404: Not Found
Die Lage des „Besitzbürgertums“ wurde nach der Befreiung Ungarns durch die Rote Armee 1945 äusserst problematisch.
Die Lage des „Besitzbürgertums“ wurde nach der Befreiung Ungarns durch die Rote Armee 1945 äusserst problematisch.
Die sogenannten Arbeiterparteien – Kommunisten, Sozialdemokraten und die Bauernpartei – führten lange Jahre einen erbitterten Kampf gegen die Mehrheit der zehn bürgerlichen, rechtsgerichteten und nationalistisch geprägten Parteien. Die Übernahme der Regierung seitens der von der sowjetischen Besatzungsmacht unterstützten Kommunisten erwies sich als schwierig. Einer der Gründe dafür war, dass in der ungarischen Hauptstadt noch bis 1947 der Kontrollrat der Alliierten unter der Beteiligung der Amerikaner und Engländer anwesend war. Dieser versuchte, kommunistische Übergriffe zu verhindern. Dies wiederum zwang die Kommunistische Partei, die KP, dazu, einen „Klassenkampf“ an mehreren Fronten zu führen. Eine der Schlagrichtungen der KP war es, intensive Hetzkampagnen gegen diejenigen durchzuführen, die die Not der Arbeiter durch Schwarz- und Devisenhandel auszunützen versuchten. Die Partei und ihre führenden Funktionäre (Mátyás Rákosi, Mihály Farkas und Zoltán Vas) waren jüdischer Abstammung, hetzten aber die Landbevölkerung, vornehmlich in den Industriezentren in der Provinz, gegen die „klassenfremden“ „jüdischen Ausbeuter“ und „Schwarzhändler“ auf.
Noch einige Jahre nach Kriegsende gab es in Ungarn kleinere Betriebe aus Industrie und Handwerk, die in privater Hand waren. Von den beinahe 500.000 während der Shoah deportierten Juden kehrten nach der Befreiung der Konzentrationslager einige tausend nach Ungarn zurück. Diese ausgeplünderten, entkräfteten Menschen führten einen harten Kampf, um ihre geraubten Wohnungen, Häuser oder Geschäfte von den neuen Besitzern zurück zu erhalten. Dies hat im Land Aufregung, Unzufriedenheit und Verbitterung bei der Bevölkerung ausgelöst. Diese Lage versuchten die Arbeiterparteien für sich politisch auszunutzen. Die Unruhen haben den Nährboden für die „Verstaatlichungen“ der Banken und immer kleinerer Betriebe bereitet. Parallel führte die KP auch einen äusserst intensiven Kampf gegen Religionen und religiöse Einrichtungen. Neben katholischen und evangelischen Kirchenmännern wurde der in Ungarn erstarkte Zionismus von der KP verteufelt, einzelne zionistische Führer vor Gericht gestellt und wegen verleumderischer Anklagen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Nach der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1948 brachte die alleinregierende Einheitspartei alle Religionsgemeinschaften unter ihre Kontrolle. Formell wurde zwar deren Autonomie anerkannt, sämtliche ihrer Einrichtungen und ihrer führenden Personen wurden jedoch unter starke staatliche Kontrolle gestellt. Die Gemeinden, in denen die jüdische Gemeinde organisiert war, wurden zwangsvereinigt.
Nach diesen Ereignissen und Vorkommnissen setzten die bereits von den Kommunisten gleichgeschalteten Sicherheitsbehörden zu ihrem nächsten Schlag gegen „Elemente“ der früheren „Ausbeuterklassen“ an. Im Juni 1950 und Juli 1951 haben die Organe des Innenministeriums insgesamt 5.182 Familien, oder, wie sie es formulierten, 12.704 ehemalige „Ausbeuter“ aus dem Stadtgebiet von Budapest entfernt. Ihre Wohn- und Aufenthaltserlaubnis wurde entzogen. Kurz darauf kamen weitere 1.200 Familien dazu, die ebenfalls aus der Hauptstadt „ausgesiedelt“ und deportiert wurden. Ähnliche Aktionen fanden auch in einigen grösseren Provinzstädten statt. Nach offizieller Verlautbarung handelte es sich lediglich um „Angehörige“ der ehemals „herrschenden Klassen“, die als „unerwünschte Elemente“ bezeichnet wurden. Dazu zählten die Machthaber ehemalige Fabrikbesitzer, Finanziers, Grosshändler und – zum früheren faschistischen Staatsapparat gehörende – Angehörige der Armee, der Polizei und der Gendarmerie. Die Aussiedlungsverordnungen betrafen auch diejenigen Landwirte, die über mehr als einen mittelgrossen Landbesitz verfügten.
