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Nachdem das NS-Regime am 1. September 1939 den Überfall auf Polen begonnen hatte, erklärte das Königreich der Niederlande (ebenso wie im Ersten Weltkrieg) seine Neutralität.
Es hoffte, nicht in Kriegshandlungen involviert zu werden. Auch Belgien und Luxemburg erklärten ihre Neutralität. Am 10. Mai 1940 überfiel die Wehrmacht völkerrechtswidrig alle drei Staaten, um bei ihrem Einfall in Frankreich (Westfeldzug) die stark befestigte Maginot-Linie zu umgehen und einen Stellungskrieg zu vermeiden. Durch die Besetzung der Niederlande wollten die Nazis ausserdem verhindern, dass Grossbritannien eine Operationsbasis auf dem europäischen Festland errichten würde.
Die niederländischen Streitkräfte konnten die Invasion nicht aufhalten und leisteten nur vereinzelt Widerstand. Nach der Bombardierung von Rotterdam am 14. Mai 1940 kapitulierten die Niederlande. Am 18. Mai 1940 ernannte Adolf Hitler Arthur Seyss-Inquart (einen Nationalsozialisten aus Österreich) zum Reichskommissar der besetzten Niederlande und am 29. Mai 1940 den deutschen General Friedrich Christiansen zum Befehlshaber der Wehrmacht. In den kommenden fünf Jahren herrschten die Deutschen in den Niederlanden. Vor allem für die jüdische Bevölkerung war die Situation bedrohlich. Manche Jüdinnen und Juden waren in den Dreissigerjahren aus Deutschland in die Niederlande geflüchtet und wurden nun von den Nazis eingeholt. In den Monaten nach der Besetzung nahmen sich hunderte Jüdinnen und Juden das Leben. Bald begann die Verfolgung, Internierung und Verschleppung von in den Niederlanden lebenden Juden, Sinti und Roma. 1941 wurde das Durchgangslager Amersfoort, 1942 das Durchgangslager Westerbork und das KZ Herzogenbusch sowie 1943 die Villa Bouchina hierzu umfunktioniert beziehungsweise neu erbaut.
Seit 1941 war die NSB die einzige in den Niederlanden zugelassene Partei. Die NSB (Nationalsozialistische Bewegung) war eine niederländische politische Partei, die nach dem Vorbild der NSDAP am 14. Dezember 1931 gegründet worden war. Der Vorsitzende war Anton Mussert. Die Nationalsozialistische Bewegung trat zwar für die Unabhängigkeit der Niederlande ein, kollaborierte aber gleichzeitig mit der deutschen Besatzungsmacht. Es gab seit der Besatzung somit keine zugelassene oppositionelle oder auch nur ansatzweise demokratische Partei mehr in den Niederlanden.
Am Jonas-Daniel-Meijer-Plein (Platz) in Amsterdam steht seit 1952 ein berühmtes Denkmal zur Erinnerung an den Februarstreik von 1941: Der Hafenarbeiter. Das Denkmal wurde von der Bildhauerin Mari Andriessen entworfen und stellt einen streikenden Hafenarbeiter dar. Dies symbolisiert den Widerstand des einfachen Mannes gegen die Besatzer. Im Hintergrund sieht man die Portugiesische Synagoge. Copyright: Joods Historisch Museum Amsterdam / Jeroen Nooter, mit freundlicher Genehmigung.
Der Februarstreik
Am 25. Februar 1941 legten zehntausende Amsterdamer die Arbeit nieder und gingen auf die Strasse, um gegen die deutschen Besatzer zu demonstrieren. Es war ein Protest gegen die Verfolgung der Juden und den Arbeitszwang in Deutschland. Der Februarstreik war eine Reaktion auf die immer härteren Massnahmen, die gegen die Juden ergriffen wurden. Nicht nur die deutschen Besatzer schränkten die jüdische Freiheit immer mehr ein, auch die niederländische NSB beteiligte sich daran. Seit 1940 setzten sie alles daran, um Juden aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Zunächst wurde die „Arierparole“ ausgegeben und jüdische Beamte, darunter auch Lehrer und Universitätsmitarbeiter, wurden entlassen. Im Januar 1941 kamen die Registrierung der Juden und das Verbot des Kinobesuchs hinzu. Auch die WA (der paramilitärische Flügel der NSB) unterstützte die weitere Ausgrenzung von Juden. Dabei ging die WA immer härter vor. Sie provozierte die Menschen in den jüdischen Vierteln, zerschlug Fensterscheiben und zwang Café-Besitzer, Plakate mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“ anzubringen. Fast jeden Tag gab es Streitereien und Kämpfe. Die Polizei schaute tatenlos zu.
