Monika Kaczek
Lizzie Doron: Was wäre wenn. Roman.
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke.
München: dtv 2021.
144 Seiten, Hardcover, Euro 18,50.-
ISBN: 978-3-423-28236-9
Eines Tages erhält Lizzie, die Hauptfigur des Romans, einen Anruf von ihrem Jugendfreund Yigal, der sich in einem Hospiz befindet. Obwohl beide sich seit vierzig Jahren nicht gesehen haben, bittet Yigal sie, der letzte Mensch zu sein, den er vor seinem Tod sieht. Als Lizzie an seinem Sterbebett sitzt, denkt sie an die gemeinsame Vergangenheit und die komplizierte Beziehung zu Yigal. Die Erinnerungen reichen von der Erzählgegenwart im Dezember 2018 bis in ihre frühe Kindheit ins Jahr 1956 zurück:
„Das Leben von damals flackert auf, und mir wird immer kälter. Ich trete vor den Kleiderschrank im Schlafzimmer, ziehe einen Pullover ab. Darin fühle ich mich geborgen. Eine Art von Umarmung“ (Seite 20).
Als Lizzie in den Kindergarten geht, kommt ihre Mutter – eine Shoah-Überlebende – alle zwei Stunden vorbei, um nachzusehen, ob es ihr noch gut geht:
„Der Kindergärtnerin sagt sie, sie habe ja nur mich. Die Kindergärtnerin verspricht, im Lande Israel werde keinem etwas passieren“ (Seite 13).
Bald beginnt das Mädchen, sich für seine Mutter zu schämen. Lizzie will zur Zukunft Israels gehören und nicht zur grausamen Vergangenheit Europas. Als sie im Alter von dreizehn Jahren bei einem Pfadfindertreffen den Boy Scout Yigal Ben Dror kennenlernt, wären die beiden fast ein Liebespaar geworden. Doch der Sechstagekrieg 1967 verhindert die Beziehung. Die Folgen des Jom-Kippur-Kriegs von 1973 bringen Lizzies Weltbild ins Wanken. Freunde sterben in den Kämpfen und Yigal gerät in syrische Gefangenschaft, wo er gefoltert wird. Lizzie beschäftigt sich immer stärker mit der Entstehungsgeschichte des Staates Israel und seiner Besatzungspolitik.
„So ist Was wäre wenn der bewegende Roman einer verpassten Liebe und einer schmerzhaften politischen Desillusionierung. Es gibt eben kein Was wäre wenn, kein Zurück in eine andere Geschichte. Und für Lizzie Doron und ihre Generation existiert auch keine Gegenwart ohne die langen Schatten der Vergangenheit.“1
Zur Autorin
Die 1953 in Tel Aviv geborene Autorin Lizzie Doron studierte Linguistik, bevor sie Schriftstellerin wurde. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 1990 verfasste Doron ihr Buch Lama lo bat lifne ha-milchama? (dt. Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?), eine Spurensuche über die Biographie ihrer aus Deutschland stammenden Mutter, einer Überlebenden der Shoah. Dorons erster Roman Jamim schel scheket (dt. Ruhige Zeiten) wurde mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman Preis ausgezeichnet. 2017 erschien ihr Buch Sweet Occupation.² Im darauffolgenden Jahr wurde sie zusammen mit Mirjam Pressler mit dem Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung ausgezeichnet.
Anmerkungen
1 https://www.deutschlandfunk.de/lizzie-doron-was-waere-wenn-die-macht-der-erinnerung-100.html
2 Siehe: https://davidkultur.at/buchrezensionen/die-tragödie-des-anderen ; DAVID; Heft 113, 06/2017