Durch die Nähe zur Grossstadt Wien erfreute sich der beschauliche Kurort Baden auch seitens vieler Juden grosser Beliebtheit.
Bereits im frühen 19. Jahrhundert, als das Städtchen durch die Sommeraufenthalte von Kaiser Franz I. einen grossen Aufschwung erfuhr, zogen es auch Angehörige der jüdischen Oberschicht wie die Familien Arnstein, Todesko und andere vor, ihre Sommer in Baden zu verbringen, um der ungesunden Wiener Stadtluft zu entfliehen. Bereits um 1819 gab es daher eine kleine, höchst bescheidene Synagoge. Infolge des stetig wachsenden Zuzuges begann man sich ab den sechziger Jahren immer mehr zu organisieren, so dass es trotz langwierigen örtlichen Widerstandes 1871 zur Gründung eines Kultusvereines kam, der schliesslich 1876 den Status einer Kultusgemeinde erhielt. Ungeachtet der schwierigen Umstände wurde jedoch bereits 1871 ein grösserer Betsaal (beziehungsweise eine Synagoge) eingerichtet, der allerdings, in einem verschachtelten Komplex gelegen, nicht nach aussen in Erscheinung trat. Im selben Jahr wurde auch ein Areal an der Halsriegelstrasse angekauft, so dass 1873 ein jüdischer Friedhof angelegt und ein kleines bescheidenes Friedhofsgebäude vom örtlichen Baumeister Franz Breyer errichtet werden konnte, der auch schon zwei Jahre zuvor die kleine Synagoge eingerichtet hatte.
Aufgrund des erhöhten Bedarfs infolge der steigenden Frequenz von jüdischen Kurgästen wurden dann 1897 neuerlich einige Parzellen erworben, und die Anlage wurde erweitert. Allerdings entsprach die alte kleine Zeremonienhalle jetzt nicht mehr den Anforderungen. 1903 wurde daher seitens der Kultusgemeinde ein Antrag zum Bau einer neuen Zeremonienhalle gestellt, und drei Entwürfe wurden eingeholt, um dann im November des Jahres an den Wiener Architekten Wilhelm Stiassny, der kurz zuvor die kleine örtliche Synagoge renoviert hatte, den Auftrag zu erteilen. Wilhelm Stiassny (1842–1910) war damals einer der meistbeschäftigten Architekten in Wien: Neben der Planung einer Unzahl von Wohnbauten und karitativen Einrichtungen für jüdische Organisationen galt er insbesondere auch als der Spezialist für den jüdischen Kultbau. Seine zumeist in einem orientalisierenden Stil errichteten Synagogen verteilten sich auf das gesamte Gebiet der Donaumonarchie. In Wien war er in den späten siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts für die Planung der Anlage der alten israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofes verantwortlich gewesen und hatte auch dort die prachtvolle Zeremonienhalle errichtet. Der Umstand, dass die Badener Kultusgemeinde einen dermassen renommierten Architekten aus der Hauptstadt heranzog, zeigt, welche Bedeutung seitens der örtlichen jüdischen Gemeinde diesem Vorhaben beigemessen wurde.
Bereits im Februar 1904 lagen dann die Baupläne Stiassnys vor, die schliesslich mit einer Bausumme von 50.000 Kronen vom Vorstand der Kultusgemeinde bewilligt wurden. Als ausführender Baumeister wurde Anton Breyer bestellt, der Sohn des oben genannten Stadtbaumeisters Franz Breyer, mit dem auch dem Stiassny bereits in seinen Anfangsjahren zusammen gearbeitet hatte. Der Baufortschritt ging dann ungemein zügig voran – obwohl der erste Spatenstich erst Anfang Mai erfolgt war, wurde bereits am 11. November 1904 die Zeremonienhalle für die Leichenfeier einer Frau Kundy Seiler in Funktion genommen. Offensichtlich war der Bedarf sehr dringlich, denn die offizielle Eröffnung erfolgte erst einige Tage später, am 27. November, durch die Verlesung einer geschichtlichen Urkunde über die jüdische Gemeinde in Baden. Abgehalten wurde dieser Festakt im Sitzungssaal der örtlichen Kultusgemeinde in Anwesenheit von Rabbiner Dr. Reich, Mitglieder der Chewra Kadischa, dem Architekten Wilhelm Stiassny, dessen Frau und anderen Honoratioren. Die Einweihung der Zeremonienhalle wurde hier als einer der Höhepunkte in der Geschichte der Badener Juden hervorgehoben. So wurde bei den Reden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass:
