Mitten im Triestiner Stadtgebiet, an der Via del Carpineto, liegt ein ehemaliges Fabriksgelände. Es ist mit hohen Mauern abgeschirmt, denn bei der „ Risiera di San Sabba" handelt es sich nicht um ein Industriedenkmal, sondern um ein Denkmal der industriellen Menschenvernichtung.
Die mehrstöckigen Fabriksgebäude, 1913 als Reismühle gebaut, blieben seit 1929 ungenutzt, um im September 1943 als Kriegsgefangenenlager und ab Oktober desselben Jahres als „Polizeihaftlager" zu dienen. Etwa 25.000 Häftlinge wurden hier angehalten. Die einen um in den Osten deportiert, die anderen um gequält und getötet zu werden und im einzigen Verbrennungsofen Italiens in Rauch aufzugehen. „Deutsche und österreichische Triest-Besucher finden fast nie in die Riseria", stellt unser Führer, Pietro Scagnol, fest. Unsere Gruppe der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Kärnten kannte den Namen dieser ehemaligen Reisverarbeitungsfabrik, allerdings war von den 40 Kärntnern noch kein einziger zuvor an dieser Stätte des Grauens gewesen. Sie ist bei uns kaum bekannt, wiewohl Italiener, Istrianer und Franzosen sie eifrig frequentieren.
Aktueller Eingang zum Gelände der Risiera. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Globocniks Opfer
Die Region Friuli Venezia-Giulia wurde während der NS-Okkupation Italiens als Litorale Adriatico/ Operationszone Adriatisches Küstenlanddirekt durch den NS-Staat verwaltet. Dieses Verwaltungsgebiet umfasste damals die Provinzen Udine, Triest, Görz, Pula, Rijeka und Lubiana. Zum Gouverneur ernannte Hitler den Kärntner Gauleiter Friedrich Rainer, der seine Arbeit am 1. Oktober 1943 aufnahm.
Die Risiera ist untrennbar mit dem in Triest geborenen Kärntner Odilo Globocnik verbunden. Dieser hatte sich erst innerhalb der Aktion Reinhard (2 Millionen Tote) und 1943 durch das Massaker von Lublin (43.000 Tote) einen Namen in Nazi-Deutschland gemacht. Globocniks Abberufung in die Operationszone Adriatisches Küstenland sollte neuerlich Tausende ihr Leben kosten. 5.000 starben hier, 20.000 wurden verschickt, um in der Fremde zu sterben. Die Operationszone Adriatisches Küstenland reichte von Triest bis nach Dalmatien und war direkt der Führerkanzlei unterstellt. Triest, der ehemalige Hafen der Monarchie, eignete sich hervorragend als Schaltstelle des Adriatischen Küstenlandes.
Plan zur Errichtung der Risiera, 1913. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Die stark eingeschüchterte - und dadurch kooperationswillige - Bevölkerung war der deutschen Sprache mächtig, Widerstand und Denunziation gehörten zum Alltag. Hier trafen italienische und jugoslawische Partisanen zusammen, hier fanden die Nazis eine grosse jüdische Gemeinde vor. Odilo Globocnik, der Höhere SS- und Polizeiführer von Triest, nutzte die Risiera sofort als Haftanstalt für Geiseln, Partisanen und politische Gefangene, aber auch als Sammellager für Juden vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager. Die Häftlinge wurden bei Verhören gefoltert, erschossen, erschlagen oder im Gaswagen vergiftet. Zur Verbrennung ihrer Leichen wurde im März 1944 der frühere Trockenofen der Reismühle in ein Krematorium umgebaut. Seit dem 4. April 1944 (zur „ Premiere" wurden 70 Geiseln verbrannt) verbreitete sich der Rauch aus dem 40 Meter hohen Fabriksschlot über San Sabba.