Der Auslöser
Am 8. und 9. Februar 1941 brachen auf dem Rembrandtsplein, unweit des jüdischen Viertels in Amsterdam, grosse Kämpfe aus. Das Café Alcazar wurde in Schutt und Asche gelegt, weil dort jüdische Künstler aufgetreten waren. Die Amsterdamer Polizei bekam von der deutschen Ordnungspolizei (auch Grüne Polizei genannt) keine Erlaubnis einzugreifen, da auch deutsche Soldaten beteiligt waren. Jüdische Jungen, darunter viele Sportler von Sportvereinen wie Olympia und Makkabi, wollten sich gegen die Gewalt der WA schützen und organisierten sich. Am Abend des 11. Februar brach auf dem Waterlooplein eine grosse Schlägerei aus. Der 45-jährige Hendrik Koot, NSB-Mitglied und WA-Mann wurde so schwer verletzt, dass er drei Tage später starb.
Danach gingen die Unruhen in Amsterdam weiter: Am 15. Februar kam es zu Ausschreitungen auf dem Dam-Platz, und am 19. Februar überfiel eine Gruppe der deutschen Grünen Polizei die Eisdiele Koco in der Van Woustraat. Dieses Geschäft war im Besitz der deutsch-jüdischen Flüchtlinge Cahn und Kohn. Jemand richtete eine Flasche mit Ammoniakgas auf einen deutschen Polizisten, woraufhin die Grünen Schüsse abgaben. Die Besitzer wurden verhaftet.
Hanns Rauter, der deutsche SS- und Polizeichef in den Niederlanden, meldete beide Vorfälle an SS-Führer Heinrich Himmler und stellte den Sachverhalt erheblich übertrieben dar: „Als die Beamten den Raum betraten, wurde ihnen sofort Ammoniak ins Gesicht geworfen und sie wurden beschossen“, berichtete er. Er behauptete Folgendes über den Tod des NSB-Mitglieds Hendrik Koot: „Ein Jude war von hinten auf ihn gesprungen, hatte ihm die Schlagader durchgebissen und ihm das Blut ausgesaugt.“ Aufgrund dieser und anderer Vorfälle beschlossen Himmler, Rauter und Reichskommissar Arthur Seyss-Inquart, eine harte Linie einzuschlagen; die erste Razzia fand am 22. und 23. Februar statt. Exemplarisch wurden insgesamt 427 jüdische Männer zwischen zwanzig und fünfunddreissig Jahren festgenommen, zum Daniel-Jonas-Meijer-Plein (Platz) gebracht, erniedrigt und misshandelt und von dort ins Durchgangslager Schoorl deportiert.
Die „Judenjagd“ führte zu grosser Empörung. Am 24. Februar versammelten sich Gemeindearbeiter am Noordermarkt (im Herzen von Amsterdam) zu einer Versammlung der Kommunistischen Partei der Niederlande (KPN) im Untergrund und beschlossen, in den Streik zu treten. Ein am frühen Morgen verteiltes Manifest rief die Arbeiter verschiedener Unternehmen ebenfalls zum Streik auf. Zum bereits vorbereiteten Manifest wurde noch ein Satz hinzugefügt: „Diese Judenpogrome sind eine Attacke gegen das gesamte arbeitende Volk!“
Razzia auf dem Jonas-Daniel-Meijer-Plein in Amsterdam Februar 1941/ Eine Gruppe jüdischer Männer kniet, bewacht von deutschen Soldaten. Aus der „Fotocollectie Rijksvoorlichtingsdienst“ Fotograf unbekannt.