Die Betroffenen mussten innerhalb von 24 Stunden ihre Wohnungen und Häuser verlassen, ohne eine Möglichkeit zum Widerspruch. Die von den „Sicherheitsbehörden“ eingesammelten Transporte wurden in den Budapester Vorstadtbahnhöfen jeweils um drei Uhr früh in die Waggons gezwängt. Ihr zurückgebliebenes Eigentum haben die Staatssicherheitsbehörden konfisziert und verkauft. Die herrenlos gebliebenen Wohnungen wurden an linientreue ausgewählte Personen, Parteifunktionäre und regimetreue Arbeiter verteilt.
Die Statistiken registrierten mindestens fünfzehn Prozent der Ausgewiesenen als Juden. Anzumerken ist jedoch, dass bereits während des faschistischen Regimes unter dem Reichsverweser Miklós Horthy, Anfang der 1940er Jahre, viele Juden ihre ursprüngliche Abstammung verleugnen mussten, falsche Papiere benutzten, oder sich sogar taufen liessen. Somit kann man davon ausgehen, dass mit dem Anteil dieser ursprünglich jüdischen Menschen die Anzahl der Ausgewiesenen Juden sogar fünfundzwanzig Prozent erreicht hat.
Die „Aussiedlung“, wie sie offiziell genannt wurde, erfolgte in die entferntesten Komitate Ungarns, in die unwirtliche Pusztá, die einsame, öde Tiefebene und in die ärmlichsten Bauerndörfer, wo die Menschen ständig unter Polizeiaufsicht standen. Die Ausgesiedelten wurden in Behausungen mit Lehmböden untergebracht, ohne Wasser, ohne Heizung und ohne elektrischen Strom. Zu den ärmlichen Verhältnissen kam noch hinzu, dass die Lebensmittelversorgung im Lande ohnehin kärglich war und als erstes die Ausgesiedelten betraf. Eine zusätzliche Demütigung und Schikane seitens der kommunistischen Machthaber war, dass die Opfer des nationalsozialistischen Terrors und Überlebende der Shoah zusammen mit ihren früheren Peinigern und Hassern tagein, tagaus leben mussten.
Die Älteren und von den Erlebnissen völlig entkräfteten Juden sandten massenweise Hilferufe an die jüdische Gemeinde Budapests. Die Zentrale der Gemeinde war jedoch nicht in der Lage, irgendeine Hilfe zu leisten. Die angestrebten Versuche einer Vermittlung seitens des Gemeindepräsidenten Ludwig Stöckler wurden von hohen Parteifunktionären aufs Gröbste zurückgewiesen. Ein höherer Parteibeamter schrieb an Stöckler: „Hier handelt es sich nicht um arbeitende Menschen, sondern um Ausbeuter, Kapitalisten und parasitäre Elemente.“ Einzelne jüdische Gemeinden in Ungarn, wie beispielsweise Szeged oder Debrecen, die über eigene Altersheime verfügten, konnten manchmal durch ihre persönlichen Kontakte mit den Behörden erreichen, dass einige der völlig entkräfteten alten Menschen dorthin aufgenommen werden durften.
Erst ein neues Regierungsprogramm im Sommer des Jahres 1953 ermöglichte die Rückkehr der Ausgesiedelten nach ihrem früheren Wohnort. Ihre eigenen Wohnungen aber haben sie nie wieder zurückerhalten. So viele Menschen deportiert wurden, so viele tragische Schicksale wurden erlitten.