Triest 1944, in der Bildmitte der Kärntner Gauleiter Friedrich Rainer, links der SS-Gruppenführer Odilo Lotario Globocnik, rechts der Kommandeur der Wehrmacht des Litorale Adriatico/Operationszone Adriatisches Küstenland, General Ludwig Kübler. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit
Folter und Todesschreie
Das Lagerpersonal war mit der fabriksmässigen Menschenvernichtung vertraut, Globocnik hatte seine Häscher aus Belzec, Sobibor und Treblinka mitgebracht. Namen wie Christian Wirth, August Dietrich Allers, Gottlieb Hering und Josef Oberhauser standen für „Effektivität" und Grausamkeit. Ihre Opfer, überwiegend Partisanen, wurden in winzige, finstere Einmann-Zellen gesperrt und mussten die Todesschreie ihrer gefolterten Mithäftlinge ertragen, wohl wissend, dass sie die nächsten sein würden.
Heute noch sehen die Besucher ihre in die Wände geritzten letzten Bekenntnisse, heute noch steht man fassungslos vor den kleinen, mit Erde aus Jerusalem gefüllten Urnen jüdischer Triestiner. Für viele aber war die Risiera eine Zwischenstation. Die einen mussten auf die Transporte in den Osten warten, die anderen schafften die Flucht übers Meer.
Im Inneren der Risiera, Reste des Krematoriums. Zu sehen ist das Profil der Konstruktion, in der Mitte der Abdruck des Verbrennungsschlotes. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Nationale Gedenkstätte
Skizze des Verbrennungsofens (Krematorium), der von einer Triestiner metallurgischen Firma gebaut wurde, von einem Arbeiter im Mai 1945 aus dem Gedächtnis rekonstruiert. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Ende April 1945 verliessen die Nazis Triest und die Risiera, das Krematoriumsgebäude wurde in der Nacht auf den 30. April 1945 gesprengt, um dessen Spuren zu verwischen. Erst 1965 wurde die Risiera zur nationalen Gedenkstätte erklärt und nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten 1975 als städtisches Museo della Risiera di San Sabba der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
„Die Mauern, die der Architekt aufgezogen hatte, sind aber nicht aus Scham errichtet worden. Es sollte jeder Meeresblick, jede Lieblichkeit oder Normalität ausgesperrt bleiben",
erklärt Pietro Scagnol und führt in die periodisch wechselnde Ausstellung im Hauptgebäude. Zurzeit sind Relikte wie Zeichnungen und Gedichte von Häftlingen anderer KZs anderer Standorte zu sehen. Ein bedrückendes, jeden in seinen Bann ziehendes Finale.
Diese Zelle, auch "Todeszelle" genannt, befindet sich im heutigen Eingangsbereich zum Gelände der Risiera gleich links . Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Graffiti in einer Zelle: "od Istre Rodela Celestin R 2.10.1914 a Podpec 26.4.1945." (aus Istrien Rodela Celestin geboren am 2.4.1914 in Podbec, 26. 4. 1945.) Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Postscriptum
Odilo Globocnik floh nach Kriegsende nach Kärnten. Hier versteckte er sich gemeinsam mit seinem „Assistenten", dem späteren Klagenfurter Cafétier Ernst Lerch und dem Kärntner Gauleiter Friedrich Rainer in einer Almhütte, wo das Trio von Engländern gestellt wurde. Vor den Augen der Briten zerbiss Globocnik eine Todespille und verstarb. Gegen die Lagerleiter Allerts und Oberhauser kam es 1974/75 in Triest zu einem Strafprozess „in Abwesenheit". Allers starb vor Prozessende, das Urteil über Oberhauser lautete lebenslang. Oberhauser war aber in Deutschland vor Auslieferung und Verbüssung der Haftstrafe sicher.
Die Verbrennungsanlage wurde beim Rückzug der deutschen Truppen gesprengt.
Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.
Zu den Abbildungen:
http://www.windcloak.it/cultura/risiera/info.htm
Mit freundlicher Genehmigung Volker Jeschkeit.