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Der Kampf um Ressourcen

Arnold H. KAMMEL

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Das Welt-Energiesystem befindet sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts an einem Scheideweg. Neben dem Kampf um Erdöl und Erdgas und der Sicherstellung der Energieversorgung stellt die zunehmende Knappheit der lebenswichtigen, aber auch konfliktträchtigen Ressource Wasser eines der wichtigsten grenzübergreifenden Probleme dar. Der Kampf um Wasser verschärft sich durch Bevölkerungswachstum und Klimawandel gerade in trockenen Regionen dramatisch. Damit steigt die Gefahr politischer Konflikte. Die Region des Nahen und Mittleren Ostens, die an Erdöl und Erdgas die größten Reserven besitzt, zählt zu den besonders wasserarmen Gebieten der Welt. Die Kontrolle über Wasser hat politische und wirtschaftliche Dimensionen, Ressourcenpolitik wird somit zur Geopolitik.

Erdöl und Ergas sind zentrale Faktoren im Nahen und Mittleren Osten, deren Bedeutung für den globalen Energiemarkt enorm ist: 61 Prozent der weltweiten Erdölreserven befinden sich in dieser Region. Dabei entfällt mehr als die Hälfte der Ölreserven auf nur fünf Staaten: Saudi-Arabien, Iran, Irak, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate. Institutionell gehören alle fünf genannten Staaten  der OPEC an und sind somit innerhalb des Förderkartells die erdölreichsten Länder. Saudi-Arabien allein besitzt 21 Prozent der Ölreserven weltweit. Hier befindet sich das größte konventionelle Ölfeld der Welt. Aus dem Ghawar-Feld, das sich im Osten Saudi-Arabiens befindet, werden täglich rund 5 Millionen Barrel Öl gepumpt, was fast 6 Prozent der weltweiten Förderleistung entspricht. Auch beim Erdgas spielen die Länder des Nahen und Mittleren Ostens eine wichtige Rolle: Sie verfügen über 41 Prozent der globalen Reserven. Öl und Gas sind sowohl für den Export und die Wirtschaft, als auch für die regionale Energieversorgung entscheidend. Die Länder des Nahen und Mittleren Ostens sind für die USA, West-Europa und Teile Asiens wichtige Öllieferanten. Doch nicht nur die erdölimportierenden Länder sind auf das Ölgeschäft angewiesen, umgekehrt sind die Länder des Nahen und Mittleren Ostens von den Erlösen aus dem Öl-Exportgeschäft zum größten Teil massiv abhängig. Oft decken die Einnahmen den größten Anteil des Bruttoinlandsprodukts. In Kuwait stammten laut Energy Information Administration (EIA) im Jahr 2006 über 90 Prozent der Exporterlöse, somit zwei Fünftel des kuwaitischen Bruttoinlandsprodukts, aus dem Ölgeschäft. Während für den Westen die Frage nach der Diversifizierung der Energieimporte immer vordringlicher wird, arbeiten nicht nur Kuwait, sondern auch die anderen Länder des Nahen und Mittleren Ostens verstärkt an einer Diversifizierung der Exportwirtschaft, um diese Abhängigkeit vom Ölexport zu verringern.

Betrachtet man die Erdgasreserven, so ist festzustellen, dass nach Russland der Iran über die größten Erdgasreserven weltweit verfügt, gefolgt von Quatar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Gemeinsam verfügt der Nahe und Mittlere Osten über mehr als 40 Prozent der Erdgasreserven weltweit. Innerhalb der Region ist der Iran mit über 38 Prozent das erdgasreichste Land. Zugleich ist das Land der viertgrößte Erdgasproduzent weltweit, auf Rang sieben folgt Saudi-Arabien als weiterer wichtiger Gasproduzent. Nach Schätzungen der International Energy Agency werden bis zum Jahr 2030 rund 46% der Erdgasförderung aus dem Nahen Osten kommen, dessen Produktion sich bis zum Jahr 2030 auf rund 1 Billion m³ verdreifachen wird. Die Region des Nahen und Mittleren Ostens ist auch beim Energieverbrauch stark von Öl und Gas abhängig. Der Erdölverbrauch ist nach Berechnungen der EIA in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent gestiegen, bei Erdgas lag der Zuwachs sogar bei knapp 82 Prozent. Alternativen zu Erdöl und Ergas sowie wirklich alternative Energieformen finden sich nur im beschränkten Maße. Kohle sowie erneuerbare Energien sind für den dortigen Energiemarkt kaum von Bedeutung, bislang gibt es auch keine Atomkraftwerke in der Region. 2007 verbrauchte die Bevölkerung des Nahen und Mittleren Ostens rund 574 Millionen Tonnen Rohöläquivalent, das entsprach rund 5 Prozent des Primärenergieverbrauchs weltweit.

