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Der Hobbykünstler Siegfried Schwinn in Franken setzt Holzstäbchen auf Holzstäbchen und erinnert in einem Modell an das kulturelle Erbe jüdischer Mitbürger
Dank Siegfried Schwinn steht eine verschwundene Synagoge in Bayern wieder im Kleinformat zur Verfügung, um an das Erbe jüdischer Mitbürger zu erinnern. Der Nachbau würdigt die Bedeutung jüdischer Kultur und ist ein wichtiges Dokument der Judengeschichte. Es hat seinen Platz nun im örtlichen Museum gefunden. Als der 70-jährige Hobbykünstler Holzstäbchen auf Holzstäbchen setzte, um das Original im Massstab 1:100 akribisch nachzubilden, zeigte sich deutlich: Gekonnt beherrscht der gelernte Fabrikarbeiter die Kunst seines Handwerks. Siegfried Schwinn aus Sylbach, einem Ortsteil der unterfränkischen Stadt Hassfurt im Landkreis Hassberge, scheint es wichtig, dass bei der Auswahl seiner Werke Gotteshäuser, Wallfahrtskirchen, Kapellen, Klöster und andere Gebetsstätten dabei sind. Denn sie prägen deutlich die religiöse Kultur seiner fränkischen Heimat.
So war es nicht verwunderlich, dass er sich auch der Synagoge im nahen Bad Königshofen im Grabfeld (Landkreis Rhön-Grabfeld) bereitwillig annahm. Sie ist seit nahezu 70 Jahren aus dem Stadtbild verschwunden. Mit einem kleinformatigen Modell hauchte der Künstler der Synagoge quasi „neues Leben“ ein. Zumindest kann sich die heutige Generation unter der früheren Synagoge in der Stadt Bad Königshofen vor den Toren der Rhön etwas vorstellen.
Der Hobbybastler misst zunächst an Ort und Stelle den Grundriss des Objektes aus, wenn es um Kirchen und Kapellen, Schlösser, Burgen und mehr geht. Seine Frau Gisela ist ihm behilflich und stellt sich mit einem drei Meter langen Zollstock vor das Bauwerk. Der Künstler macht ein Foto davon, womit er die Höhe des Gebäudes abschätzen kann. So erspart er sich eine mühevolle Vermessung. Bei der Synagoge war es anders. Weil sie nicht mehr existiert, war Siegfried Schwinn auf historische Bilder angewiesen. Zur Verfügung stand ihm auch eine Luftaufnahme. Das waren die Grundlagen für den Nachbau, vor dessen Verwirklichung freilich ein manchmal kaum zu übersehendes Mass an Arbeit stand. Das jüdische Gotteshaus gehörte zu seinen wenigen Auftragsarbeiten. Herangetreten war an ihn der Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld, so Schwinn.
Die 1904 erbaute Synagoge an der Bamberger Strasse 1 in Bad Königshofen. Foto 1951, Autor unbekannt. Mit freundlicher Genehmigung J. Kleinhenz.
Die Synagoge in Bad Königshofen mit ihrer bewegenden Geschichte wurde von 1903 bis 1904 im neugotischen Stil erbaut und 1929 grundlegend renoviert. Im Krieg diente sie als Unterkunft für australische Kriegsgefangene. Beim Pogrom am 10. November 1938 wurde die Synagoge von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft innen wüst zerstört. Später war das Gebäude von privat erworben worden, um etwa 1952 nach Abtragen der Mauern an gleicher Stelle eine Autoreparaturwerkstatt zu eröffnen. Heute erinnert nahe dem ehemaligen Standort ein Gedenkstein der Stadt an die Synagoge. Sie erinnert in einem traurigen Kapitel der Geschichte an die Verfolgung und Leiden ihrer jüdischen Mitbürger. Die Historie erzählt, dass deren Zahl um 1900 in der Stadt stark anstieg. Zuerst sei für sie ein Betsaal vorhanden gewesen, der zur jüdischen Gemeinde Königshofen gehörte. Der Betsaal befand sich bis 1904 in einem Haus in der Rathausstrasse, bevor die Synagoge übergeben werden konnte. Beim Weiheakt hob der damalige Spitalpfarrer Dr. Frank laut einer Aufzeichnung hervor:
„Die israelitische Gemeinde wird es gewiss niemals bereuen, aus
eigenen Kräften den Bau hergestellt zu haben. Die Synagoge ist
ein bleibendes Denkmal ihres Glaubens und ihrer G´ttesliebe.
