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Heinrich Hertz (1857 – 1894) Ein Blick auf ein bewegtes Leben

Ingrid Prucha

Heinrich Hertz wurde am 22. Februar 1857 in Hamburg geboren, wo er auch wohlbehütet seine Kindheit verbrachte. Nach dem Besuch einer Reformschule legte er nach einigen Jahren Privatunterricht das Abitur am Johanneum, einem traditionsreichen Hamburger Gymnasium ab.

Inhalt

Danach zog es Heinrich Hertz nach Frankfurt am Main und im Weiteren auch nach Dresden, um sich für sein ursprünglich ausgewähltes Studienfach – Bauingenieurwesen – vorzubereiten. Bald jedoch erschlaffte der Impetus zugunsten des immer stärker ausgeprägten Interesses an Höherer Mathematik und physikalischen Themen. Im Jahr 1876 schuf ihm die Meldung als „Einjährig-Freiwilliger“ bei einem Eisenbahnregiment in Berlin eine Pause hinsichtlich einer endgültigen Entscheidung über seine Studienwahl. Danach übersiedelte er nach München, wo er 1877 in einem Brief an seinen Vater dessen Rat und die moralische Unterstützung betreffs eines endgültigen Studienwechsels erbat.

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Heinrich Hertz, Photographie um 1890. Quelle: Wikimedia.commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HEINRICH_HERTZ.JPG

Noch im Wintersemester 1877/78 begann Heinrich Hertz an der Universität München mit dem Studium der Naturwissenschaften. Aber schon 1878 zog es ihn nach Berlin, wo Hermann von Helmholtz dem zu dieser Zeit renommiertesten Physikinstitut vorstand. Dort besuchte er unter anderem auch Vorlesungen zur Theoretischen Physik. Diesen Lehrstuhl bekleidete Gustav Kirchhoff, über dessen „genussreiche Vorlesungen zur Elektrodynamik“ er seinen Eltern ausführlich in seinen Briefen berichtete. Wie auch schon an den anderen Studienorten erwarb Hertz theoretisches Wissen auch hier im Selbststudium, allerdings blieb dabei das experimentelle Forschen vorläufig noch auf der Strecke. Dazu gab ihm eine Preisausschreibung der Philosophischen Fakultät Gelegenheit: Es wäre aufzuklären, ob der Stromtransport in einem Leiter mit Materietransport verbunden wäre:

Zu dieser Zeit war das Elektron als Träger elektrischer Ladung noch nicht entdeckt.1 Mit dieser Aufgabenstellung sollte Klarheit in die unterschiedlichen elektrodynamischen Theorien und Betrachtungsweisen gebracht werden. Damals standen vor allem zwei Theorien der Elektrizität zur Debatte. Auf dem europäischen Festland dominierte die sogenannte „ältere“ Elektrodynamik von Franz Neumann und Wilhelm Weber. Sie beruhte auf der Annahme, dass es positive und negative elektrische Partikel gäbe, die eine Fernwirkung ausüben. In England jedoch herrschte die Vorstellung von Michael Faraday und James Clerk Maxwell vor, die von immateriellen Feldern ausgingen. In Berlin hing Helmholtz letzterer an.

Schlussendlich wurde Heinrich Hertz der dafür ausgelobte Preis zuerkannt und Helmholtz ermutigte ihn ausserdem, sich auch weiterhin diesem Thema zu widmen. Sowohl die experimentellen als auch die theoretischen Auseinandersetzungen führten Hertz zur Fertigstellung seiner Doktorarbeit und zum Abschluss „magna cum laude“. Nach kurzer Assistententätigkeit bei Helmholtz ging Hertz nach Kiel, wo er sich habilitierte. Ende 1884 erfolgte der endgültige Ruf ans Physikinstitut im Polytechnikum Karlsruhe.

Zwei Jahre später heiratete Heinrich Hertz die Tochter eines Kollegen, Elisabeth Doll, die ihm eine Tochter gebar, aber auch bei den „Funkenexperimenten“ behilflich war. Diesen Versuchen widmete sich Hertz ausführlich ab 1886, wobei er unterschiedliche Funkenstrecken aufbaute. Er stellte dabei fest, dass rasche elektrische Schwingungen entstehen, die sich, von den Funken („Sendern“) ausgehend, als Welle ausbreiten und in einem in einiger Entfernung aufgestellten „Empfänger“ (eine Drahtschleife, ebenfalls mit Funkenstrecke) eine Spannung verursachen. Brachte man ein Metallstück zwischen beide, so erlosch die Wirkung. Bei Nichtleitern geschah das nicht. Damit war bewiesen, dass es sich um elektromagnetische Induktion handelte.

1888 kündigte Hertz die Untersuchung dieser „elektrodynamischen Wellen“ an und entwarf dazu zeitgleich recht materialaufwendige Experimente. So konnte er nachweisen, dass die Wellen gebrochen und reflektiert werden sowie polarisiert sind, und, dass sie die gleichen Eigenschaften wie Lichtwellen haben. Die daraus gewonnenen Ergebnisse verschriftlichte er in der Abhandlung Über Strahlen elektrischer Kraft.2 Schon in Kiel war es ihm gelungen, die Maxwell’schen Gleichungen für den damals hypothetisch angenommenen „Äther“ zu formulieren.3 Diese Gleichungen sind bis dato Grundlage der Elektrodynamik. Zwei dieser Gleichungen beschreiben die Wirbel des elektrischen Feldes um pulsierende Magnetfelder und die Wirbel des Magnetfelds um einen stromdurchflossenen Leiter. Verknüpft man diese beiden Gleichungen im Vakuum (wo es keine Ladungen und Ströme in Leitern gibt) und löst sie, dann ergibt sich eine elektromagnetische Welle mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts.

Dies machte Hertz endgültig berühmt, sodass er 1889, ohne zu zögern, den Ruf nach Bonn als Nachfolger von Rudolf Clausius annahm und dort sofort ein Laboratorium einrichtete. Dies war eine ehrenvolle Berufung, denn Clausius war ein bedeutender Physiker: Er hatte den Zweiten Hauptsatz der Wärmelehre formuliert, den Begriff der Entropie erfunden und war einer der ersten theoretischen Physiker des 19. Jahrhunderts.

Die in Bonn verfassten Abhandlungen über Elektrodynamik, in denen er sich auch wieder besonders mit den Maxwell‘schen Theorien auseinandersetzte, zählen zu den Klassikern der Theoretischen Physik. Hertz war dadurch zu einer Symbolfigur für alles, was mit elektromagnetischen Wellen zu tun hatte, geworden. Er starb am 1. Januar 1894 in Bonn. Zu seinen Ehren wurde das 1928 in Berlin gegründete Institut für Schwingungsforschung nach ihm benannt. Hertz' jüdischer Wurzeln wegen wurde während der NS-Zeit sein Name aus dem Institutstitel entfernt und schlussendlich die sehr aktive Gruppe Elektrische Musik aufgelöst. 1945 wurde das Institut als Heinrich-Hertz-Institut für Schwingungsforschung e.V. neu gegründet und ab 2003 zu einem Institut der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung in enger Zusammenarbeit mit der TU Berlin.

 

Anmerkungen:

1 Der experimentelle Nachweis des Elektrons gelang erstmals Emil Wiechert und Joseph Thomson im Jahre 1897.

2 Annalen der Physik 1889, Ausgabe 4, S. 769.

3 Zusammen mit Oliver Heaviside und Josiah Willard Gibbs erhielten sie um 1900 die heute gängige Form.