404: Not Found
Am 9. November 2020 wurde in Wels das jüngste einer Reihe von Mahnmalen für Opfer jener beiden Lager enthüllt, die unter den Namen Wels I und Wels II im Nationalsozialismus, und zwar während der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs betrieben worden waren.
Begleitend zu der neuen Gedenkstätte für Opfer des Zwangsarbeiterlagers Wels II im Bereich der heutigen Welser Messe, und zwar am Gelände der ehemaligen, zu Beginn des NS-Regimes errichteten sogenannten Reichsnährstandshalle, erschien auch der vierte Band des Geschichtswerks Nationalsozialismus in Wels, aus dem in der Folge berichtet wird: Die hier veröffentlichten Forschungsergebnisse des Doyens der KZ-Forschung in Österreich, Michael Freund, und von Karin Bachschweller in Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Welser Stadtarchivar Michael Kitzmantel, der die Pionierarbeit seines Amtsvorgängers Günter Kalliauer fortsetzt, erhellen den Alltag jener Kriegsgefangenen und als Juden verfolgten Zivilisten, die im Lager Wels II gezwungen wurden, unter unmenschlichen Bedingungen schwerste körperliche Arbeit zu verrichten. Es ging um die Beseitigung von Bombenschäden an Bahnlinien und Bahnhöfen. Das Lager Wels II bestand zwischen dem 25. März und 13. April 1945, die Zwangsarbeiter wurden aus dem Hauptlager Mauthausen, aber auch aus dessen Nebenlager Ebensee rekrutiert. Nach der Schliessung des Lagers Wels II wurden jene, die den Arbeitseinsatz überlebt hatten, nach Ebensee verbracht. 180 Menschen waren wohl während jener Wochen durch Wels II verstorben, ihre Leichen wurden dem Stadtfriedhof Wels noch vor Mai 1945 von der SS übergeben.1
Das KZ Wels I hingegen wurde für jüdische Lagerinsassen errichtet, genauer: für jene Opfer der sogenannten Todesmärsche (Gewaltmärschen vor der vorrückenden Roten Armee aus dem ungarisch-burgenländisch-steirischen Grenzgebiet Richtung KZ-Hauptlager Mauthausen), die alle Torturen bis dahin überlebt hatten. Es waren vorwiegend ungarische Juden, die schliesslich in den letzten Wochen des Kriegs vom KZ Mauthausen ins Nebenlager Gunskirchen, auch bezeichnet als Wels I, weitergetrieben wurden. Wels I war zwischen Dezember 1944 und März 1945 als Auffanglager für Häftlinge des völlig überfüllten Hauptlagers Mauthausen aufgebaut und am Jahrestag der NS-Machtübernahme, dem 12. März 1945, offiziell eingerichtet worden. Das Lager war vollkommen unzureichend, es herrschten unvorstellbare Zustände in Unterbringung, sanitärer Versorgung, Trinkwasser- und Lebensmittelzufuhr. Bis zu über zwanzigtausend Menschen wurden dort zusammengepfercht.
Denkmal für jüdische Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof der Stadt Wels aus dem Jahr 1947. Mit freundlicher Genehmigung: Büro des Bürgermeisters der Stadt Wels.
Noch in den Folgemonaten nach der Befreiung im Mai 1945 verstarben viele der Lagerüberlebenden an den unmittelbaren Folgen der Lagerhaft, auch in Wels, wohin sie bei der Auflösung des KZs gebracht worden waren: Jene, die bis zur Befreiung durch die amerikanischen Truppen am 5. Mai 1945 durchgehalten hatten, wurden in Versorgungseinrichtungen transportiert, darunter auch in bereits bestehende Lazarette in der Stadt Wels selbst. Dort brachen Seuchen wie Typhus und Fleckfieber aus, die hunderte Menschenleben binnen kurzer Zeit, von der Befreiung bis zum 29. September 1945, dahinrafften. Insgesamt wurden in einem Massengrab am Stadtfriedhof von Wels 1.034 Menschen3 bestattet. Zu diesen wurden auch jene 180 Opfer des Lagers Wels II aus den letzten Kriegstagen gezählt, wie Freund und Kitzmantel in ihrer jüngsten Arbeit darlegen (siehe oben unter Wels II).
