Gregor Gatscher-Riedl: k. u. k. Sehnsuchtsort Istrien – Mediterraner Mikrokosmos zwischen Muggia und Abbazia.
Berndorf: Kral-Verlag 2020.
Aus der Kral Reihe „K. u. K. Sehnsuchtsorte“
312 Seiten (Hochglanz), Euro 26,90
ISBN: 978-3-99024-917-8
Seit Jahren beschäftigt sich Gregor Gatscher-Riedl mit Geschichte, Landschaft und Kultur der Oberen Adria. Seine Publikationen weisen ihn inzwischen als Kenner der Materie aus. Gerade rechtzeitig, sozusagen als „Trostpflaster“ zu den pandemiebedingten Reisebeschränkungen in den Süden präsentiert der Kral Verlag einen Bildband mit Motiven aus dem maritimen Alten Österreich. Diesmal geht es um die malerische Halbinsel ISTRIEN.
Auf keine der Publikationen der Kral-Reihe passt die Bezeichnung „k. u. k. Sehnsuchtsorte“ so trefflich wie auf dieses neue Istrien-Buch: ein Bildband voll mit magischen Orten mediterranen Zaubers. Die Halbinsel Istrien ist trotz ihrer kleinen Fläche ein Land der Gegensätze. Der Küstenlinie mit ihren uralten pulsierenden Städten steht das stille, ja beinahe abweisende Hinterland gegenüber. Zwei europäische Grossmächte stritten seit dem späten Mittelalter um die Kontrolle der Halbinsel: die Seerepublik Venedig und das Weltreich der Habsburger. Dampfschiff und Fischerboot, Eisenbahn und Eselskarren stehen für Beharrung und Veränderung der Verkehrssysteme, die im „langen 19. Jahrhundert“ Istrien erreichten und mit dem Fremdenverkehr neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffneten. Urbaner Luxus kontrastierte mit der bescheidenen Lebenshaltung von Fischern und Kleinbauern. Die 80 Kilometer lange und bis zu 60 Kilometer breite Halbinsel ist heute auf drei Staaten aufgeteilt: Italien, Slowenien und Kroatien. Charakteristisch sind daher die mehrsprachigen Ortsnamen (Kroatisch, Slowenisch und Italienisch, teilweise Deutsch). Dazu gibt es unterschiedliche Landschaftsverhältnisse: Weisses Istrien nennt man die sonnendurchglühte Karstlandschaft im gebirgigen Norden und Osten, Graues Istrien bezeichnet die Lehmböden in der hügeligen Mitte der Halbinsel, Rot-Istrien benennt die fruchtbare rote Erde im Westen. Eingerahmt ist das zauberhafte Land schliesslich von einem tiefblauen Meer.
Der Band präsentiert die bekannten und geschichtsträchtigen (Kultur-)Orte der Halbinsel. Die vor 1918 administrativ der Markgrafschaft Istrien zugeordneten Inseln in der Kvarner Bucht (Cres, Krk, Lošinj Prvić, Rab) bleiben aufgrund ihres eigenständigen Charakters in der Darstellung unberücksichtigt (S. 7-8). Schon die klangvollen Kapitelüberschriften machen Appetit auf Istrien und die Adria:
Ziege, Doppeladler und Markuslöwe: Die heraldisch-historische Fauna Istriens: Unter diesem Titel gibt der Autor eine gut verständliche Einführung in die Geschichte Istriens von der Altsteinzeit bis 1918. Dabei wird die Halbinsel anhand der Wappen-Symbolik ihrer wechselnden Territorialherren erläutert: der Markuslöwe steht für die Republik Venedig, der Doppeladler für die Habsburgermonarchie, die goldene Ziege für die Markgrafschaft Istrien (S. 10-42).
Unterwegs zu Wasser und zu Lande: Istrien ist substanziell mit dem Eisenbahn- und Schiffsverkehr verbunden. Die Eisenbahn förderte Istriens Bedeutung für Wirtschaft und Tourismus, die Entwicklung der Schifffahrt begründete zudem Österreich-Ungarns Aufstieg zur Seemacht (S. 43-59).
