Licht unseres
Glaubens
Das Lichtzünden zu Chanukka verdeutlicht die beständige und dauerhafte Verbindung zwischen Juden von einst und heute.
Diese Verbindung mit der Vergangenheit kann unsere spirituelle Zukunft sichern. Die Tatsache, dass wir um Begebenheiten, die sich vor tausenden von Jahren ereignet haben, sowohl trauern als auch sie feiern können, ist nicht nur ein Zeugnis für das jüdische Volk, sondern auch für den Glauben an unsere Sitten und Bräuche, auch wenn dieser sich über alle Facetten der Frömmigkeit erstrecken kann – von der säkularen bis zur religiösen.
In einer modernen Welt befolgen wir vielleicht manches Gebot oder manche traditionelle Überlieferung nicht, aber tief in unserem inneren Kern bleibt das Wesen dessen, was wir sind, so stark wie einst, als die Makkabäer das Joch der heidnischen Unterdrückung abschüttelten, um wieder Stolz und Würde zurück zu erlangen.
Heute erklären wir uns solidarisch mit allen Menschen, die sich nach einer Welt in Frieden sehnen. Unfreiheit, Diktatur und Gewalt waren vielleicht immer ein Bestandteil der Geschichte der Menschheit, aber es war noch nie so „einfach“ wie heute, Gewalt auszuüben, für jene, die das Gemeinwohl verletzen und zerstören wollen.
Es ist nicht schwer heute, so scheint es, sich Kriegs- und Massenvernichtungswaffen zu besorgen und riesige Arsennale solcher Munition anzulegen. Das Wissen um diese möglichen todbringenden Aktionen versetzt uns häufig in Angst und Schrecken.
Angesichtes der Terrorakte und kriegerischen Auseinandersetzungen ist es schwer, keine Angst zu empfinden. Wir haben Angst um die Sicherheit der Menschen, die wir lieben. Wir sind verletzlicher geworden, unabhängig davon, wo wir leben. Vielleicht auch wütend, dass wir es als Gesellschaft mit all ihrer Gescheitheit und Raffinesse nicht besser machen können.
Es ist an der Zeit für uns alle, alles dafür zu tun, nicht nur unser Heim und unser Land, sondern auch unsere Welt zu einem sichereren und liebevolleren Ort für alle, die darin leben, zu machen.
Wir stehen mitten in einer Epidemie der Gewalt, die durch den leichten Zugang zu den Kriegs- und Terrorinstrumenten des Todes gefährlicher geworden ist.
Die Politik oder die Politiker allein können es nicht schaffen, uns in eine sicherere und liebevollere Welt zu bringen. Unsere Herausforderungen sind aber nicht nur politischer Art, sondern sie besitzen auch einen spirituellen Charakter.
Unser Glaube fordert uns auf, für unsere Werte – Liebe und Toleranz, Mitgefühl und Frieden – einzutreten, auch wenn die Welt um uns herum vielleicht auf ganz anderen Pfaden zu wandeln scheint. Unser Glaube ruft uns dazu auf, eins zu sein mit den Mitgliedern unserer Familie. Eins zu sein mit allen, die wir lieben und mit denjenigen, die uns lieben. Wenn wir uns gegenseitig angreifen, wird es die Angst sein, die gewinnt. Wenn wir zu einander stehen, wird die Liebe siegen.
Wir feiern weltweit Chanukka. Damals, vor Generationen, schien es, als würde das Licht unseres Glaubens für immer erlöschen. Wir erzählen in jedem Jahr aufs Neue die Geschichte von Chanukka, als die Menschen im Tempel nur ein kleines Krüglein Öl fanden, um das Licht in der Menora anzustecken. Dieses Öl hätte nur für einen Tag gereicht. Aber es reichte und leuchtete doch für acht Tage. Lange genug, um mehr reines Öl herzustellen. Und dies während einer Zeit des Krieges, damit das Licht des Tempels für alle erstrahlt.
Die Chanukka-Geschichte ist nicht nur Süsse und Licht. Es ist eine komplexe Geschichte von Kampf und Opfer, eine Geschichte über eine Zeit der Angst und des Terrors. Gewaltherrscher versuchten, das Licht des jüdischen Glaubens auszulöschen. Und wieder wurde unser Volk mit dem Gesicht der Tyrannei und Unterdrückung konfrontiert.
Die meisten von uns verbinden das Chanukka-Fest mit dem Entzünden der Lichter, dem Spielen mit dem Sewiwon (jidd. Dreidel, Kreisel) und natürlich dem Verspeisen leckerer Krapfen und knuspriger Latkes.
Unsere liturgische Tradition jedoch verheisst uns das Einsetzen des „Al HaNissim“ Gebetes:
„Diese Lichter zünden wir an ob der Wunder, Siege und allmächtigen Taten, welche Du für unsere Vorfahren vollbracht hast durch Deine heiligen Priester. An allen acht Chanukkatagen sind diese Lichter heilig und es ist uns nicht erlaubt, sie (für profane Zwecke) zu benützen. Wir dürfen sie nur betrachten, um Deinem Namen zu danken, für Deine Wunder, für Deine Hilfe und Deine allmächtigen Taten.“
Es scheint, als ob der Autor der liturgischen Dichtung und des späteren Gebetes „Al HaNissim“ die Rolle unterstreichen will, die G‘tt sowohl in der Geschichte als auch in unserem täglichen Leben spielt. Vielleicht ist die Lehre aus „Al HaNissim“, dass das eigentliche Wunder von Chanukka war, jenen Kräften und Einflüssen Widerstand zu leisten, welche die Assimilation und damit den Untergang des jüdischen Volkes herbeigeführt und dadurch unser geistiges Erbe bedroht hätten — und dass letztendlich das Judentum doch den Sieg davontragen konnte. Durch die Leiden im Krieg der Makkabäer mit den Hellenisten wurde dem Volk Israel G‘ttes Kraft kundgetan. Es war der Impuls für eine nationale Wiedergeburt.
Die Chanukka-Geschichte ist eine jüdische Geschichte, aber sie ist auch eine ewig menschliche Geschichte. Das Leben wird immer Herausforderungen, Sorgen, Gefahren mit sich bringen, aber das jüdische Leben ruft uns trotzdem zum Feiern auf.
Dies ist die Botschaft für Chanukka 5781, und es ist eine Botschaft für unsere Zeit. Wenn wir zulassen, dass Angst und Wut uns entzweien oder uns lähmen oder uns zum Schweigen bringen, können die Kräfte der Angst gewinnen, und wir wären es, die verlieren.
Wir leben mitten in einer von Bedrückung verdunkelten Welt. Aber wir leben auch in einer Welt mit reichlich Licht für alle.
Manchmal scheint das Licht auszugehen. Jedoch: Das Licht erlischt nie!! Wir bringen Licht, wenn wir uns begegnen, wenn wir mit unseren Worten und mit unseren Taten den Leuchter der Liebe und Verbundenheit entzünden; wenn wir alle redlichen Menschen auf dieser Welt respektieren und als achtbar und ehrenwert ansehen.
Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben. Nur das Licht kann das tun. Hass kann den Hass nicht vertreiben. Nur die Liebe und die Verständigung können das tun.
Was immer das Leben bringen mag, ist unsere Hoffnung, um unserer Kinder und unserer Welt willen, dass wir die Liebe und die Toleranz unser Leben führen lassen. Und Licht schenken, wo auch immer wir wirken können.