Ich glaube keinem Widerspruch zu begegnen, wenn ich sage,
dass der geschmackvolle, elegante, formgerechte Bau es auch
verdient, ein Schmuck für Königshofen und eine Zierde des
ganzen Grabfeldgaus genannt zu werden“,
fuhr Frank fort. Die Synagoge wertete er wegen ihrer imposanten Optik als grossen baulichen Vorteil für das Stadtbild. Heute zeigt sie sich im Kleinformat und hebt die Bedeutung jüdischer Kultur hervor.
Mit einem Gedenkstein in der Bamberger Strasse nahe ihres Standortes erinnert die Stadt Bad Königshofen an die ehemalige Synagoge sowie an die Verfolgung und die Leiden jüdischer Mitbürger. Repro-Foto: Kleinhenz, mit freundlicher Genehmigung.
Nicht jede Bauphase des Modells gestaltete sich einfach. Siegfried Schwinn: „Schwierig war zum Beispiel die Imitation der Rundbogenfenster. Trotz einiger Schwierigkeitsgrade konnte ich sie aber massgerecht in den Bau integrieren“. Mehr als 2.000 kleine Bastelhölzer brauchte der Künstler. Und dieselbe Anzahl meistens auch für andere Bauwerke. „Fenster fertige ich mit Kunststoff- und Balsaholz. Fachwerk bepinsele ich mit roter Farbe, damit auch alles originalgetreu aussieht“. Grösstenteils Sperrholz verwendet Siegfried Schwinn für den Unterbau seiner Objekte. Auch Streichhölzer, teils bereits sogar verwendete, kommen zum Einsatz. Bereit liegen Schere, Messer – und viel Klebstoff. Bei der Synagoge investierte der Hobbykünstler ein halbes Jahr an Arbeitszeit. Im Schnitt benötigt er für ein Bauwerk drei Monate. Bei der Synagoge habe er allerdings mehrere Pausen eingelegt, zumal es nicht ganz einfach gewesen sei, alle Bauteile und Holzelemente formgerecht zu platzieren und ins rechte Licht zu rücken.
Bastelt die Synagoge mit kleinen Holzstäben in Miniatur zusammen: Siegfried Schwinn. Foto: J. Kleinhenz, mit freundlicher Genehmigung.
Eines seiner Meisterwerke ist auch das Modell des 1900 in Folge Blitzeinschlags eingeäscherten Schlosses von Kleineibstadt im fränkischen Grabfeld. Dort lebten früher viele hoch geachtete jüdische Familien. Das Schloss galt als eine der schönsten Renaissanceanlagen Unterfrankens und ist ebenfalls imposant abgebildet. Zu seinem Hobby war Siegfried Schwinn 1975 gekommen – eher durch Zufall. Bei einer schlesischen Familie in Sylbach entdeckte er eine Windmühle. Und die faszinierte ihn so sehr, dass er sie im Kleinformat nachbaute. Das Ergebnis gefiel ihm, so dass er sich bestärkt sah, später auch die Synagoge in Bad Königshofen im Modell zu errichten. Mittlerweile entstanden rund zwanzig filigrane Meisterwerke von Kirchen, Kapellen, Schlössern, Burgen und mehr. Wichtig ist ihm bei seinem Tun, dass sich Menschen über sein Handwerk noch freuen. Wenn seine Arbeit wertgeschätzt werde, sei dies nicht nur der grösste Lohn seiner Mühen, sondern auch Ansporn für weitere Bauwerke.
Hobbykünstler Siegfried Schwinn präsentiert die selbst gefertigte ehemalige Synagoge im fränkischen Bad Königshofen in Miniatur. Foto: J. Kleinhenz, mit freundlicher Genehmigung.