Christoph Tepperberg
Evelyn Adunka: Meine jüdischen Autobiographien. Eine Leseverführung und subjektive Auswahl.
Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2021 .
616 Seiten, Euro 30,00.- (Euro 24,00.- für Mitglieder der TKG)
ISBN 978-3-901602-97-9
Bestellungen: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, Engerthstrasse 204/40, 1020 Wien, https://theodorkramer.at/kontakt/; office@theodorkramer.at
"Zeugnis abzulegen über Tun und Lassen eines Lebens ist gute jüdische Tradition." Evelyn Adunkas Buch ist ein einzigartiger Führer durch die Welt jüdischer Selbstbiographien. In ihrem Vorwort (S. 6-9) formuliert die Autorin Zweck und Anliegen ihres voluminösen Bandes:
„Dieses Buch beschreibt in chronologischer Abfolge die Autobiographien von 364 jüdischen Autoren und Autorinnen (285 Männern und 79 Frauen) aus über 20 Ländern von den Geburtsjahren 1833 bis 1963. [...] Aufgenommen wurden Autobiographien von Personen jüdischer Herkunft oder jüdischen Glaubens der letzten beiden Jahrhunderte, die ihr Leben zusammenhängend und ausführlich beschreiben. Wichtig für die Auswahl war, dass nicht nur die berufliche Karriere, sondern auch das persönliche und private Leben beschrieben werden, und dass eine Auseinandersetzung mit der jüdischen Herkunft oder mit einem positiv gelebten religiösen oder kulturellen Judentum stattfindet.”
Zurückgreifend auf ihre lange Lektüreerfahrung und Sammlungstätigkeit beschreibt die Verfasserin die Autobiographien nicht ausschliesslich werkimmanent. Soweit vorhanden, hat Adunka auch begleitende Materialien eingearbeitet: Rezensionen, Nachrufe, Lexikonartikel, Biographien und Briefausgaben. Das Buch zeigt die Vielfalt jüdischer Schicksale und Identitäten und bringt zahlreiche Beispiele gelungener Lebensbeschreibungen aus unterschiedlichsten Orten und Milieus. Die Autorinnen und Autoren lebten und leben in Österreich, Deutschland, Grossbritannien, Palästina, Israel, in den U.S.A. und in vielen anderen Ländern.
Im Zentrum des Bandes stehen natürlich die von Evelyn Adunka zusammengestellten autobiographisch-biographischen Artikel (S. 10-593). Beispiele für bekannte Autobiographen sind etwa der Wiener Historiker Heinrich Benedikt, der burgenländische Sozialist Richard Berczeller, der aus Prag stammende österreichische, tschechische und später israelische Schriftsteller Max Brod, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Ignaz Bubis, der bulgarisch-britische Literaturnobelpreisträger Elias Canetti, der französisch-russische Maler Marc Cagall, die ungarische Philosophin Ágnes Heller, der in Wien aufgewachsene israelische Poltiker und spätere Bürgermeister von Jerusalem Teddy Kollek, der U.S.-amerikanisch-schweizerisch-britische Geigenvirtuose Yehudi Menuhin, der israelische Schriftsteller Amos Oz, der polnisch-amerikanische Pianist Arthur Rubinstein, der deutsche Religionswissenschafter Hans-Joachim Schoeps und der deutsche Historiker Julius Hans Schoeps, der aus einem ostgalizischen Schtetl stammende französische Schriftsteller Manès Sperber, die deutsche Philosophin und Ordensschwester Edith Stein aus Breslau (poln. Wrocław), das britische Wirtschaftshistoriker-Ehepaar Alice Teichová und Mikuláš Teich oder der Leiter des Jewish Welcome Service Vienna Leon Zelman. Ein autobiographisch-biographischer Artikel ist folgendermassen aufgebaut: 1. Titelzeile (Kopfzeile): 1891 Breslau Edith Stein; 2. ein kurzes charakterisierendes Textzitat aus der Autobiographie; 3. der biographische Artikel über die Autobiographin und Philosophin Edith Stein (1891–1942) von Evelyn Adunka; 4. die Quellenangabe zu Edith Steins Autobiographie (S. 129-131). Verzeichnisse der Autobiographen und Autobiographinnen nach geographischen Lebensmittelpunkten (S. 599-602) und nach Berufen (S. 602-606) erleichtern das gezielte Nachschlagen. Eine alphabetische Namensliste der Autobiographen und Autobiographinnen (S. 606-610) bieten eine zusätzliche Übersicht. Detaillierte Verzeichnisse der relevanten Primärliteratur (Rezensionen, Artikel, Interviews, Nachrufe) und der verwendeten Sekundärliteratur (S. 594-599) ergänzen diesen wert- und gehaltvollen Band jüdischer Kultur- und Geistesgeschichte.
Zur Autorin
Dr. Evelyn Adunka, Historikerin, Judaistin und Publizistin, promovierte 1990 an der Universität Wien mit einer Dissertation über den österreichischen Kulturhistoriker Friedrich Heer. Im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung, Redaktionsmitglied bei Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands und freie Mitarbeiterin bei DAVID. Sie verfasste zahlreiche Publikationen zur jüdischen Zeit- und Geistesgeschichte.