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Die Rekonstruktion der Synagoge in der Hubergasse in Wien

Bob Martens

Die Rekonstruktion der Synagoge in der Hubergasse in Wien

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Die Synagoge in der Hubergasse 8 in Wien-Ottakring wurde 1885-86 nach Plänen des Architekten Ludwig Tischler (1840-1906) errichtet. Das Hauptmerkmal der sakralen Baustruktur stellt die dreischiffige Anlage dar. In den Vorraum gelangte der Besucher über einen von drei Eingängen, um in weiterer Folge den Hauptraum mit einem Fassungsvermögen von 406 Männer- und 266 Frauensitzen zu erreichen. Die Frauengalerien in den Seitenschiffen wurden durch gemauerte Pfeiler in zwei Etagen getragen und auch gesondert erschlossen. Der Hubertempel entstand zu einer Zeit, als der eigentliche Wiener „Synagogenbauboom" noch nicht eingesetzt hatte.1

 

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Blick in den Hauptraum von der Galerie aus. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung B. Martens.

 

Lässt man die angebrachten religiösen Dekorelemente außer Betracht, so wirkte die Synagoge im Straßenverlauf auf den ersten Blick hin nicht unbedingt als sakraler Bau. Lediglich an der Giebelspitze waren die zwei Gesetzestafeln angebracht, begleitet von zwei Davidsternen. Geprägt war die Außenfassade zweifelsohne von den hohen Eingangstüren sowie den darüber liegenden drei großen Bogenfenstern und flankierenden Rundfenstern in den Seitenschiffen. Auf Turm- oder Kuppelaufbauten wurde gänzlich verzichtet. Nur der vorspringende Mittelrisalit stellt eine bescheidene architektonische Maßnahme zur Differenzierung des Baukörpers dar. Gleiches gilt auch für die geschoßhohe Berührung der benachbarten Fassade - wohl um den Hauptraum mit ausreichend Tageslicht zu versorgen.

Im Jahr 1926 konzipierte der Architekt Ignaz Reiser (1863-1940) im hinteren Bereich einen kompakten, leicht beheizbaren Betsaal mit 124 Sitzplätzen für die Wintermonate.2 In praktisch allen großen Synagogenbauten war es üblich, den Hauptraum nur am Schabbat bzw. an Feiertagen zu verwenden und an Wochentagen die „Winterschul" zu nutzen. Reiser hatte zuvor für den Jubiläumstempel in der Wiener Pazmanitengasse (1913) und für die Synagoge in der Mödlinger Enzersdorferstraße (1912-1914) verantwortlich gezeichnet. Nach dem Ersten Weltkrieg plante er den Umbau der Polnischen Schul in der Großen Schiffgasse und leitete die Umbauarbeiten für den Storchentempel (Storchengasse 21, 1930). Der Hubertempel mitsamt Betsaal wurden am 10. November 1938 verwüstet. Seine Ruine blieb jahrzehntelang als solche erhalten und wurde erst Anfang 1970 abgetragen. Nach mehreren Planauswechslungen wurde im Jahr darauf die heute noch bestehende Wohnhausanlage der Jungen Generation bewilligt und errichtet.

 

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Winterbetsaal. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung B. Martens.

Ludwig Tischler hatte als selbständiger Architekt in den Goldenen Jahren der Gründerzeit eine Vielzahl an Bauten errichtet. Zumeist handelte es sich um Mietpalais gehobenen Standards und Hotelbauten wie zum Beispiel das Hotel Metropol (1, Morzinplatz 4), das während des Zweiten Weltkriegs der GESTAPO als Hauptquartier diente. Der Hubertempel in Ottakring stellt Tischlers ersten Sakralbau dar. 1898 folgte die Renovierung der griechisch-orthodoxen Kirche in der Wiener Griechengasse, 1906 die Errichtung des sogenannten Kleinen Tempels in Brünn (Mähren, CZ). Auch dieser Tempel sollte der Zerstörung anheim fallen.

 

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Lage des Hubertempels im Häuserblock. Abbildung: Mit freundlicher Genehmigung B. Martens.

Gerlinde Grötzmeier bearbeitete im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der TU Wien3 die Rekonstruktion des Tempels in der Hubergasse. Lange Zeit erschien die Aktenlage für die computergestützte Rekonstruktion des Hubertempels äußerst problematisch, stand doch bloß eine rudimentäre, briefmarkengroße Grundrissabbildung zur Verfügung.4 Die akribische Suche nach behördlich bewilligten Planunterlagen war zunächst nicht von Erfolg gekrönt; ein für die Stadt Wien seltener Umstand, konnte doch von anderen Synagogen umfangreiches Archivmaterial bei den „Altbeständen" gefunden werden. Dass im Zuge der Errichtung des Hubertempels weitere Planunterlagen erstellt wurden, ist anzunehmen, doch besteht hier keine Archivierungspflicht, und auch die involvierten Planungsbüros sind längst verschwunden.

 

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Straßenseitige Ansicht der Hubergasse aus beiden Richtungen . Fotos: Bezirksmuseum Ottakring mit freundlicher Genehmigung B. Martens.

Die Einreichplanunterlagen des Magistrats schienen also verschollen. Über das Archiv des Jüdischen Museums Wien konnte aber Zugang zum umfangreichen Bestand des seinerzeitigen Technischen Amtes der IKG gefunden werden: Dieser beinhaltet nicht nur detaillierte Planunterlagen wie z.B. Grundrisse und Schnitte, sondern auch Materialien zu verschiedenen Innenraumdetails und sogar Ausführungspläne für einzelne Leuchten. Überdies erwies sich das Ottakringer Bezirksmuseum als wichtiger Bilderlieferant, tauchten doch durch Vermittlung von Jochen Müller gleich zwei bislang nicht publizierte Straßenszenen auf. Eine davon war auf dem Cover des DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift, Heft 77 (2008) abgebildet. Bei genauer Betrachtung fallen interessante Details auf: So scheinen die Laternen bzw. auch die Davidsterne einfach entfernt worden zu sein.

 

 

1   Genée, Pierre: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker Verlag 1987.

2   Ebenda.

3  Grötzmeier, Gerlinde: Virtuelle Rekonstruktion der Ottakringer Synagoge, Hubergasse 8. Unveröffentlichte Diplomarbeit TU Wien 2008.

4   Paul, Martin (Red.): Technischer Führer durch Wien. Wien: Gerlach & Wiedling 1910.