Seit dem 7. Oktober 2023 schwappt die Welle des Antisemitismus über die westlichen „Demokratien“. Die Linke, von Juden in aller Welt als Verbündete gesehen, hetzt seither gegen Israel, gegen die jüdischen Mitbürger, gegen alles, was sich für die Existenzberechtigung des jüdischen Staates einsetzt und nicht für die mörderischen Terroristen der Hamas oder andere Teufelsbrigaden.
Besonders bedenklich stimmt die antijüdische Hetze im Kunstbetrieb. Auf einem meiner Lieblings-T-Shirts, auf der Biennale Venedig gekauft, steht: „There are no foreigners in art“. Bisher wurde niemand aus dem Kunstbetrieb nur wegen seiner Herkunft ausgeschlossen, sogar Nordkoreaner durften in Wien ihre Werke zeigen, Künstler aus allen Erdteilen stellten überall auf der Welt aus und niemand mokierte sich über den Glauben oder die Hauttönung eines Kunstschaffenden. Bis letztes Jahr schien es, dass Kunst das einzig Verbindende zwischen den Völkern sei, dass Kunst über dem Rassismus und der Xenophobie steht. Jetzt plötzlich ist alles anders – Juden sind Parias und werden boykottiert, ebenso wie alle, die gegen den Boykott Israels auftreten. Welche Perversion des Gedankens von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, welcher Schlag ins Gesicht der UNO – Menschenrechtscharta!
Wie alle schlechten Ideen kommt die Bewegung aus den U.S.A., wo jüdische Studenten gemobbt und ausgeschlossen wurden. Die Autoritäten reagierten mit der Entfernung der verantwortlichen Universitätsfunktionäre, meist schwarzer Frauen, denen man das nicht zugetraut hätte. In Europa folgte die Judenhatz auf dem Fuss, kein Wunder bei der Unsocial Media-Vernetzung der Jugend. Doch auch ältere Semester stimmten in den Chor der Judenhasser ein, man fühlte sich in die Dreissiger Jahre zurückversetzt, als die braune Welle Deutschland überzog und auch im Ausland grosse Sympathien für die Nazis gezeigt wurden – nicht nur in Österreich, auch in England, Frankreich, Belgien und anderswo. Besonders tun sich die deutschen Universitäten hervor, gerade auch Kunsthochschulen, in der Marginalisierung jüdischer Studenten und Vortragender.
Neben bildenden Künstlern hetzen auch Literaten heftig gegen Israel. So unterzeichneten etwa die „Star-Autorinnen“ Sally Rooney und Arundhati Roy eine Petition, israelische Kulturinstitutionen zu boykottieren.[1] Gleich 6.000 Schreiber unterzeichneten den Boykottaufruf des Palästinensischen Literaturfests Ende Oktober 2024, die österreichischen Schriftstellerverbände sprachen sich jedoch dagegen aus.[2]
Wie reagierte Israel auf diesen Ausschluss aus der Weltkunst? Ich meine, dass der Entschluss, den Pavillon auf der Biennale Venedig mit den Arbeiten von Ruth Patir nicht aufzusperren, falsch war. Die israelische Kulturpolitik ging in die Knie vor ein paar Genozid-Schreiern mit Palästinensertücheln, die sich illegal auf dem Biennale-Areal aufhielten. Dann das ganze Jahr die Ausstellung nicht zu zeigen, halte ich nicht für ein Zeichen von Stärke. Das Publikum der Biennale ist zwar nicht mehr so elitär wie früher, aber ein solcher Mob wie bei der Preview für Journalisten ist normalerweise nicht dabei (siehe Abbildung 4). Die üblichen Biennale-Touristen hätten die „Sicherheit“ der Aufpasser und der Kunstwerke nicht gefährdet. Ähnlich negativ sehe ich den Beschluss, an der Architektur-Biennale 2025 nicht teil zu nehmen, angeblich wegen Budgetschwierigkeiten. Glaubt das etwa jemand?
