Wien: Wiener Dom-Verlag 2008.
231 Seiten, Euro 16,90.-
ISBN: 978-3-85351-204-3
Hildegard Burjan war die erste weibliche Abgeordnete der Christlichsozialen im ersten Parlament der Ersten Republik. Sie war am 16. Februar 1919 gewählt und am 12. März angelobt worden. Erstmals genossen auch Frauen in Österreich das aktive und passive Wahlrecht. Am 30. Jänner 1883 war sie in Görlitz als Tochter einer jüdisch-liberalen Familie geboren worden. Sie studierte in der Schweiz Literatur und Philosophie; in Österreich war ihr das Studium als Frau versagt. 1908 promovierte sie mit magna cum laude zum Dr. Phil. und studierte dann in Berlin Sozialwissenschaft. 1907 heiratete sie den Ungarn Alexander Burjan. Nachdem sie unerwartet nach schwerer Krankheit zwar nicht ganz gesundet, immerhin aber wieder zu Kräften gekommen war, trat sie zum katholischen Glauben über. Sie brachte eine Tochter zur Welt, obwohl ihr die Ärzte dringend zu einer Abtreibung geraten hatten. Das soziale Engagement der Konvertitin machte diese außergewöhnliche Frau gleichermaßen für die Politik, die katholische Kirche und nicht zuletzt für Historiker interessant. Denn immerhin zeugt es von Nicht-Alltäglichkeit, dass die Tochter einer jüdischen Bürgerfamilie sich ausgerechnet in der Christlichsozialen Partei und dann in der römisch-katholischen Kirche so stark für die Frauen und die sozial Schwachen einsetzt.
Die Historikerin Ingeborg Schödl hat sich in jahrelangem Studium dieser Persönlichkeit gewidmet und ein erstes Buch aus dem Jahr 2000 völlig neu überarbeitet und nun im Dom-Verlag wieder veröffentlicht. Der Leser erfährt darin, dass Burjan immer wieder soziale Initiativen setzte: 1912 gründete sie den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen", 1918 den Verein „Soziale Hilfe" und im Oktober 1919 die religiöse Schwesterngemeinschaft „Caritas Sozialis", die sich bis heute karitativen Aufgaben widmet. Wichtige politische Forderungen - zum Teil bis heute nicht erfüllt - erhob sie immer wieder. So etwa die Gleichberechtigung der Frauen und das Verlangen nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Nach ihrem Austritt aus dem Parlament nach nur einem Jahr war sie nur noch sozialreformerisch, und zwar in enger Verbundenheit mit ihrer Kirche, tätig. Bis zu ihrem Tod arbeitete sie unermüdlich. Und sie setzte ihrem Mentor Ignaz Seipel ein eindrucksvolles Denkmal, nämlich durch den Bau der Seipel-Kirche im 15. Wiener Gemeindebezirk.
Hildegard Burjan starb 1933, ihr Mann Alexander, Vorstandsmitglied der RAVAG, floh 1938 wegen der nationalsozialistischen Machtübernahme auch in Österreich nach Brasilien.
Peter Klar