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Bernhard von Eskeles (1753 – 1839) und seine Vorfahren Zur Geschichte der Familie Eskeles Teil I

Tina Walzer

Der Mitbegründer der Oesterreichischen Nationalbank und der Ersten oesterreichischen Spar-Casse stammte aus einer der berühmtesten Rabbinerfamilien Mitteleuropas.

Meist wird übersehen, dass Bernhard von Eskeles nicht nur ein Waisenkind war, sondern auch aus einer Flüchtlingsfamilie stammte, und dass er als einer der Pfeiler der jüdischen Aufklärungsbewegung in Österreich zugleich in der jahrhundertealten rabbinischen Tradition Mitteleuropas verwurzelt war. Ein eindrucksvolleres Beispiel für eine erfolgreiche Integration lässt sich wohl kaum denken.

Inhalt

Der berühmteste Vorfahre der Familie Eskeles ist der Maharal, Rabbi Jehuda ben Bezalel Löw in Prag (1512/1525 – 1609), dessen Bruder Sinai ben Bezalel der Grossvater von Gabriel Eskeles war. Sinais Sohn Löb wanderte nach Krakau aus; dessen Sohn, Bernhards Grossvater Rabbi Gabriel Eskeles (1655 Krakau–1718 Nikolsburg), starb hoch angesehen als Landesrabbiner Mährens. Er war mit Ester Berusch verheiratet, der Tochter des Krakauer Gemeindevorstehers und Enkelin des ebenso berühmten Krakauer Oberrabbiners R.R. Abraham Josua Heschel (1595 – 1663), der infolge des Chmelnicky-Aufstandes 1655 fliehen musste und sich, wie viele andere Flüchtlinge, nach Wien rettete. Gabriels Sohn, Rabbi Issachar Berusch ben R. Gabriel Eskeles (1692 – 1753), folgte ihm im Amt des mährischen Landesrabbiners, erfüllte dieses aber, aufgrund der bedrängten Situation für Juden unter der Herrschaft Karls VI. und Maria Theresias in Böhmen und Mähren, von Wien aus. Er heiratete Chawa Rebekka, die Tochter des ungarischen Landesrabbiners und habsburgischen Oberhoffaktors Simson Wertheimer (1658 – 1724), dem er, nach dessen Tod, 1725 auch im Amt eines Landesrabbiners von Ungarn nachfolgte. Berusch Eskeles verstarb am Freitag, 2. März 1753, in Wien und wurde auf dem jüdischen Friedhof in der heutigen Seegasse im Neunten Bezirk bestattet.

 

Als Berusch Eskeles starb, war seine zweite Ehefrau Chana (die Tochter seines Schwagers aus erster Ehe, Wolf Wertheimer) hochschwanger. Ihr Sohn Berusch Bernhard erblickte sechs Monate nach Beruschs Tod, am 24. August 1753 das Licht der Welt, und erhielt daher den Namen des Vaters. Chana heiratete in zweiter Ehe Josef ben Naftali Herz Neumark aus Amsterdam, wohin sie mit ihren Kindern aus erster Ehe übersiedelte. Bernhard von Eskeles erhielt in Amsterdam eine standesgemässe Ausbildung in der rabbinischen Tradition, begann sich allerdings für die jüdische Aufklärung (hebr. Haskala) zu interessieren, deren Ideale sein weiteres Leben entscheidend prägten. Auch wenn er den Aufbau der Dritten Wiener jüdischen Gemeinde tatkräftig unterstützte und bedeutende Summen spendete, so war er doch in erster Linie säkularen Aufgaben zugewandt. Gemeinsam mit Geschäftspartnern, Freunden und Verwandten half er mehrfach, vor allem durch die Schaffung einer neuen finanztechnischen Institution, der Oesterreichischen Nationalbank (1816), die Monarchie vor dem Staatsbankrott zu retten; zur wirtschaftspolitischen Stabilisierung der Einkommen unterer und mittlerer gesellschaftlicher Schichten gründete er mit Ignaz Ritter von Schönfeld und Johann Baptist Weber die Erste oesterreichische Spar-Casse (1819). Dies entsprach wohl nicht nur seiner persönlichen, der Welt zugewandten Auffassung vom traditionellen religiösen Gebot der Wohltätigkeit (hebr. Zedaka), sondern spiegelt auch die Lebenseinstellung einer ganzen Generation von jüdischen Begründern der sozialen, schulischen und kulturellen Infrastruktur Österreichs. Die Salons seiner Ehefrau Cäcilie geb. Itzig (1760 – 1836) und seiner Schwägerin Fanny von Arnstein geb. Itzig (1758 – 1818) waren legendär und spielten während des Wiener Kongresses eine tragende Rolle als Plattform politischer Lobbyisten. Bernhard von Eskeles verstarb am 7. August 1839 und wurde im jüdischen Friedhof Währing bestattet, neben seiner Ehefrau Cäcilie, seiner Schwägerin Fanny und seinem Schwager und Geschäftspartner Nathan Adam Arnstein (1748 – 1838). Die Nachkommen der beiden verschwägerten Familien Eskeles und Arnstein lassen zurzeit gemeinsam mit der Erste Bank eine Gedenktafel an den Gräbern ihrer so bedeutenden Vorfahren errichten.