Der Kampf um Wasser

Neben dem Kampf um Erdöl und Erdgas spielt gerade Wasser für die Region des Nahen und Mittleren Ostens eine zentrale Rolle. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Nahen Osten mit Ausnahme des Maghreb ist entweder abhängig von Flüssen, die mehrere Länder durchqueren, von entsalztem Meerwasser, oder von der Grundwasserversorgung. Zwei Drittel der arabisch sprechenden Bevölkerung sind abhängig vom Wasser aus Flüssen, die aus nicht-arabischen Ländern kommen. Wasser stellt im Nahen Osten einen raren Rohstoff dar, den viele für wichtiger erachten als Öl. Das zentrale Oberflächenwassersystem des vorderen Nahen Ostens bilden der Jordan und sein Nebenfluss Jarmuk. Das Wassereinzugsgebiet des Jordan umfasst Teile des Libanon, Syriens, Israels, Jordaniens und des Westjordanlandes. Das Wasser des Jordan wird derzeit hauptsächlich von Israel genutzt, jenes des Jarmuk von Syrien und Jordanien. Da die Oberflächenabflüsse vergleichsweise gering sind, greifen die Staaten des Nahen Ostens auch in erheblichem Ausmaß auf Grundwasservorkommen zurück. Diese betragen in Israel, den Palästinensischen Gebieten und Jordanien fast zwei Drittel des bereitgestellten Wassers. Manche dieser Grundwasservorkommen liegen innerhalb der Staats- und Autonomiegebiete, wie in weiten Gebieten Jordaniens oder im israelischen Küstenstreifen, andere sind grenzüberschreitend, wie die Grundwasserressourcen, die im Westjordanland angereichert werden und nach Israel fließen (Westbank), oder die Wasserressourcen im Süden Jordaniens, die mit Saudi-Arabien geteilt werden. Die Türkei, Syrien und der Irak sind seit Jahren in brisante Wasserkonflikte verwickelt. Die großen Flüsse der Region, Euphrat und Tigris, entspringen in der Türkei, und dieses Land nimmt für sich in Anspruch, einen großen Teil des Wassers zu nutzen.

Besonders konfliktträchtig ist die Nutzung des Jordanwassers. Die Flüsse, die zusammen den Jordan bilden, entspringen in Israel, im Libanon und im Golangebiet, das zu Syrien gehört und seit dem Krieg 1967 von Israel besetzt ist. Die politischen Spannungen bis zum Sechstagekrieg wurden dadurch verstärkt, dass Israel plante, Teile des Jordanwassers schon oberhalb des Sees Genezareth, der immerhin 40 Prozent des israelischen Trinkwasserbedarfs abdeckt, in eine große nationale Wasserleitung für den trockenen Süden des Landes einzuspeisen. Umgekehrt plante Syrien, einen Teil des Wassers der Golanhöhen für Bewässerungsprojekte und zur Trinkwasserversorgung zu nutzen, was Israel als Angriff auf seine Lebensader ansah und nach dem Baubeginn 1964 bis zum Krieg 1967 mehrfach mit einer Bombardierung der Baustelle beantwortete. Von den weltweit rund 40 Wasserstreitigkeiten, im Zuge derer in den letzten fünfzig Jahren Waffen eingesetzt wurden, fanden rund drei Viertel zwischen Israel und Syrien statt. Bis heute sind sie zu einem überwiegenden Teil ungelöst. Der Streit über die Zukunft des wasserreichen Golangebietes gerade in Zeiten eines drohenden Klimawandels dürfte weiterhin anhalten. Auch ohne Klimawandel wird die Wasserverfügbarkeit bereits in absehbarer Zeit zum zentralen Problem der Region werden. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und beschleunigt darüber hinaus auch Desertifikation und Bodenversalzung. Durch den Klimawandel wird dieser Trend weiter verstärkt werden.

