Brigitte Ungar-Klein: Schattenexistenz.
Jüdische U-Boote in Wien 1938–1945
Wien: Picus Verlag 2019
376 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-7117-2079-5, 28,00 Euro
Auch als E-Book erhältlich
ISBN: 978-3-7117-5398-4, 22,99 Euro
In ihrem Buch behandelt die Historikerin Brigitte Ungar-Klein das Schicksal jener Jüdinnen und Juden, die als so genannte U-Boote die Jahre 1938 bis 1945 in der Illegalität überlebten. Manche versteckten sich an unterschiedlichen Orten oder besorgten sich mit falschen Ausweispapieren eine neue Identität. Neben Archivrecherchen führte Brigitte Ungar-Klein auch zahlreiche Interviews mit Überlebenden, deren Angehörigen sowie den Helferinnen und Helfern.
Die Lebensgeschichten von Ida Hirschkron und Robert Schindel sind zwei Beispiele für Schattenexistenzen.
Ida Hirschkron (30. Juni 1903 – 13. Dezember 1992) wurde im Februar 1939 von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie am 21. September 1941 freigelassen wurde und nach Wien zurückkehrte. Mithilfe ihres Schwagers Josef Krenberger konnte Ida Hirschkron mit ihrer Schwester bis zur Befreiung Wiens als U-Boot überleben konnten. In ihrem selbstverfassten Lebenslauf vom 14. Oktober 1945 berichtet sie über die Situation: „Wir lebten von schwerer Arbeit, Kohlenaustragen, Dachbodenumlagen, Küchengehilfin, Bedienerin, usw. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht mussten wir arbeiten, da wir kein Vermögen hatten und wir alles im Schleichhandel kaufen mussten. Die rote Armee erlöste uns aus diesem Elend. Stellte mich sofort als freiwillige Helferin der Bezirkshauptmannschaft Marg. und auch meiner pol. Partei (KPÖ) zu Wiederaufbaus Österreichs zur Verfügung.“ (S. 289)
Robert Schindel wurde am 4. April 1944 als Sohn der jüdischen KommunistInnen Gertrude Schindel (5. Jänner 1913 – 11. März 2008) und René Hajek (2. März 1911 – 28. März 1945) geboren. Nach der Verhaftung der Eltern, die sich als elsässische Fremdarbeiter getarnt hatten, um eine Widerstandsgruppe aufzubauen, wurde der Säugling unter dem Namen Robert Soël im jüdischen Kinderspital in der Wiener Tempelgasse (damals Mohaplgasse) untergebracht. Die Fürsorgerin Franzi Löw1 und die jüdische Mignon Langnas2 verhinderten seine Deportation in ein Konzentrationslager. René Hajek wurde am 28. März 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet. Gertrude Schindel überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück. Sie kehrte 1945 nach Wien zurück, wo sie als Angestellte der KPÖ tätig war. In seinem Beitrag schreibt Robert Schindel: „Die Linzer Geburtsklinik war zerbombt, und die Mütter eines bestimmten Stadtteils haben alle in Bad Hall entbunden, circa 40 Kilometer von Linz. (...) Da kam ich am 4.4.44 zur Welt. Das war ein wichtiges Datum, sonst hätte mich meine Mutter nicht wiedergefunden.“ (S. 357) Bis zum Kriegsende blieb Robert Schindel im Kinderheim. „Dann wurde ich zu einer Frau Schubert in Pflege gegeben, nach Meidling, das war eine Frau, die mit den Kommunisten sympathisiert hat, (...) und dort wurde ich nach dem Slogan: 4.4.44 – Robert, Leberfleck am rechten Arm, im August 45 von meiner Mutter gefunden. “ (S. 359)
Zur Autorin Brigitte Ungar-Klein studierte Geschichte und Germanistik und übte den Lehrberuf aus. Daneben wissenschaftliche Forschung zum Thema Zeitgeschichte und Holocaust. Sie war Direktorin des Jüdischen Instituts für Erwachsenenbildung in Wien. Gemeinsam mit Herbert Exenberger und Johann Koß verfasste sie Kündigungsgrund Nichtarier. Die Vertreibung jüdischer Mieter aus den Wiener Gemeindebauten in den Jahren 1938–1939 und sie ist Herausgeberin von Jüdische Gemeinden in Europa. Zwischen Kontinuität und Aufbruch.
1 Franziska Danneberg-Löw (2. Jänner 1916, Wien – 28. November 1997, Wien) war eine jüdische Widerstandskämpferin. Nach der Befreiung Wiens kümmerte sich Löw um Jüdinnen und Juden, die in der Stadt überlebt hatten oder aus den KZ zurückkamen.
2 Mignon Langnas, geborene Rothenberg (1903, Boryslaw – November 1949, New York) stammte aus einer jüdischen Familie. Ab 1940 arbeitete sie als Krankenschwester für das Altersheim der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien und ab 1942 für das jüdische Kinderspital.
Monika Kaczek