Uri Orlev bei der Hebrew Book Week 2013 in Jerusalem . Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/81/UriOrlev7856.JPG, creative commons https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
In seinem bekanntesten Roman Lauf, Junge, lauf (hebr. Raz jeled raz) beschreibt der Kinderbuchautor Uri Orlev die Geschichte eines jüdischen Burschen während des Zweiten Weltkriegs. Uri Orlev, der selbst Überlebender der Shoah war, starb am 26. Juli 2022 in Jerusalem.
Uri Orlev wurde am 24. Februar 1931 als Jerzy „Jurek“ Henryk Orłowski in Warschau als Sohn einer Chemikerin und eines Arztes geboren. Sein Vater geriet als Offizier der polnischen Armee in sowjetische Gefangenschaft. Gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder Kazik wurde Uri Orlev ins Ghetto gesperrt. Nach dem Tod der Mutter, die von deutschen Soldaten erschossen wurde, kümmerte sich ihre Tante Stefa um die zwei Kinder. Im Februar 1943 konnten die beiden aus dem Warschauer Ghetto in den polnischen Teil der Stadt geschmuggelt werden. Während des Ghetto-Aufstands (1943) wurden die Brüder in ein kleines Haus am Land gebracht, wo sie viele Wochen in einem dunklen Keller ausharren mussten. Dennoch wurden die Buben entdeckt und im Sommer erfolgte die Deportation ins Konzentrationslager Bergen-Belsen.1 Nach der Befreiung durch die britische Armee konnten die Waisen über eine Kinderhilfsorganisation zunächst nach Paris und im Frühherbst 1945 ins britische Mandatsgebiet Palästina ausreisen.
Rund zwanzig Jahre lang lebte Uri Orlev im Kibbuz Ginegar im Norden Israels. Ab 1976 verfasste er Werke für Kinder und Jugendliche; seine einunddreissig Bücher wurden in fünfundzwanzig Sprachen übersetzt. Die Handlungen spielen meistens in der Zeit des Nationalsozialismus, wie zum Beispiel Lauf, Junge, lauf (hebr. Raz jeled raz), wo ein Bub namens Jurek aus dem Warschauer Ghetto fliehen und bis Kriegsende überleben kann.2 Weitere wichtige Werke sind Der Mann von der anderen Seite (hebr. Ha isch min ha-zad ha-acher, 1990), Das Tier in der Nacht (hebr. Chajat ha-choschech, 1993) und Lydia, Königin von Palästina (hebr. Lydia malkat erez Israel, 1994). Darüber hinaus übersetzte Uri Orlev Bücher aus dem Polnischen ins Hebräische, wie zum Beispiel Werke von Janusz Korczak und Stanisław Lem. Für sein Gesamtwerk erhielt Uri Orlev 1996 den Hans-Christian-Andersen-Preis. In den Jahren 1985, 1992 und 1996 wurde er mit dem Mildred L. Batchwalder Award ausgezeichnet. Lesereisen führten ihn auch nach Deutschland, wo er 2002 Gast des 1. Internationalen Literaturfestivals Berlins war.
In einem Interview, das Anna Stocker und Daniel Rozenga für Yad Vashem führten, betonte Uri Orlev den Einfluss der Vergangenheit:
„Jeder Künstler, ob Schriftsteller, Dichter, Maler oder Komponist bedient sich seiner Kindheit, um sich künstlerisch auszudrücken. Denn wenn wir an unser Leben erinnern, ist die Kindheit tief in unserem Gedächtnis eingeschrieben. Es sind die ersten und intensivsten Erinnerungen an unsere ersten Erfahrungen. Und wir sind uns ihrer nicht immer bewusst. Darum gibt es auch Künstler, die überhaupt nicht die Absicht haben, etwas aus ihrer Kindheit zu schaffen. Ich bin ein geborener Geschichtenerzähler. Als Kind habe ich anderen Kindern immer Geschichten erzählt. Manche Geschichten hatte ich vorher gelesen, andere habe ich mir selbst ausgedacht. Als ich nach Palästina bzw. Israel kam, dachte ich, dass ich ein Dichter sei, weil ich als Kind viele polnische Gedichte für Erwachsene gelesen hatte. Mit dreizehn Jahren habe ich in Bergen-Belsen Gedichte auf Hebräisch geschrieben. In dieser Zeit sind ungefähr fünfzehn Gedichte entstanden.“3
Uri Orlev starb am 26. Juli 2022 in Jerusalem.
Anmerkungen
1 https://www.yadvashem.org/education/educational-materials/learning-environment/uri-orlev.html
2 2013 drehte der deutsche Regisseur Pepe Danquart den gleichnamigen Spielfilm als eine deutsch-französische-polnische Koproduktion.
3 https://www.yadvashem.org/de/education/educational-materials/interviews/uri-orlev.html