Der neue Gedenkstein für die Opfer des KZs Wels II am Welser Messegelände vor dem ehemaligen Messebüro, enthüllt am 9.11.2020. Quelle: Presseaussendung der Stadt Wels vom 9.11.2021, link: https://www.wels.gv.at/news/detail/wels-gedachte-opfern-des-nationalsozialismus/)
Ein erstes Monument für die KZ-Opfer wurde bereits im Frühsommer 1946 von der Stadt Wels in Aussicht genommen und im Jahr 1947 beim Massengrab auf dem Welser Stadtfriedhof errichtet, für „1032 politische Kriegsopfer aus dem Jahre 1945“, wie darauf zu lesen ist.4 Am ersten November 1947 wurde es eingeweiht. Zur Auflistung von Namen der Opfer an diesem ursprünglichen Mahnmal kam es vorerst nicht. Erst ab den 1980er Jahren stieg das öffentliche Interesse an einer Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, wie auch andernorts in Österreich, und die Idee, alle Namen der Opfer vor Ort aufzulisten, wurde wieder aufgegriffen. 1999 gab der Welser Bürgermeister die Planung in Auftrag, und am 3. Mai 2001 konnte die zusätzliche Gedenkstätte mit den Namen aller eruierbaren Opfer im Rahmen einer Gedenkveranstaltung eingeweiht werden.
Gedenkstätte für jüdische Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof der Stadt Wels aus dem Jahr 2001. Mit freundlicher Genehmigung: Büro des Bürgermeisters der Stadt Wels.
DAVID bedankt sich beim heutigen sowie beim früheren Leiter des Welser Stadtarchivs, Michael Kitzmantel und Günter Kalliauer, für ihre wertvolle Unterstützung.
Anmerkungen:
1 Dies ist die aktuelle Erklärung, die Freund und Kitzmantel, in ihrem Beitrag zum neu erschienenen Band, nunmehr für die in den Quellen angeführte Gruppe von 180 Personen geben; ebd., S. 160.
2 Zeitzeugenberichte nachzulesen bei Bachschweller und Kitzmantel, ebd., zu den Zuständen im Lager vgl. v.a. S. 165.
3 Bachschweller und Kitzmantel sprechen in ihrer Studie im Jahr 2020 von 1.034 Opfern, ebd., S. 166.
4 Bereits Kalliauer, KZ-Friedhof Wels, S. 475, spricht von 1.034 Opfern.
5 Kalliauer, KZ-Friedhof Wels, S. 481.
Nachlese:
Bachschweller, Karin/ Michael Kitzmantel: Die Todesmärsche ungarischer Juden durch Thalheim und Wels. In: Nationalsozialismus in Wels, Bd. 4. Wels 2020, S. 161-178.
Freund, Florian/ Michael Kitzmantel: Das KZ Wels II: Ein kurzfristig bestehendes Lager in der Endphase. In: Ebd., S. 155-160, bes. S. 160.
Kalliauer, Günter: Die jüdische Bevölkerung in Wels zur Zeit des Nationalsozialismus. In: Nationalsozialismus in Wels. Band 1, Wels 2008, S. 49-99.
Kalliauer, Günter: Zur Geschichte des jüdischen KZ-Friedhofes in Wels und seiner Denkmäler. In: Festschrift 50 Jahre Musealverein Wels 1953-2003. Wels 2004, S. 469-481. (= 33. Jahrbuch des Musealvereines Wels, 2001/2002/2003)
Peter Kammerstätter, Der Todesmarsch ungarischer Juden von Mauthausen nach Gunskirchen im April 1945. Eine Materialsammlung nach 25 Jahren. Vervielfältigtes Typoskript, Linz 1971. Die Verf. dankt Günter Kalliauer für diesen Hinweis.
Perz, Bertrand/Florian Freund: Konzentrationslager in Oberösterreich 1938 – 1945. Linz 2007, S. 184-187. (= Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus, Band 8)
Die Fortsetzung, Teil III dieser Serie: Gedenkinitiativen für jüdische NS-Opfer in Wels, lesen Sie in Heft 130, Rosch Haschana 5782/September 2021.