„ (…) die Vertreter der Kultusgemeinde und der Chewra Kaddischa das Zustandekommen dieses prachtvollen Monumentalgebäudes mit heiligem Eifer gefördert und kein Opfer an Zeit und Mühe gespart, um dieses Haus so auszustatten, dass es zum Ruhme aller Beteiligten noch in den spätesten Jahren gereichen wird.“
Obwohl der Bau schon einige Zeit in Funktion gewesen war, erfolgte die feierliche Schlusssteinlegung dann allerdings erst am 4. März 1906 in Anwesenheit des Kultusvorstandes und selbstverständlich auch des Architekten Stiassny. Ursache der Verzögerung war höchstwahrscheinlich die Übersendung des Schlusssteines, der ein Geschenk des Jerusalemer Spitalvereines „Misgab-ladoch“ und mit den Worten „Deine Diener lieben Jerusalems Steine. Denken ihres Staubes wehmutsvoll“ versehen war. Der Umstand, dass man darauf bedacht war, den Schlussstein in einen so bedeutungsschweren Kontext zu stellen, und auch die offenbar kostspielige Innenausstattung sind weitere Hinweise dafür, dass die Badener Zeremonienhalle seitens der örtlichen jüdischen Gemeinde als einstweilige Kompensation für die eher bescheidene Synagoge dienen musste. Denn obwohl seit längerem ein repräsentativer Neubau geplant war, ist es dennoch nie dazu gekommen, ungeachtet des Umstandes, dass eine Reihe von sehr wohlhabenden Mitgliedern der Badener Kultusgemeinde angehörte. Nicht wenige wohnten eigentlich in Wien und hatten in Baden ihre Sommersitze. Zu den prominentesten gehörten die Brüder David und Wilhelm Gutmann, die äusserst repräsentative Villen in der Kurstadt besassen und auch einen Grossteil des Jahres dort verbrachten.
Die Badener Zeremonienhalle wurde von dem Architekten Wilhelm Stiassny in archaisch klassizierenden Formen mit Anlehnungen an den zeitgenössischen Jugendstil errichtet, wobei insbesondere die kurz zuvor errichteten Aufbahrungshallen des Wiener Zentralfriedhofes, die im Zuge der Erneuerung des Eingangsbereiches von Max Hegele 1903 errichtet worden waren, zweifellos als Vorbild gedient hatten. Dass der Architekt hier den „modernen Stil“ der Zeit einbrachte, ist insofern bemerkenswert, als Stiassny gleichzeitig Zeremonienhallen für die jüdischen Friedhöfe von Iglau (heute Jihlava, Tschechische Republik) und Znaim (heute Znojmo, Tschechische Republik) plante, die in formaler Hinsicht wesentlich konventioneller einem historistischen Kanon verpflichtet waren. Dies lässt darauf schliessen, dass der Architekt sehr sensibel auf die weltläufig, mondäne Ausrichtung der Badener jüdischen Gemeinde reagierte.
Demgemäss prägte eine klassizierende Moderne die Aussenerscheinung. Das Gebäude wurde von einem eher wuchtig wirkenden Mittelteil dominiert, der von einer flachen Kuppel bekrönt war und in dem sich auch die eigentliche Zeremonienhalle befand, die über ein von einem Tympanon bekröntes Portal zu betreten war. Die über dem Gesims angebrachten Urnen vermittelten die Bedeutung des Baus in seiner Funktion für den Totenkult. In den deutlich abgesetzten niederen Seitenteilen waren der Leichenwaschraum, die Wohnung des Friedhofswächters, ein Zimmer für den Kantor und anderes untergebracht. Leider haben sich keinerlei Dokumente über die – nach zeitgenössischen Berichten – aufwendige Innenausstattung erhalten.
Die Friedhofsanlage wurde bis 1938 noch zweimal erweitert, und die Zeremonienhalle erfüllte ihre Funktion bis zum Novemberpogrom 1938. Da die Pläne der Badener jüdischen Gemeinde zur Errichtung einer neuen Synagoge nicht verwirklicht wurden, war die Zeremonienhalle bis dahin einer der wenigen Bauten der öffentlichen Selbstdarstellung der jüdischen Gemeinde in Baden. Im Zuge des Novemberpogroms wurde das Gebäude devastiert und geplündert, wobei man es vor allem auf die wertvollen Baumaterialien abgesehen hatte, um sie schliesslich zu sprengen. Nur das rechte Nebengebäude, in dem sich die Wohnung des Friedhofswächters befand, existiert als einsames Relikt bis heute.
Zeremonienhalle Baden. Rollettmuseum, mit freundlicher Genehmigung.