Triests kleine venezianische Schwester Muggia: In Istrien überwog einst der Einfluss Italiens. Heute, seit der Grenzziehung von 1954, stellt die Gemeinde Muggia den letzten verbleibenden italienischen Gebietsanteil an der Istrischen Halbinsel dar (S. 60-73).
Das Haupt Istriens: Die slowenische Stadt Koper (Capodistria) mit ihrem internationalen Seehafen war zu venezianischer Zeit das Verwaltungszentrum Istriens, das Caput Histriae. Die heutige Namensform leitet sich vermutlich vom lateinischen Capra, die Ziege, her (S. 74-87).
Piran, die Stadt des weissen Goldes: Piran (Pirano) an der slowenischen Adria verbindet maritime Erholung mit venezianischer Architektur. Von wirtschaftlicher Bedeutung waren die reichen Salzfelder (Salzgärten), wo dieses „weisse Gold“ geerntet wurde (S. 88-109).
Portorose: Kurbad mit Meerblick und Rosenduft: Portorož (Portorose), zu Deutsch „Rosenhafen“; der malerische Kurort an der Slowenischen Riviera ist Teil der Gemeinde Piran (S. 110-140).
Das steinerne Vermächtnis des Bischofs Euphrasius: Poreč (Parenzo) gehört neben Rovinj (Rovigno) und Pula (Pola) zu den bedeutendsten Küstenstädten der kroatischen Westküste Istriens. Die Stadt war der Sitz des Bischofs Euphrasius (gest. 560 in Poreč). Das Bischofsgebäude mit der Euphrasius-Basilika gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe (S. 124-140).
Erfindungen und Entdeckungen in den Wäldern von Motovun: Im Städtchen Motovun (Montona) im Nordwesten Kroatiens war der weltbekannte österreichische Erfinder Josef Ressel (1793–1857) eine Zeitlang als Forstbeamter tätig (S. 141-154).
Weltliteratur in Mitterburg: Die alte Mitterburg ist das Wahrzeichen der inneristrischen Kleinstadt Pazin (Pisino) in Kroatien. Sie diente dem Science-Fiction-Schriftsteller Jules Verne (1828-1905) als Inspiration für seinen Roman „Mathias Sandorf“ (S. 155-168).
Rovinj von Austern bis Zigarren: Das Städtchen Rovinj (Rovigno) liegt an der kroatischen Westküste Istriens. Seine wirtschaftliche Bedeutung gründete sich auf die Austern- und Sardellenfischerei sowie die Zigarrenproduktion (S. 169-187).
Streifzüge durch Inneristrien: Etwas abseits gelegene Plätze in der Landschaft Inneristriens bilden eine schöne Ergänzung zu den bedeutenden Küstenorten (S. 188-215).
Brioni: Hideaway für Hochadel und Hochfinanz: Die Inselgruppe Brioni (Brijuni) wurde vom Industriellen Paul Kupelwieser (1843-1919) im Fin de Siècle zu einem Freizeitdomizil für die „Reichen und Schönen“. Ein Highlight war das 1913 in Betrieb genommene, ganzjährig geöffnete Hotelhallenbad: ein überdachtes, rundum verglastes und beheiztes Meerwasserbassin (S. 216-231).
Pula, das rot-weiss-rote Portsmouth: Ein Besuch der kroatischen Küstenstadt Pula (Pola) an der Südspitze Istriens führt zu einer intensiven Begegnung mit der Antike. Der Kriegshafen Pola begründete neben Triest Österreich-Ungarns Aufstieg zur Seemacht (S. 232-270).
Abbazia (Opatija), „Der Wintergarten Wiens“: war einst das mondäne Seebad und Winterkurort der Donaumonarchie und ist heute immer noch ein zentraler maritimer Badeort an der Kvarner-Bucht bzw. Istrien im Nordwesten Kroatiens (S. 271-303).
Ein ausführliches Literaturverzeichnis und der Bildnachweis, getrennt in Fotografien und Sammlungen, ergänzen die Publikation (S. 304-308). Insgesamt ein gelungener Band mit interessanten Texten und wunderbaren Bildmotiven in hoher Reproqualität.
Christoph Tepperberg