Ausgabe

Entnazifizierung und Demokratisierung an Österreichs Universitäten ab 1945

Christoph Tepperberg

Inhalt

Heimo Halbrainer/Susanne Korbel/Gerald Lamprecht (Hrsg.):

Der schwierige Umgang mit dem Nationalsozialismus an österreichischen Universitäten. Die Karl-Franzens-Universität Graz im Vergleich.

Graz: CLIO Verlag 2022.

536 Seiten, Hardcover, Euro 29,50.-

ISBN: 978-3-902542-74-8

Im Buchhandel erhältlich oder direkt beim CLIO-Verlag: verlag@clio-graz.net

 

Der Nationalsozialismus hatte mit der Vertreibung von oppositionellen und jüdischen Wissenschaftern sowie der ideologischen Gleichschaltung weiter Teile der Professorenschaft der Grazer Karl-Franzens-Universität in einen akademisch-moralischen Niedergang geführt. 1945 begann die demokratische Reorganisation der Grazer Alma Mater. Mit Blickwinkel auf die wieder erstandene Republik und die österreichische Gesellschaft waren Fragen nach Bruch oder Kontinuität mit dem Nationalsozialismus durchaus kontrovers diskutiert worden.

Eine entsprechende Debatte an den Universitäten war jedoch weitgehend unterblieben. Viel später erst konnte diese Lücke geschlossen werden: 2017 wurde am Centrum für Jüdische Studien der Universität Graz das Forschungsprojekt Die Karl-Franzens-Universität Graz 1945–1955: Neubeginn und/oder Kontinuität eingerichtet, worin die personell-institutionellen Veränderungen und Kontinuitäten ebenso beforscht wurden wie die Etablierung demokratischer Strukturen. Die breit angelegten Forschungen erfolgten in Kooperation mit dem Ludwig-Bolzmann-Institut für Gesellschafts- und Kulturgeschichte, mit CLIO. Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit sowie mit der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz. Auf Basis der Grazer Forschungsergebnisse wurde für 2019 unter dem Titel Der schwierige Umgang mit dem Nationalsozialismus. Die steirischen Universitäten im österreichischen Vergleich zu einem zweitägigen Symposion nach Graz eingeladen, um die bisherigen steirischen Forschungen zu diskutieren und diese mit Untersuchungen zu anderen Universitäten Österreichs und Deutschlands abzugleichen. Im vorliegenden Sammelband werden daher nicht nur die für Graz gewonnenen Erkenntnisse präsentiert, sondern auch die Massnahmen der Entnazifizierung und des Neubeginns an den einzelnen österreichischen Universitäten und Hochschulen vorgestellt. In aller Kürze formuliert, erbrachten die Forschungen folgendes Ergebnis: Ab 1945 gab es an der Grazer Universität ernsthafte Bemühungen um einen demokratischen Neubeginn, allerdings wurden diese Bemühungen oftmals durch persönliche Befangenheit sowie rechtlich-bürokratische Widrigkeiten oder Unklarheiten zwischen den Akteuren der Universität Graz, der Stadt Graz, dem Land Steiermark, den Wiener Stellen und der britischen Kontrollmacht behindert oder gar verhindert. Entgegen allen Vermutungen stellen sich die Pannen und Defizite an der Karl-Franzens-Universität, in der einstigen „Stadt der Volkserhebung“, nicht als Sonderfall dar. Vielmehr haben die in Graz beobachteten Prozesse auch für die übrigen österreichischen Universitäten Gültigkeit (S. 13-14).

Der einstige Rektor der Universität Graz und gegenwärtige Bildungsminister Martin Polaschek verfasste ein bemerkenswertes Vorwort zu dem Sammelband (S. 9-10), die Einleitung der drei Herausgeber enthält die oben dargelegte Grundinformation (S. 11-14). Im Zentrum der Publikation stehen die 22 wissenschaftlichen Einzelbeiträge der beiden Hauptabschnitte: Die Universität Graz (S. 17-327) und Aspekte der Entnazifizierung an österreichischen Universitäten und Hochschulen (S. 331-525), worauf in diesem Rahmen jedoch nicht näher eigegangen werden kann. Die 27 Autorinnen und Autoren der Beiträge sind Zeithistoriker und Zeithistorikerinnen unterschiedlicher Ausbildungsgrade des Centrums für Jüdische Studien Graz, von Universitäten des In- und Auslandes, von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und einigen Wissenschaftsarchiven. Curricula der Autorinnen und Autoren (S. 527-530) sowie Verlagshinweise: Zeitgeschichte bei Clio (S. 531-534) und Autobiografische Texte bei Clio (S. 535-536) ergänzen die beeindruckende Publikation.

Autorinformationen

Dr. Heimo Halbrainer (geb. 1963) ist Leiter von CLIO. Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit, Dr. Susanne Korbel (geb. 1991) forscht und lehrt am Centrum für Jüdische Studien der Universität Graz, Univ.-Prof. Dr. Gerald Lamprecht (geb. 1973) ist Leiter des Centrums für Jüdische Studien der Universität Graz.

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