Ausgabe

Zur Erinnerung an Arik Brauer s.A. (4.1.1929 – 24.1.2021)

Stephan Templ

Wenigen Künstlern ist es vergönnt, in mehreren Metiers erfolgreich zu sein. Arik Brauer zählt dazu — und noch dazu sind seine Metiers gegensätzliche: da ist die in altmeisterlicher Manier gestupfte Malerei, die ein einsames, entrücktes Sitzen vor der Leinwand bedeutet; auf der anderen Seite das Bühnenleben, die Auftritte als Tänzer und Sänger, welche ihn Anfang der 1970er Jahre berühmt machten. Komponiert hatte Brauer seine Chansons, als er in Paris lebte und eine Sehnsucht nach seiner Mameloschn verspürte, dem Ottakringer Dialekt. H.C. Artmann bestärkte ihn, weiterzumachen und die äusserst sozialkritischen Texte wurden zu Gassenhauern und Kassenschlagern, gleich zweimal mit der Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Zahlreiche Musical-Shows folgten, stets von ihm auch umfassend künstlerisch ausgestaltet.
 

Inhalt

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Porträt von Arik Brauer gefertigt von Gert Chesi in Wien, Österreich um 1973. Gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Arik_Brauer.jpg?uselang=de, 23.02.2021
 

Bis zuletzt war der grosse Geschichtenerzähler hinter seiner Staffelei anzutreffen. War es das Überleben, das ihn antrieb? Nachdem alle jüdischen Schulen geschlossen wurden, musste er in der Tischlerei der Kultusgemeinde — damals Ältestenrat genannt — arbeiten. Seine Lehrmeister dort — die sehr angesehenen Tischler aus Lackenbach — gingen alle auf den Transport. Zuvor mussten sie Schlafzimmer für hohe Nazis fertigen, wie für den Judenreferenten bei der Gestapo Johann Rixinger. Mit einem Handwagerl musste Arik Brauer von der Tischlerei in der Tempelgasse die Möbel in die arisierte Villa Rixingers Ende 1944 in die Hinterbrühl führen: 

„Da musste mich ein deutscher SS-Mann begleiten, der sich furchtbar darüber gegiftet hat. Wir gingen um fünf Uhr in der Früh weg und ich war bereits am Rande meiner Kräfte und schlecht ernährt. Er stieg mir von Zeit zu Zeit hinten auf die Fersen und ich hatte nur Holzsandalen. Wir kamen zu einem Hydranten und ich wollte trinken. Er fing an zu schreien und da kam eine uralte Frau und sagte zu ihm: „Schamst dich nicht, du Arschloch!“

Arik Brauer kannte keinen Groll, aber auch kein Pardon. Weder in seiner Malerei noch in seinem Denken folgte er dem Mainstream. Empörung brach aus, als er sich 2018 kritisch zur Einwanderung aus arabischen Ländern äusserte, ähnlich wie andere Überlebende zuvor (beispielsweise Marko Feingold). 

Es war auch das Jahr, als er am 8. Mai die Rede zur Befreiung hielt, die in zwölf Minuten mehr bewegte als alle Historikerkommissionen: Sehen Sie selbst.

https://www.youtube.com/watch?v=BchEWANlZCw