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Eine Feier besonderer Art wurde am 23. Oktober 2020 in der Gemeinde Hinterbrühl bei Mödling begangen.
Beginnend mit einer Zeremonie auf der KZ-Gedenkstätte des Ortes im Beisein von Witwe und Enkelin des Geehrten, unter Mitwirkung des Bürgermeisters und des Ortspfarrers sowie einer beachtlichen Menschenmenge wurde eine Gedenktafel enthüllt, die dem Ehrenbürger der Gemeinde Marcello Martini (1930-2019) gewidmet ist. Der anschliessende Fackelzug nahm seinen Weg zur Pfarrkirche, wo nach einleitenden Worten das vom ehemaligen Pfarrer der Gemeinde P. Jakob Mitterhöfer verfasste Buch Mit 14 Jahren im KZ. Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung in Form eines Zwiegesprächs mit Prof. Nussbaumer vorgestellt wurde.
Was aber war der Hintergrund für dieses Gedenken, wer war Marcello Martini, was veranlasste die Gemeinde, ihn zum Ehrenbürger zu ernennen? Marcello war als 14-Jähriger an Stelle seines Vaters, der im antinazistischen Widerstand in Oberitalien aktiv war, im Spätherbst 1944 von deutschen Soldaten gefangen genommen worden. Nach mehreren KZ-Stationen kam er schliesslich in das neu errichtete Lager Hinterbrühl, einem der 49 Nebenlager von Mauthausen, in dem Flugzeugrümpfe für die deutsche Wehrmacht gefertigt wurden. Hier verblieb er bis zum 1. April 1945. An jenem Ostersonntag begann der achttägige Todesmarsch der noch lebenden rund 1.000 Lagerinsassen in das über 200 km entfernte Mauthausen. Am Abend davor waren noch einundfünfzig nicht gehfähige Patienten durch Benzininjektionen ins Herz getötet worden. In Mauthausen wurde er am 5. Mai 1945 von den Amerikanern befreit. Marcello kehrte zu seiner Familie nach Italien zurück, maturierte, studierte und wurde ein anerkannter Flugzeugkonstrukteur.
Marcello Martini (6.2.1930 - 14.8.2019). Quelle: P. Jakob MITTERHÖFER SVD, Mit 14 Jahren im KZ Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Mödling 2020, mit freundlicher Genehmigung.
Marcello Martini (6.2.1930 - 14.8.2019). Quelle: P. Jakob MITTERHÖFER SVD, Mit 14 Jahren im KZ Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Mödling 2020, mit freundlicher Genehmigung.
Wie in vielen vergleichbaren Fällen auch, konnte Marcello über die Erlebnisse seiner Jugend mit niemandem sprechen. Nach Jahrzehnten zog es ihn aber an die Stätte seiner Leiden zurück – in die Hinterbrühl. Hier war auf Betreiben des damaligen Ortspfarrers ein Teil des ehemaligen KZ-Geländes von der Gemeinde gekauft und in eine Gedenkstätte umgewandelt worden – Sacrario (Heiligtum) nannte es Marcello bei seinen nun sich wiederholenden Besuchen des Ortes. Er fand Kontakte und schloss Freundschaften, insbesondere die mit Pfarrer P. Mitterhöfer, der seinetwegen Italienisch lernte, um sich auch bei seinen Besuchen bei Marcello in Italien mit ihm unterhalten zu können. Marcello starb im Alter von 89 Jahren, nicht ohne vorher bestimmt zu haben, dass ein Teil seiner Asche auf dem Sacrario beigesetzt werde. Diese enge Bindung führte dazu, dass ihn die Gemeinde Hinterbrühl posthum zum Ehrenbürger ernannte. Sein Freund P. Mitterhöfer aber verfasste aus dem Wissen der vielen persönlichen Gespräche mit Marcello, seinen Schilderungen der tagtäglichen Brutalitäten im Lager, aber auch von hauptsächlich Mitgefangenen erfahrenen Unterstützungen, die ihm mehr als einmal das Leben retteten, auch aus Mitteilungen der Familie und tagebuchähnlichen Aufzeichnungen des Verstorbenen und Hinweisen aus dem Freundeskreis das vorliegende Buch: ein Buch, das die dunkelsten Stunden unserer jüngeren Geschichte zum Thema hat, dem aber ein Beispiel ausserordentlicher Versöhnungsbereitschaft gegenüber steht.
Nachlese:
P. Jakob MITTERHÖFER SVD, Mit 14 Jahren im KZ. Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Mödling 2020.
96 Seiten, zahlreiche Abb.
Verkaufspreis EURO 19,50,
ISBN 978-3-200-07194-0.