Ausgabe

„Unter Schmerzen zu altern und zu zerschellen“

Monika Kaczek

Zum 50. Todestag von Nelly Sachs

Nelly Sachs wurde als Leonie Sachs am 10. Dezember 1891 in Schöneberg (heute ein Stadtteil von Berlin) geboren. Sie wuchs in einer grossbürgerlichen, assimilierten jüdischen Familie auf und wollte in Jugendjahren eine Karriere als Tänzerin beginnen. Als sie mit 15 Jahren Selma Lagerlöfs Roman Gösta Berling las, begann sie einen Briefwechsel mit der schwedischen Autorin und blieb ab dem Zeitpunkt der Literatur verbunden.

Inhalt

hre ersten Gedichte verfasste Nelly Sachs mit 17 Jahren, und mit Unterstützung von Stefan Zweig konnte 1921 ihr erster Gedichtband mit dem Titel Legenden und Erzählungen erscheinen. Ende der 1920-er Jahre wurden ihre Gedichte in verschiedenen Berliner Zeitungen abgedruckt und erhielten grosses Lob von der Kritik.

Der Krebstod des Vaters 1930 bildete eine schmerzhafte Zäsur in ihrem Leben, von der sie sich nie erholen konnte. Durch den aufkeimenden Nationalsozialismus begann Nelly Sachs sich mit ihrer jüdischen Herkunft zu beschäftigen.

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Nelly Sachs, 1910. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nelly_Sachs#/media/Datei:Nelly_Sachs_1910.jpg , gemeinfrei

Ein Schlüssel dazu war die Buber-Rosenzweig-Übersetzung des Jesaia, die 1929 erschien.

1940 gelang ihr gemeinsam mit ihrer Mutter Margarete die Flucht nach Schweden, wo sie Dank einer Intervention der damals 82-jährigen Selma Lagerlöf aufgenommen wurden.

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Nelly Sachs, 1966. Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Nelly_Sachs#/media/File:Nelly_Sachs_1966.jpg , Public domain

Im schwedischen Exil erschienen Werke, die sich oft mit Trauer und Heimatlosigkeit beschäftigten. Ihren 1949 veröffentlichten Gedichtband Sternverdunkelungen widmete sie ihrem toten Vater. Nach einer unglücklichen Beziehung mit einem verheirateten Mann blieb Nelly Sachs ledig.

Ende der 1950-er Jahre erhielt sie für Übersetzungen von deutscher Poesie ins Schwedische den Literaturpreis des Verbandes schwedischer Lyriker. Weitere bedeutende Auszeichnungen folgten: 1965 wurde ihr als erster Frau der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 1966 – gemeinsam mit dem israelischen Autor Samuel Joseph Agnon – der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Nelly Sachs starb am 12. Mai 1970 in einem Stockholmer Krankenhaus an einer Krebserkrankung – am Tag der Beerdigung von Paul Celan, mit dem sie eine jahrzehntelange Freundschaft verbunden hatte. In seinem Nachruf auf die Dichterin fand der schwedische Schriftsteller Olof Lagercrantz die treffenden Worte:

„Unter Schmerzen zu altern und zu zerschellen am Übermass an Leid wird eine Erfahrung für immer mehr Menschen. Das bedeutet, dass Nelly Sachs zu den Dichtern gehört, die wir in Zukunft am allermeisten brauchen.“