Betrachtet man den Nahen und Mittleren Osten, so ist festzustellen, dass gerade der Jordan ins Zentrum potentieller Wasserverteilungskonflikte rückt. Zusätzlich steht die Region als Transitregion für Migrationsbewegungen unter großem demographischen Druck. Der Klimawandel hat durch die Wasserarmut auf Israel große Auswirkungen. Die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten, vor allem von der Türkei, könnten die Stabilität der gesamten Region erschüttern. Aufgrund ihrer Lage an den Oberläufen von Euphrat und Tigris ist die Türkei das einzige Land des Mittleren Ostens, das in Bezug auf die Wasserversorgung unabhängig ist. Durch die sich aufgrund des Klimawandels verstärkende Wasserkrise wird daher die Rolle der Türkei als Regionalmacht weiter gestärkt werden. Eine mögliche vertiefte türkisch-israelische Partnerschaft gegenüber der arabischen Welt könnte enorme Auswirkungen auf den gesamten Mittleren Osten haben. Als Region mit den größten weltweiten Ölreserven steht der Mittlere Osten im Zentrum möglicher Konflikte. Bisher hat es keine reinen Wasserkriege gegeben. Umweltflucht aufgrund des Ressourcenmangels könnte aber auch zu einem sozialen und politischen Folgeproblem führen, das sich mitunter schwerwiegend auswirkt: Flüchtlinge können in umliegenden Gebieten auf Mangelsituationen stoßen bzw. diese hervorrufen, da mit der Bevölkerungszahl die Wassernachfrage steigt. Dieser existenzgefährdende Mangel kann zu Verteilungskonflikten führen, die bei einer möglichen Eskalation wiederum in eine Spirale der Umweltzerstörung und damit ihrer Degradation münden.

Künftige Konflikte um Rohstoffe

Das Spektrum der außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen hat sich in den letzten Jahren erheblich vergrößert: Mit der zunehmenden Knappheit an Rohstoffen und dem einsetzenden Klimawandel ist die Welt mit neuen Problemen konfrontiert, die ein massives Konfliktpotential bergen. In absehbarer Zeit dürfte sich der Kampf um Energie-Ressourcen und Endverbraucher jedoch unterhalb der Schwelle überregionaler kriegerischer Auseinandersetzungen abspielen. Jedenfalls haben die Verteilungskonflikte auf nationaler und subnationaler Ebene an Schärfe zugenommen. Immer knapper werdende Ressourcen, nicht nur Öl und Gas, sondern auch Trinkwasser bergen enormes Konfliktpotenzial in sich. Gerade Wasser wird mehr und mehr zum strategischen Gut. Wer im 21. Jahrhundert Zugang dazu hat, ist im Vorteil: politisch, wirtschaftlich und sozial. Wasser ist wichtiger als Öl, und Wasser ist durch nichts zu ersetzen. Die Wasservorkommen von Jordan und Jarmuk sind für Israel und seine arabischen Nachbarn von existentieller Bedeutung. Daher besteht gerade im Nahen Osten die Notwendigkeit, dauerhafte Lösungen für die Wasserfrage zu finden. Dies stellt eine der zentralen Vorbedingungen für einen nachhaltigen Friedensplan der gesamten Region dar.

Quellen:

BP Statistical Review of World Energy June 2008

Energy Information Administration: http://www.eia.doe.gov

International Energy Agency:http://iea.org