Ähnlich schwierig ist die Situation für israelische Künstler, die im Ausland ausstellen wollen und erfahren müssen, dass sie, in bester Nazi-Tradition, wegen ihrer Herkunft ausgeladen werden. Die Cancel-Culture, diese aus den U.S.A. kommende Unart wurde von linken Kultur-Apparatschiks in deutschsprachigen Ländern durchgesetzt, sie erweist sich hier als praktisch. Besonders an deutschen Kunstuniversitäten wurden jüdische und israelische Studenten verfolgt, geschlagen (in Berlin gab es einen Schwerverletzten), eingeschüchtert. Veranstaltungen mit jüdischen Themen und Vortragenden wurden gestört, „Protestcamps“ eingerichtet, wo der berüchtigte Slogan „From the river to the sea“ skandiert wurde.[3] In Österreich wurden innerhalb eines Monats (Oktober/November 2023) dreizehn antiisraelische Veranstaltungen verboten und 70 Strafanzeigen wegen der besagten Parole eingebracht.[4] An der Universität für Angewandte Kunst in Wien kam es zu einer antisemitischen Kundgebung der Gruppe „dieangewandte_free_palestine“, bei der eine Rednerin sagte, die am 7. Oktober 2023 massakrierten Juden seien selbst schuld gewesen.[5] Das Instagram-Profil der Gruppe ist weiterhin aktiv, sie hat immerhin 1.379 Follower.[6]
Was aber machen aber Kunststudenten jüdischer Herkunft, denen das Mobbing an deutschen und österreichischen Kunstakademien zu viel wird? Sie bevölkern die neue Jüdische Kunstschule Berlin, die eigens zu dem Zweck geschaffen wurde, israelischen und jüdischen Kunststudenten eine fundierte Ausbildung zu bieten. [7] Begründet wurde sie von Stella Leder, der Enkelin des Literaten Stephan Hermlin; sie wendet sich an jüdische, israelische und antisemitismuskritische Studenten – hoffentlich in grosser Zahl. Angeboten werden Meisterkurse in Film, Malerei, Musik, Performance, Literatur, Dramaturgie, Visuelle Künste und Bildhauerei. Bei der Abschlusspräsentation am 2. Feber 2025 im Kulturquartier Alte Münze (Am Krögel 2, 10179 Berlin) kann man sich von den Leistungen des ersten Jahrgangs überzeugen.
Eine gute Sache? Jedenfalls gut gemeint, und das ist bekanntlich das Gegenteil von gut. Eigentlich ist es ein erster Schritt zurück zur Ghettoisierung: jüdische Studenten werden segregiert, dann jüdische Schüler, dann jüdische Familien und dann ist das Ghetto wieder da, das seit dem 19. Jahrhundert schon einmal weg war. Vielleicht gibt es dann im Ghetto auch eine Galerie für jüdische Künstler, in der gefahrlos ausgestellt werden kann? Aus sicherheitstechnischen Gründen wäre es ein Fortschritt, von den Bürgerrechten her ein grosser Schritt zurück in die schlechte alte Zeit. Also hoffen wir, dass die Ghetto-Ketten, die mancherorts die historischen Zwangsansiedlungen markieren, symbolisch bleiben. Aber, bedenken wir, was Sigmund Freud einmal geschrieben hat: „Wir Menschen fussen auf unserer tierischen Natur, wir werden nie göttergleich werden können. Die Erde ist ein kleiner Planet, eignet sich nicht zum ‚Himmel’“.[8]
NS-Boykott gegen jüdische Geschäfte. Bundesarchiv, Bild 102-14468 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0, Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_Bild_102-14468,_Berlin,_NS-Boykott_gegen_jüdische_Geschäfte.jpg
Foto: M. Bittner, mit freundlicher Genehmigung.
Instagram – Profil „dieangewandte_free_palestine“ 25.12.2024.
Foto: M. Bittner, mit freundlicher Genehmigung.
[1]https://kurier.at/kultur/israel-nahost-palaestina-boykott-sally-rooney-arundhati-roy-rachel-kushner/402969254 abgerufen 23.12.2024
[2]https://www.derstandard.at/story/3000000246524/oesterreichische-schreibende-weisen-aufruf-zu-israel-boykott-zurueck abgerufen 23.12.2024
[3]https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/Weitere_Publikationen/Bericht_Die_Folgen_des_7._Oktober_in_Deutschland.pdf abgerufen 25.12.2024
[4]https://www.derstandard.at/story/3000000195536/etwa-50-strafanzeigen-in-oesterreich-wegen-from-the-river-to-the-sea-parole abgerufen 25.12.2024
[5]https://www.falter.at/maily/20231215/antisemitismus-an-der-angewandten abgerufen 25.12.2024
[6]https://www.instagram.com/dieangewandte_free_palestine/ abgerufen 25.12.2024
[7]https://www.neue-soziale-plastik.de/juedische-kunstschule abgerufen 22.12.2024
[8] Ernst und Lucie Freud (Hrsg.): Sigmund Freud, Briefe 1873-1939. Frankfurt/Main: 1968, S. 398, 9.12.1928, an Richard Dyer-Bennett