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„Es hat jeder seine eigenen Erfahrungen gemacht, man konnte nichts vergleichen“ In Erinnerung an Lida Winiewicz s. A. (1928–2020)

NACHRUF

In der Nacht zum 7. Oktober verstarb die Schriftstellerin Lida Winiewicz in ihrer Wiener Wohnung. Lida Winiewicz wurde als Verfasserin zahlreicher Fernsehspiele und TV-Serien bekannt.

Inhalt

Der Grossvater der Autorin wurde von Kaiser Franz Josef von Krakau nach Wien versetzt, wo Lida Winiewicz am 17. März 1928 geboren wurde. Ein Jahr später verstarb ihre Mutter. Das Idyll der liberalen, gutbürgerlichen Familie nahm 1938 ein jähes Ende, da Lida und ihre ältere Schwester – wegen ihrer jüdischen Grossmutter  –  als „jüdisch versippt“ und „Mischling zweiten Grades“ galten. In ihrer 2019 erschienenen Biografie Achterbahn  – Vom Schreiben lernen berichtete Lida Winiewicz auch über den Tod ihres Vaters, der mit seiner zweiten Ehefrau in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. 2019 erinnert sie sich in einer Rede im Rahmen einer Matinee im Volkstheater an den Morgen nach dem 9. November 1938: „Meine Mitschülerin Rene Stern kam verweint in die Schule. Das väterliche Juweliergeschäft war ausgeraubt worden. Und der Vater krankenhausreif geprügelt. (...) „Es hat jeder seine eigenen Erfahrungen gemacht, man konnte nichts vergleichen. Wir haben Glück gehabt in dieser Nacht. Das war alles, was ich erlebt habe.“ 1

Nach Absolvierung eines Gesangsstudiums an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien studierte sie Englisch, Französisch und Italienisch. Der Weg zum Schreiben begann mit ihrer Arbeit als Übersetzerin, unter anderen der Werke von Marivaux, Colette und Graham Greene. Wegen eines Wettbewerbs begann sie ein Stück über die US-amerikanische Rassendiskriminierung zu verfassen. 1960 gewann sie mit dem Drama Das Leben meines Bruders den ersten Preis des Wettbewerbs des Theaters der Courage. 2008 wurde im Wiener Stadttheater Walfischgasse das Zwei-Personen-Stück Paradiso uraufgeführt.

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Foto:  2019 (Gerfried Pongratz, https://de.wikipedia.org/wiki/Lida_Winiewicz#/media/Datei:Lida_Winiewicz_6._Juni_2019.jpg , https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Zu ihren letzten Büchern zählen Geisterbahn – Eine Wiener Weltreise (2008) sowie der Roman Die Kinder gehen in die Oper (2007), wo sie eine Jugend im nationalsozialistischen Wien aus der Sicht zweier „jüdisch versippter“ Kinder schildert. Mit dem autobiografischen Roman Der verlorene Ton (2016) widmete sie sich ihrer Kindheit und Jugend. Im vergangenen Sommer erschien ihr letztes Buch Späte Gegend. Protokoll eines Leben, das den Alltag einer 80-jährigen Bäuerin aus dem Mühlviertel beschreibt.

Lida Winiewicz verfasste zahlreiche Drehbücher zu TV-Serien und Fernsehspielen wie Der Fall Bohr (1965) mit Ernst Deutsch und Helmut Qualtinger, Blaue Blüten (1970) mit Walter Schmidinger, Die Orgel (1984) mit Hans Christian Blech, Damenwahl mit Ernst Schröder oder für das Remake von Hofrat Geiger (1996) mit Peter Weck und Christiane Hörbiger. Für ihr Buch zur erfolgreichen Serie Elternschule erhielt Lida Winiewicz den Preis der österreichischen Volksbildung. Zu ihren weiteren Auszeichnungen zählen unter anderem der Adolf-Grimme-Preis (1976), die Romy (1990) das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien (2009) sowie 2017 der Preis der Stadt Wien.

 

1 https://epaper.neue.at/thema-des-tages/2019/11/08/sie-verlor-den-ton-und-fand-ihre-stimme.neue