten. Im Jahr 2000 bekam Lapide, die in Frankfurt am Main lebte, das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Drei Jahre später wurde sie mit dem Hessischen Verdienstorden am Bande geehrt. 2008 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der evangelischen Augustana-Hochschule Neuendettelsau überreicht. 2012 verlieh ihr das Land Hessen den Ehrentitel ‚Professorin‘ und 2015 erhielt sie die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt. Alle Auszeichnungen sind ein Ausdruck ihres unermüdlichen Einsatzes für das Ziel, dem sie ihr Leben lang treu blieb: der Versöhnung von Christen und Juden.“