Ausgabe

Wenn Namen leuchten Ein neues Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus der Universität Wien

Christoph Tepperberg

Inhalt

Das Gedenkbuch

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich wurden zwischen 1938 und 1945 etwa 3.000, vorwiegend jüdische Angehörige der Universität Wien entlassen, ins Exil gezwungen oder ermordet. 70 Jahre nach dem Anschluss wurden deren Namen im Rahmen eines Forschungsprojekts handschriftlich in einem Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus der Universität Wien 1938 verzeichnet, das Gedenkbuch wurde im DENK-MAL Marpe Lanefesch (dem ehemaligen jüdischen Bethaus des Alten Allgemeinen Krankenhauses) auf dem Campus der Universität Wien hinterlegt. Parallel dazu wird eine gleichnamige, mit einer Suchmaske ausgestattete Online-Datenbank betrieben, die im offenen Forschungsprozess laufend ergänzt wird. Die seit 2009 online gestellte Datenbank umfasst zurzeit die Namen von rund 1.700 vertriebenen Studierenden, von 234 Betroffenen wegen Aberkennung akademischer Grade sowie von rund 200 Professoren und Dozenten. Neben Kurzbiografien sind auch Fotografien, Dokumente und persönliche Erinnerungen implementiert. (http://gedenkbuch.univie.ac.at)

 

Das Denkmal: Wenn Namen leuchten

Unter den Entrechteten befanden sich auch 120 Studierende und acht Lehrende des Studienfachs Geschichte. Ihnen zum Gedenken erfolgte am 19. Mai 2022 vor dem zentralen Hörsaal 41 für Geschichte-Studierende im Universitätshauptgebäude die feierliche Enthüllung des Denkmals Wenn Namen leuchten. Das nach Ausschreibung eines Wettbewerbs ausgewählte künstlerische Konzept stammt von Iris Andraschek. (https://geschichte.univie.ac.at/de/Denkmal-Geschichte)

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Wenn Namen leuchten – Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden (vor dem Hörsaal 41 im Universitätshauptgebäude). Foto: Markus Korenjak, mit freundlicher Genehmigung: Universität Wien.

Die Begleitpublikation

Bei der Denkmaleröffnung wurde auch eine Begleitpublikation präsentiert, in der die Handlungen der Nationalsozialisten und die Namen aller Betroffenen ausführlich dokumentiert sind. Das Denkmal wird im letzten Abschnitt des Bandes vorgestellt: Ausschreibung und Wettbewerb, die eingereichten Entwürfe und Curricula, schliesslich das umgesetzte Konzept von Iris Andraschek (S. 198-208). Der biographische Teil des Bandes Die Vertriebenen (S. 62-197) erfüllt die Funktion eines Personenlexikons mit ausführlichen, gut recherchierten, alphabetisch gereihten Artikeln, Portraitfotos sowie Quellen- und Literaturhinweisen: 120 Studierende (acht von ihnen wurden Opfer der Shoa, S. 55) und acht Lehrende. Stellvertretend sei hier auf die Biographie von Friedrich Engel-Jánosi (1893–1978) hingewiesen: Der aus einer Industriellenfamilie stammende Neuzeithistoriker lehrte 1929-1938 in Wien und Rom, ab 1939 als Emigrant in Cambridge, Baltimore und Washington, 1949-1969 wieder in Wien – zunächst unter höchst widrigen Umständen (S. 176-179). Bekannt wurde Engel-Jánosi durch seine Memoiren mit dem bezeichnenden Titel ... aber ein stolzer Bettler. Erinnerungen aus einer verlorenen Generation (Graz 1974); darin erhob er schwere Vorwürfe gegen Professor Hugo Hantsch, OSB (1895–1972) wegen dessen Wortbrüchigkeit. Als junger Akademiker fragte ich einst einen älteren Kollegen des Österreichischen Staatarchivs, ob Engel-Jánosi gleich nach 1945 nach Österreich zurückgekehrt sei und bekam zur Antwort: „Nein, nein, mein lieber Freund, der hat schön gewartet bis es wieder besser war in Wien!“

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Wenn Namen leuchten… (Begleitpublikation, Wien: Lit Verlag, 2022)

Durch Hinterlegung des Gedenkbuches, Eröffnung des Denkmals, Begleitpublikation und nachhaltige Forschungsmassnahmen sind die lehrenden und lernenden NS-Opfer kollektiv und namentlich Teil des öffentlichen Gedächtnis- und Erinnerungsraumes der Universität Wien.

 

 

Nachlese

 

Herbert Posch und Martina Fuchs (Hrsg.): Wenn Namen leuchten. Von der Universität Wien 1938 bis 1945 vertriebene Geschichte-Studierende und -Lehrende: ein Denkmal. Mit Beiträgen von Martina Fuchs, Andreas Huber, Katharina Kniefacz und Herbert Posch. Wien: Lit Verlag, 2022, 208 Seiten, 10 Farb-Abbildungen, zahlreiche SW-Portrait- oder Gruppenfotos, 34,90 Euro, ISBN: 978-3-643-51106-5