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Der Künstler Rudolf Schönwald Der letzte Wiener „sozialistische Realist“ erinnert sich

Stephan Templ

Die Maler des Wiener „Sozialistischen Realismus“ bildeten keinen Bund,  man hatte kein Programm, war für eine Zeit lang Mitglied der

Kommunistischen Partei oder stand ihr nahe, in jedem Fall haderte man mit ihr.

Inhalt

Eine Zeit lang betrieben Alfred Hrdlicka, Georg Eisler, Fritz Martinz und Rudolf Schönwald eine Lithographie-Werkstätte. Im Wesentlichen stellten die vier gemeinsam aus; ein grosses gemeinsames Werk entstand mit der künstlerischen Ausgestaltung der Foyers im Wohnpark Alt-Erlaa.

 

In Schönwalds Erinnerungen, von Erich Hackl niedergeschrieben, geht es weniger um seine Kunst, mehr um das Wunder seines Überlebens. 1928 war er in Hamburg als Sohn des aus Wien stammenden Theaterkritikers Ludwig Schönwald und seiner aus Breslau gebürtigen Mutter Isolde Pringsheim auf die Welt gekommen. 1934 übersiedelte die jüdische Familie nach der Machtergreifung Hitlers in das ganz und gar nicht judenfreundliche Salzburg. Der Vater versuchte sich, wie es der Sohn ausdrückt, „herauszuwurschteln“,  arbeitete als Journalist für die antisemitische Salzburger Chronik und bereitete ein kulturhistorisches Buch: Spiel und Maske in Salzburg, vom Barock bis zu den Salzburger Festspielen vor, das 1938 nicht mehr im Pustet-Verlag erscheinen konnte. Ein Stolperstein in der Salzburger Nesselthalergasse 6 erinnert an ihn.

 

Die Eltern trennten sich, der Vater beging in Hamburg Selbstmord, der Mutter gelang es, Schiffskarten nach England für Rudolf und seinen Bruder Peter zu organisieren, doch da brach gerade der Krieg aus und man sass in Wien fest.  Alles wurde ausgelotet, so auch die Beziehungen der Familie Pringsheim zum Schriftsteller Gerhard Hauptmann. Mutter und Söhne reisten eigens zu dem von den Nazis verehrten Dichterfürsten, doch statt Hilfe hatte der Opportunist Hauptmann bei der Verabschiedung nur Sinnsprüche zu bieten: „Kinder, die Ohren steifhalten.“

 

1943 flieht die Mutter mit ihren beiden Söhnen in das noch nicht von den Deutschen besetzte Budapest, die Kinder kommen zuerst in ein Lager, dann bürgt ein Verwandter für sie, Rudolf beginnt eine Schneiderlehre in einem jüdischen Modesalon – bis zum Einmarsch der Deutschen im März 1944. Nun beginnt die Zeit der Verstecke auf Dachböden, letztlich werden die beiden Buben – da getauft – in einem vom Roten Kreuz zum Schutzhaus erklärten Gebäude untergebracht. Erich Hackl gibt da Rudolf Schönwalds Erinnerungen wieder:

 

Als Gegenleistung erhielten die Hauseigentümer einen Schutzbrief, der in vier Sprachen, darunter Russisch, abgefasst war und in dem festgehalten wurde, dass das Gebäude samt seinen Bewohnern unter dem Schutz des Roten Kreuzes stehe. Das Schreiben sollte sie vor Verfolgung und ihr Haus davor bewahren, nach dem Einmarsch der Roten Armee beschlagnahmt zu werden. Es handelte sich also, nach heutigem Sprachgebrauch, um eine Win-win-Situation. Indem man einen Beitrag zur Rettung jüdischer Kinder leistete, rettete man auch seine eigene Habe“.

 

Rudolf und sein Bruder überleben, auch die nach Auschwitz deportierte Mutter. Alle treffen einander wieder in Wien. Rudolf wird Student an der Akademie der Bildenden Künste in der Meisterklasse von Josef Dobrowsky.

 

Bald findet Schönwald seinen eigenen Weg und widmet sich vor allem der Graphik. 1976 folgt er einer Professur für Bildnerische Gestaltung an die Technische Hochschule Aachen. Hier findet er sein grosses Thema, begibt sich in die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und porträtiert die alten, gerade im Abriss befindlichen Industrieanlagen, denen man noch die Menschenhand ansah:

 

In dem Maschinenzeitalter, wo die Funktion der Maschine auch sichtbar wurde, hatten die Gerätschaften etwas Anthropomorphes. Der Mensch steht also in irgendeiner Weise dahinter. Bis zum Auto, das zwei Augen hat. Die Hochöfen zum Beispiel, diese Riesenanlagen mit Armen, die greifen, haben etwas Anatomisches. Sie sind menschliche Figuren, die abstrakt geworden sind. Bei den modernen Maschinen geht das nicht mehr. Der Dampfmaschine und der Lokomotive ist noch die Kraft anzusehen, die in ihnen steckt. Die Arme, die sich bewegen, die Hebel, die in Gang gesetzt werden.“

 

Schönwald reist wieder in den realen Sozialismus, reist ins tschechoslowakische Ostrava (dt. Mährisch-Ostrau), um das gigantische Rothschild´sche Stahlwerk zu zeichnen, er reist nach Russland, er macht daraus ein europäisches Projekt.

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Abbildung mit freundlicher Genehmigung: Hanser Verlag.

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Abbildung mit freundlicher Genehmigung: Bibliothek der Provinz.

Nachlese

 

Rudolf Schönwald: Die Welt war ein Irrenhaus. Meine Lebensgeschichte nacherzählt von Erich Hackl.

Wien: Zsolnay Verlag 2022.

304 Seiten, gebunden, Euro 26,80.-

ISBN-10: 3552072551

ISBN-13: 978-3552072558

 

Semirah Heilingsetzer (Hrsg.): Rudolf Schönwald – Grafikzyklen aus sieben Jahrzehnten 1950–2020. Monografie und Werkverzeichnis. Mit Beiträgen von Gerhard Amanshauser, Peter Assmann, Peter Baum, Philipp Blom, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Otto Breicha, Berthold Ecker, Joachim Gatterer, Semirah Heilingsetzer, Fritz Herrmann, Wolfgang Hilger, Gert Kerschbaumer und Britta Schinzel.

Weitra:  artedition Verlag Bibliothek der Provinz 2021.

480 Seiten, zahlr. vierfärbige Abb., Hardcover, Euro 48,00.-

ISBN: 978-3-99028-838-2  

http://www.stolpersteine-salzburg.at/de/orte_und_biographien?victim=Schönwald,Ludwig+Franz