Das Manifest der KPN (Kommunistische Partei der Niederlande) in dem die Arbeiter verschiedener Unternehmen ebenfalls zum Streik aufgerufen wurden. Mit freundlicher Genehmigung des „Joods Historisch Museum Amsterdam.“
Auszug aus dem Manifest:
Verlangt die sofortige Freilassung der inhaftierten Juden.
Zeigt Solidarität mit dem schwer betroffenen jüdischen Teil des arbeitenden Volkes.
Entzieht jüdische Kinder der Nazi-Gewalt – nehmt sie in euren Familien auf.
Seid euch der enormen Kraft einer vereinten Tat bewusst!! Diese ist viel grösser als die deutsche militärische Besatzung.
STREIKT STREIKT STREIKT.
Legt das gesamte Betriebsleben Amsterdams für einen Tag lahm – die Werften, die Fabriken, die Ateliers, die Büros und Banken, die Gemeinde-Betriebe und Arbeitsvermittlungen.
Dann wird die deutsche Besetzung einlenken müssen. Dann habt ihr geholfen, den monsterartigen Plan, Mussert an die Macht zu verhelfen, zu unterbinden. (…)
Dann verhindert ihr eine Plünderung unseres Landes. Fordert auch überall Lohnerhöhungen und Unterstützung!!
SEID EINIG! SEID MUTIG!
Streitet feurig für die Befreiung unseres Landes!
Kameraden, gebt dieses Manifest weiter, nachdem ihr es
gelesen habt. Hängt es überall auf. Aber seid vorsichtig.
Der Streik am 25. Februar
Den Streikenden gelang es, die Strassenbahnen an der Ausfahrt aus der Remise zu hindern. Das Ausbleiben der Strassenbahnen machte alle auf den Streik aufmerksam, und immer mehr Menschen schlossen sich dem an, was zu einem der grössten Akte des Widerstands gegen Nazi-Deutschland werden sollte. Unternehmen schlossen ihre Türen und Schüler verliessen ihre Klassenzimmer. Der Streik breitete sich aus. Einen Tag später, am 26. Februar, streikten auch die Menschen in Hilversum, Zaandam, Haarlem und Utrecht.
Die Deutschen griffen hart ein, um den Streik zu beenden. „Streik gibt es nicht im Dritten Reich“, befand Hanns Rauter, der deutsche SS- und Polizeichef in den Niederlanden. Er schickte Truppen auf die Strasse, und auch Scharfschützen. Neun Menschen wurden getötet, 24 schwer verletzt und unzählige Streikende wurden gefangen genommen. Nach zwei Tagen war der Streik beendet – auch auf Druck der Amsterdamer Stadtverwaltung. Die beteiligten Städte wurden von den Deutschen mit hohen Geldstrafen belegt. Amsterdam musste 15 Millionen Gulden zahlen. Nach dem Streik war die Jagd auf Mitglieder der KPN eröffnet. Ein geplanter neuer Streik wurde daraufhin abgesagt. Der Besatzer hatte sein wahres Gesicht gezeigt, und die Bevölkerung wusste nun, dass ein Aufbäumen tödlich enden könnte.
Widerstand gegen die deutschen Besatzer
Der Februarstreik ist ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte der Besatzung; es ist das einzige Mal, dass sich die Niederländer den antijüdischen Massnahmen der Besatzer in so grossem Umfang widersetzten. In keinem anderen Land in Europa hatte ein derartiger öffentlicher Protest gegen die Judenverfolgung stattgefunden. Es war auch die letzte öffentliche Äusserung der Unzufriedenheit über das Schicksal der Juden; der Besatzer hatte den Streik so hart niedergeschlagen, dass die meisten Niederländer in der Folgezeit lieber passiv blieben, während eine kleinere Gruppe versuchte, ihre jüdischen Mitmenschen im Untergrund gegen die Verfolgungspolitik des Besatzers zu schützen.
Jährlich wird an der Statue „Der Hafenarbeiter“ am Amsterdamer Jonas-Daniel-Meijer-Plein an den Streik erinnert. Die 1952 von der Bildhauerin Mari Andriessen geschaffene Bronzestatue eines streikenden Hafenarbeiters symbolisiert den Widerstand des einfachen Mannes gegen die Besatzung.