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Shoah- Namensmauern-Gedenkstätte in Wien Erinnerung an die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich

Monika Kaczek

Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus unterstützt seit Jahren die Bestrebungen, einen Ort des namentlichen Gedenkens an die Opfer der Shoah zu schaffen. Auf Initiative des aus Österreich stammenden Holocaust-Überlebenden Kurt Yakov Tutter und des Vereins zur Errichtung einer Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte konnte im Jahre 2018 mit der Umsetzung dieses wichtigen Erinnerungsprojekts begonnen werden. Den Grossteil der Finanzierung übernimmt die Bundesregierung.

Inhalt

Mit der geplanten Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Frauen, Männer und Kinder aus Österreich wird nun ein sichtbares Zeichen der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus gesetzt. Die Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte soll einen Ort bieten, wo des Schicksals der über 64.000 ermordeten Menschen gedacht werden kann. Dieses Erinnerungsprojekt wird gemeinsam mit der österreichischen Bundesregierung, den Bundesländern, der Stadt Wien und der Oesterreichischen Nationalbank unter Schirmherrschaft des Nationalratspräsidenten umgesetzt werden. Der wesentliche Teil der Finanzierung erfolgte 2018 durch die Bundesregierung, in Folge einer entsprechenden Zusage von Bundekanzler Sebastian Kurz. Zudem haben die Bundesländer sowie die Industriellenvereinigung durch ein Fundraising-Dinner einen Beitrag zur Realisierung des Projekts geleistet. Die gestalterische Planung und Realisierung der Gedenkstätte wird von Wehofer Architekten ZT GmbH durchgeführt, mit der Bauabwicklung wurde die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) beauftragt.

 

Die Gedenkstätte wird auf dem Areal des Ostarrichi-Parks vor der Oesterreichischen Nationalbank entstehen. Der Bereich umfasst eine Gesamtfläche von rund 2.500 Quadratmetern und besteht aus Natursteinmauern mit einer Bogenlänge von rund 187 Meter, in denen die Namen der Shoah-Opfer eingraviert werden. Der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wurde mit der Verwaltung der Finanzen sowie der öffentlichen Subventionen, der Spenden und der Ausgaben betraut. Aufgrund der historischen Bedeutung dieser Gedenkstätte werden die Stadt Wien und der Nationalfonds die gemeinsame Verantwortung für den Erhalt und den laufenden Betrieb der Shoah -Namensmauern-Gedenkstätte übernehmen.

 

 

Initiator Kurt Yakov Tutter

Initiator und Urheber der Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte ist der 1930 in Wien geborene Kurt Yakov Tutter, der 1939 mit seiner Familie nach Belgien flüchtete, wo er gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester Rita mithilfe einer belgischen Familie die Shoah überlebte. Im Mai 2000 gründete Kurt Yakov Tutter eine Initiativgruppe, die das Projekt verwirklichen sollte. In den folgenden Jahren sicherten prominente Österreicherinnen und Österreicher dem Projekt ihre Unterstützung zu. Im Mai 2006 wurde zusammen mit der Initiativgruppe der Verein zur Errichtung einer Namensmauern Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich gegründet. Am 9. November 2018 fand im Ostarrichi-Park im Beisein von Kurt Yakov Tutter ein symbolischer Festakt für die Umsetzung der Gedenkstätte statt, woran auch Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens teilnahmen, unter ihnen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, die damalige Staatssekretärin und nunmehrige Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler sowie die Kulturstadträtin für Wien Veronica Kaup-Hasler.

 

Die Namen der Opfer

Datengrundlage für die Gedenkstätte ist die Shoah-Opfer-Datenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW).1 Nach jahrelangen intensiven Recherchen enthält die Shoah-Opfer-Datenbank des DÖW Daten zu 64.259 Personen (Stand 28. Mai 2020).2 Ergänzend zu den Steinmauern mit den Daten der Opfer wird auf einer Zusatztafel aller weiteren Opfergruppen und Verfolgten des Nationalsozialismus gedacht.

 

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Visualisierung Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte Wien, 20. Juni 2020. Wehofer Architekten ZT GmbH, mit freundlicher Genehmigung des Nationalfonds.

Standort Ostarrichi-Park

Die Gedenkstätte entsteht auf einer Grünfläche vor der Österreichischen Nationalbank. In der näheren Umgebung befinden sich weitere Gedenkorte, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Vor dem Wiener Landesgericht wurde am 21. April 2015 das Denkmal 369 Wochen enthüllt, das an die mehr als 1.200 Opfer der NS-Justiz erinnern soll, die im Landesgericht Wien in der Zeit des NS-Regimes hingerichtet wurden.3 Auf dem Campus der Universität Wien wurde am 20. Oktober 2005 das ehemalige jüdische Bethaus, das 1938 von Nationalsozialisten geschändet und nach dem Krieg bis ins Jahr 2000 als Transformatorstation genutzt worden war, als begehbares Denkmal Marpe Lanefesch („Heilung für die Seele“, hebr.) wiedereröffnet. Seit 2009 wird dort das Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938 aufbewahrt.4

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Visualisierung Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte Wien, Vogelperspektive, 20. Juni 2020 Wehofer Architekten ZT GmbH, mit freundlicher Genehmigung des Nationalfonds.

„Die Nationalsozialisten und ihre zahlreichen Anhänger haben verschiedene Opfergruppen unerbittlich verfolgt und viele Menschen grausam ermordet. Sie wurden aus politischen Gründen, wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, sexueller Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung, oder dem Vorwurf der sogenannten Asozialität oder aus anderen Gründen zu Opfern typisch nationalsozialistischen Unrechts. Diese Namenstafeln sollen die Erinnerung an die über 64.000 jüdischen Kinder, Frauen und Männer, die in Österreich gelebt haben und in der Shoah ermordet wurden, wachhalten und auch ein sichtbares Zeichen setzen, dass sich die österreichische Gesellschaft heute – nach vielen Jahrzehnten der Verdrängung und Leugnung – zu den dunkelsten Seiten seiner Geschichte, den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, bekennt und Verantwortung gegenüber den Opfern dieses Regimes, das auch von vielen Österreichern und Österreicherinnen unterstützt wurde, übernimmt. Selbstkritische Erinnerungsarbeit ist Bestandteil einer liberalen parlamentarischen Demokratie, und jede Generation sollte sich diesem Diskussionsprozess stellen.“5

 

Informationen

https://www.nationalfonds.org/shoah-namensmauern-gedenkstaette

 

Anmerkungen:

1 https://www.nationalfonds.org/meldung/aufruf-des-d%C3%B6w-zur-%C3%BCberpr%C3%BCfung-der-namen-f%C3%BCr-die-shoah-namensmauern-gedenkst%C3%A4tte

2 https://www.nationalfonds.org/shoah-namensmauern-gedenkstaette

3 https://www.derstandard.at/story/2000014601077/mahnmal-369-wochen-erinnert-an-opfer-der-ns-justiz

4 https://gedenkbuch.univie.ac.at/index.php?id=428

5 Verein zur Errichtung einer Namensmauern Gedenkstätte für die in der Shoah ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus Österreich, Shoah Namensmauern Gedenkstätte im Ostarrichi Park, Mai 2020.